23.11.2011

Startschuss für „B-Fabrik“

Das Experiment Belle II am japanischen Forschungszentrum KEK soll die Ursache für den Materieüberschuss im Universum aufklären.

Am 18. November fand am japanischen Beschleunigerlabor KEK in Tsukuba, rund 100 Kilometer von Tokio entfernt, die Grundsteinlegung statt für ein ehrgeiziges Experiment, mit dem die beteiligten Forscher eines der großen Rätsel der Teilchenphysik lösen möchten: Warum dominiert heute im Universum offenkundig Materie, obwohl nach dem Urknall Materie und Antimaterie in gleichen Anteilen existiert haben sollten? Antworten auf diese Frage soll der Ringbeschleuniger SuperKEKB liefern, der Elektronen und Positronen in dem Detektor Belle II zur Kollision bringt.

Blick in den Tunnel des KEKB-Beschleunigers
mit den Ringen für Elektronen (links) und Positronen (rechts). (Quelle: KEK)

Der beobachtete Materieüberschuss setzt voraus, dass im frühen Universum Prozesse abliefen, die die sog. CP-Symmetrie verletzen. CP-Symmetrie bedeutet, dass der Zerfall eines Teilchens genauso abläuft wie der Zerfall des zugehörigen Antiteilchens (C wie charge conjugation), wenn gleichzeitig eine Raumspiegelung (P wie parity) durchgeführt wird. 1973 entwickelten die japanischen Theoretiker Makato Kobayashi und Toshihide Maskawa einen Mechanismus, der die CP-Verletzung hervorruft – dazu postulierten sie über die damals bekannten drei Quarksorten hinaus noch drei weitere, die in den Jahren danach alle entdeckt wurden. Zwei Experimente in den USA und Japan, BaBar bzw. Belle, haben den KM-Mechanismus im Jahr 2004 fast zeitgleich bestätigt, indem sie den Zerfall von neutralen B-Mesonen und ihren Antiteilchen untersucht haben. Vier Jahre später erhielten Kobayashi und Maskawa den Physik-Nobelpreis 2008. Allerdings reicht die CP-Verletzung im Rahmen dieses Mechanismus bei weitem nicht aus, um den beobachteten Materieüberschuss quantitativ zu erklären.

Daher wird nun am KEK für rund 400 Millionen Euro der vorhandene drei Kilometer lange Ringbeschleuniger umgebaut mit dem Ziel, die Kollisionsrate um einen Faktor 40 zu erhöhen. SuperKEKB soll wesentlich präzisere Messungen zum Zerfall von B-Mesonen ermöglichen und dadurch neue Mechanismen der CP-Verletzung jenseits des Standardmodells aufdecken, die mit bisher unbekannten Teilchen oder Prozessen einhergehen. Die Teilchenenergien sind dabei recht gering und mit 7 (4) GeV für Elektronen (Positronen) gerade so gewählt, dass bei den Kollisionen hauptsächlich B-Mesonen entstehen – daher die Bezeichnung „B-Fabrik“. Um die hohe Kollisionsrate verarbeiten zu können, müssen für 40 Millionen Euro wichtige Komponenten des bisherigen Belle-Detektors ausgetauscht werden, insbesondere der Teildetektor unmittelbar am Kollisionspunkt. Diesen neuartigen „Silizium-Pixel-Vertexdetektor“ entwickeln das Max-Planck-Institut für Physik in München, sieben deutsche Universitäten (Bonn, Gießen, Göttingen, Heidelberg, Karlsruhe, LMU und TU München) sowie das DESY gemeinsam mit europäischen Partnern – in der 420-köpfigen Belle-II-Kollaboration sind deutsche Physikerinnen und Physiker die zweitstärkste Gruppe nach den Japanern.

Jochen Schieck vom Exzellenzcluster Universe mit einem
maßstabsgetreuen Modell des Pixeldetektors. Im Hintergrund
ist der geöffnete Belle-Detektor zu sehen (Quelle: S. Jorda)

Die Experimente am SuperKEKB bzw. Belle II sollen 2014/2015 starten und die Messungen am Large Hadron Collider (LHC) ergänzen, zu denen sie komplementär sind. Während der LHC neue Teilchen mit Energien in der Größenordnung von 1 TeV direkt erzeugen soll, könnten sich in den Daten von Belle II sogar neue Teilchen mit deutlich höherer Energie bemerkbar machen – allerdings nur indirekt als kleine Korrekturen zu den Messgrößen.

Stefan Jorda

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