11.11.2008

Stefan Hell erhält den Niedersächsischen Staatspreis 2008

Der Niedersächsische Staatspreis zeichnet Persönlichkeiten für ihren "besonderen Einsatz in den Bereichen Kultur, Frauen, Soziales, Umwelt, Wirtschaft oder Wissenschaft" aus.




Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff hat in Hannover den Niedersächsischen Staatspreis 2008 verliehen. Preisträger ist der Physiker Stefan W. Hell vom Göttinger Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie. Der Niedersächsische Staatspreis zeichnet Persönlichkeiten für ihren "besonderen Einsatz in den Bereichen Kultur, Frauen, Soziales, Umwelt, Wirtschaft oder Wissenschaft" aus. Vergeben wird er durch eine ehrenamtlich tätige Jury, die alle sechs Jahre vom Ministerpräsidenten berufen wird.


Abb.: Ministerpräsident Christian Wulff verleiht den Niedersächsischen Staatspreis 2008 an den Physiker Prof. Stefan Hell. (Bild: Böttcher / MPIbpc)


"Stefan Hell hat gezeigt, dass Ideen und Forscherdrang mutig gegen Widerstände bestehen können. Mit seiner neuen Methode in der Lichtmikroskopie ermöglicht er neue Einblicke in das Innere der Zellen. Dies galt vorher als unmöglich und wird für kommende Forschergenerationen die Grundlage zum Verständnis der Vorgänge innerhalb der Zellen sein", sagte Wulff heute bei der Preisverleihung an den Wissenschaftler. Seit 2002 leitet der Physiker Stefan Hell die Abteilung NanoBiophotonik am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen.

Mit seinen zunächst sehr ungewöhnlich scheinenden Ideen hat Hell Lehrbuchwissen auf den Kopf gestellt und die Lichtmikroskopie weit über akzeptierte Grenzen hinaus grundlegend verbessert. Mit seiner Erfindung der "STED (Stimulated Emission Depletion)-Mikroskopie ist es dem Physiker erstmals gelungen, die 1873 entdeckte Auflösungsgrenze von bestenfalls 200 Nanometern in der Lichtmikroskopie radikal zu unterlaufen. Mit dem STED-Mikroskop ist es möglich, in einer Zelle viel feinere Details scharf zu sehen. Mit einer bis zu 10-fach verbesserten Auflösung gegenüber herkömmlichen Mikroskopen lassen sich winzige, fluoreszenzmarkierte Proteinkomplexe mit einer Größe von nur 20 bis 50 Nanometern getrennt voneinander beobachten - Strukturen, die etwa 1000-mal kleiner sind als ein menschliches Haar. Aber nicht nur superscharfe Momentaufnahmen aus der lebenden Zelle sind mit dem neuen STED-Mikroskop möglich.

"Stefan Hell hat in jüngster Zeit weitere spektakuläre Verbesserungen erzielt, die es tatsächlich erlauben, den dynamischen Prozessen in einzelnen Zellen auf der Spur zu bleiben", so Jens Frahm in seiner Laudatio. Mit einer Rate von 28 Bildern pro Sekunde und einer räumlichen Auflösung von 65 Nanometern zeige ein erstes Video lebenden Nervenzellen bei ihrer Arbeit - der Signalübertragung.

"Bisher war man meistens darauf angewiesen, die komplexen Lebensvorgänge im Reagenzglas zu untersuchen, was ohne Zweifel erfolgreich war. Doch das Reagenzglas ist nicht die Zelle. Wenn wir nun aber das Regelwerk der Zelle selbst "live" beobachten können, dann sehen wir, was dort zu welchem Zeitpunkt passiert oder sogar aus dem Ruder läuft", sagte Hell in seiner Rede. Der Physiker erwartet, dass die scharfen Einblicke ins Innere lebender Zellen wichtige neue Erkenntnisse in der Gesundheitsforschung ermöglichen und zukünftig zur Entwicklung neuer Therapieformen führen können. Seit November 2007 ist das STED-Mikroskop auch kommerziell erhältlich; es wird von der Firma Leica-Microsystems vertrieben.

Zur Person:
Stefan W. Hell (Jahrgang 1962) studierte nach dem Abitur in Ludwigshafen am Rhein in Heidelberg Physik. Er habe "phantastische" Physiklehrer und Hochschullehrer gehabt, denen man die Freude angemerkt habe, Physiker zu sein, Forschung zu machen und Dinge verstehen zu wollen. Nach seiner Promotion 1990 in Heidelberg verfolgte er seine Ideen zunächst als "freier Erfinder". Nach einer Zeit als Postdoktorand am EMBL in Heidelberg ging er 1993 als Gruppenleiter nach Turku, Finnland. Dort entwickelte er das Prinzip der STED-Mikroskopie. Von Turku aus wechselte Hell 1997 als Leiter einer Max-Planck-Nachwuchsgruppe an das Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen, wo er seit 2002 die Abteilung NanoBiophotonik leitet. Hell ist Wissenschaftliches Mitglied der Max-Planck-Gesellschaft und Honorarprofessor für Experimentalphysik an der Georg-August-Universität Göttingen. Für seine Leistungen wurde Stefan Hell mit zahlreichen Auszeichnungen geehrt. Er erhielt unter anderem den Preis der International Commission for Optics (2000), den Carl-Zeiss-Preis (2002), den Karl-Heinz-Beckurts-Preis (2002), den 10. Deutschen Zukunftspreis des Bundespräsidenten (2006), den Julius-Springer-Preis für Angewandte Physik (2007) sowie den Gottfried-Wilhelm-Leibniz-Preis der Deutschen Forschungsgemeinschaft (2008).

Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie



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