29.08.2014

Stellares Riesenbaby

Extrem massereicher Stern in größter Sternentstehungsregion der Milchstraße identifiziert.

Eine Astronomengruppe unter der Leitung von Shiwei Wu vom Max-Planck-Institut für Astronomie hat den massereichsten Stern in W49, dem größten Sternentstehungsgebiet unserer Milchstraße identifiziert. Der Stern mit der Bezeichnung W49nr1, besitzt zwischen 100 und 180 Mal soviel Masse wie unsere Sonne – nur einige Dutzend solcher Sterne sind überhaupt bislang bekannt. Von der Erde aus gesehen ist der Stern hinter dichten Staubwolken verborgen. Nur mit Infrarotbeobachtungen gelang es, den Stern zu identifizieren. Von der Entdeckung erhoffen sich die Astronomen neue Einsichten in die Entstehung derart massereicher Sterne sowie zu der Rolle, die sie in den größten Sternhaufen spielen.

Abb.: Der bläuliche Riesenstern W49nr1 hat den 25,5-fachen Durchmesser unserer Sonne. (Bild: MPIA / Axel M. Quetz)

Die Entdeckung eines neuen, sehr massereichen Sterns ist für Astronomen aus mehreren Gründen spannend. Solche Sterne mit mehr als hundert Mal der Masse unserer Sonne bergen nach wie vor einiges an Rätseln: Im Vergleich mit der Sonne sind sie sehr kurzlebig und überdauern nur einige Millionen Jahre; unter anderem deshalb sind sie auch sehr selten. Unter den Milliarden von Sternen, die Astronomen erfasst und untersucht haben, fallen nur wenige Dutzend in diesen Massenbereich – und die meisten davon kennt man erst seit einigen Jahren.

Die massereichen Sterne haben andererseits einen enormen Einfluss auf ihre Umgebung: Sie sind extrem hell und senden große Mengen sowohl hochenergetischer UV-Strahlung als auch von Teilchenstrahlung aus. Damit „pustet“ ein solcher Stern eine große Blase in das ihn umgebene Gas. Sternnahes Gas wird dabei sofort ionisiert, weiter entferntes Gas schiebt der Stern von sich weg. Das verdrängte Gas könnte dabei dazu führen, dass noch fernere Gaswolken kollabieren und neue Sterne bilden.

Bis vor einigen Jahren war nicht einmal sicher, wie Sterne mit derart großer Masse entstehen können. Erst kürzlich ist es Astrophysikern, die sich mit der Sternentstehung beschäftigen, gelungen, die Geburt solcher Sterne zu simulieren.

Derzeit gibt es konkurrierende Modelle für die Entstehung. In einem davon bilden sich Sterne dieser Klasse, wenn in einem ausgedehnten Sternhaufen zwei Sterne miteinander verschmelzen. Bislang gab es allerdings nur drei Sternhaufen (NGC 3603 und Arches-Sternhaufen in der Milchstraße sowie R136 in der Großen Magellan'schen Wolke), in denen man derart massereiche Sterne nachweisen konnte.

Jetzt hat eine Gruppe von Astronomen einen solchen massereichen Stern entdeckt – und das nicht irgendwo, sondern in der größten bekannten Sternentstehungsregion unserer Milchstraße. Die Region trägt die Bezeichnung W49, und die Entdeckung war alles andere als einfach: W49 ist rund 36.000 Lichtjahre von der Erde entfernt. Ganze zwei Spiralarme unserer Heimatgalaxie mit all ihrem Staub liegen zwischen uns und dem Sternhaufen.

Shiwei Wu erklärt: „Weil W49 hinter großen Mengen interstellaren Staubs verborgen ist, erreicht uns nur ein Billionstel des sichtbaren Lichts, das seine Sterne in Richtung Erde schicken. Daher haben wir unsere Beobachtungen im Infrarotbereich durchgeführt – Infrarotlicht kann den Staub weitgehend unbehindert durchqueren.“

Mithilfe eines Infrarot-Spektrums, das sie mit dem Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte aufgenommen hatten, konnten die Astronomen den Typ des Sterns bestimmen. Zusammen mit der gemessenen Sternhelligkeit erlaubt es diese Information, die Temperatur ebenso abzuschätzen wie die Gesamtmenge an Licht, die der Stern aussendet. Im Vergleich mit Sternmodellen ergab sich dann, dass der Stern eine Masse zwischen der 100- und der 180-fachen Sonnenmasse besitzen sollte. Aufgrund seiner enormen Größe ist W49 eine der wichtigsten Regionen in unserer Galaxie, in der sich die Entstehung und Entwicklung sehr massereicher Sterne untersuchen lässt, und mit W49nr1 haben die Astronomen nun das Schlüsselobjekt dieses Haufens identifiziert.

MPIA / DE

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