Sternentod verrät Spin eines schwarzen Lochs
Astronomen analysieren die verräterisch flackernde Röntgenstrahlung.
Nahezu alle großen Galaxien beherbergen in ihren Zentren supermassereiche schwarze Löcher mit mehreren Zehntausend bis zu mehreren Milliarden Sonnenmassen. Die meisten davon sind allerdings inaktiv, also nicht von Akkretionsscheiben umgeben, die sie stetig mit Materie füttern und so zur Emission beobachtbarer elektromagnetischer Strahlung führen. Doch auch ruhige supermassereiche schwarze Löcher können dann und wann kurze Phasen von Aktivität zeigen, nämlich bei „Tidal Disruption Events“. Bei einem solchen TDE nähert sich ein normaler Stern dem supermassereichen schwarzen Loch so sehr, dass er durch die Gezeitenkraft – also die differentielle Gravitation – zerrissen wird. Die in das schwarze Loch fallende Sternmaterie sorgt dann für einen über Wochen oder Monate andauernden Strahlungsausbruch vom Radio- bis zum Röntgenbereich.
Während sich die Masse schwarzer Löcher zumeist gut bestimmen oder zumindest abschätzen lässt, ist über ihren Spin nur wenig bekannt. Wie ein internationales Forscherteam um Dheeraj Pasham vom Massachusetts Institute of Technology in den USA jetzt zeigt, können TDEs jedoch zuverlässig Informationen über den Eigendrehimpuls der schwarzen Löcher liefern. Das Team analysierte die von den drei Röntgen-Weltraumteleskopen Chandra, XMM-Newton und Swift gesammelten Daten eines TDE, das am 22. November 2014 am Himmel aufgeleuchtet war. Die damaligen Beobachtungen hatten gezeigt, dass dieses Ereignis im Zentrum einer 300 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie stattgefunden hatte und dass das zentrale schwarze Loch eine Masse von knapp einer bis etwas über zehn Millionen Sonnenmassen besitzt.
Bei ihrer Analyse der Röntgenstrahlung stießen Pasham und seine Kollegen auf Schwankungen der Intensität mit einer Periode von etwa 131 Sekunden, die über einen Zeitraum von 450 Tage andauerten. Die Forscher folgern, dass dieses Flackern den Umlauf der Materie des zerrissenen Sterns um das schwarze Loch widerspiegelt. Nun kann Materie nicht beliebig nahe um ein schwarzes Loch kreisen. Die allgemeine Relativitätstheorie liefert einen „innersten stabilen Radius“ für solche Umlaufbahnen, der für nichtrotierende schwarze Löcher beim dreifachen Schwarzschildradius liegt.
Bei rotierende schwarzen Löchern hängt der Radius des innersten stabilen Orbits vom Drehimpuls ab: Je größer der Spin, desto kleiner dieser Radius. Pasham und seine Kollegen gehen von der Annahme aus, dass die Überreste des Sterns sich auf diesem innersten Orbit bewegen. Aus der Periode der Umlaufbahn und der Masse können sie dann den Spin des schwarzen Lochs berechnen: Er beträgt demnach siebzig Prozent des maximal möglichen Eigendrehimpulses. Dieses Maximum ergibt sich daraus, dass der Ereignishorizont mit zunehmendem Spin schrumpft. Das Maximum ist erreicht, wenn der Ereignishorizont auf die Singularität trifft – denn eine „nackte Singularität“ kann es nicht geben.
Die Forscher weisen darauf hin, dass es sich um einen Mindestwert für den Spin handelt: Wenn sich die Materie nicht auf dem innersten Orbit befindet, müsse dieser – und damit auch der Ereignishorizont – kleiner und damit der Eigendrehimpuls größer sein. „Damit ist es uns erstmals gelungen, aus dem Röntgen-Flackern eines zerrissenen Sterns den Spin eines supermassereichen schwarzen Lochs zu bestimmen“, so Pasham. Die Forscher wollen das Verfahren nun bei weiteren TDEs anwenden und so einen Überblick über die Eigendrehimpulse dieser Objekte erhalten. Das könnte den Forschern Informationen über die Entwicklung nicht nur der schwarzen Löcher, sondern auch der Galaxien im kosmischen Rahmen liefern.
Rainer Kayser