23.10.2020 • AstrophysikAstronomie

Sternhaufen mit Hüllen

Überraschende Beobachtung: Sternen bilden ausgedehnte Koronen um Haufenzentren.

Die dichten Zentren von Stern­haufen sind von bislang unbekannten masse­reichen Hüllen aus Sternen umgeben. Diese über­raschende Entdeckung gelang nun einem Team von Astro­nomen um Stefan Meingast an der Universität Wien mithilfe des europä­ischen Astro­metrie-Satelliten Gaia und inno­vativen Methoden des maschinellen Lernens. Die Beobachtungen und Analysen der Forscher zeigen die gewaltige Zahl an Sternen, die die Zentren der Stern­haufen umgeben.

Abb.: Aufnahme des nahe­ge­legenen Stern­haufens Alpha Persei und seinen...
Abb.: Aufnahme des nahe­ge­legenen Stern­haufens Alpha Persei und seinen Korona. Die Haufen­mit­glieder, welche die Korona bevölkern, ver­schwinden im stellaren Hinter­grund. Nur durch die präzisen Messungen des Gaia-Satel­liten gelang es, sie sicht­bar zu machen. (Bild: S. Mein­gast, U. Wien)

Die Sterne eines Haufens entstehen gemeinsam und bleiben oft über einen großen Teil ihrer Entwick­lung zusammen. „Nach aktuellem Wissens­stand kennen wir einige tausend Stern­haufen in der Milch­straße“, erläutert Meingast, „jedoch können wir sie zurzeit nur als solche identi­fi­zieren, da sie als stern­reiche und helle Objekte am Nacht­himmel erkennbar sind. Über lange Zeit­spannen neigen Sterne aber auch dazu, ihre Krippe zu verlassen und in Nachbar­schaften voller fremder Sterne zu wandern, wodurch sie praktisch nicht von ihren Nachbarn unter­schieden werden können und ihre Identi­fi­kation eine wahre Heraus­forderung wird.“

Die Messungen von Meingast und seinen Kollegen zeigen jetzt erstmals die gewaltige Zahl an Sternen, welche die bekannten Zentren von Stern­haufen umgeben. Die Stern­haufen sind offenbar von Koronen aus Sternen umhüllt, die vielfach größer sein können als der ursprüng­lich bekannte Haufen. „Die dichten, am Nacht­himmel sicht­baren Stern­gruppen bilden demnach einfach einen Teil einer viel größeren Einheit“, so Alena Rotten­steiner von der Uni Wien. „Eine große Aufgabe wird vor allem sein, unsere bisherigen Vorstellungen und Konzepte der elemen­taren Eigen­schaften von Stern­haufen zu über­arbeiten und zu versuchen, den Ursprung der neu entdeckten Koronen zu verstehen.“

Um die verschollenen Sterne zu finden, entwickelte das Team eine neue Methode, welche mit Hilfe von maschi­nellem Lernen Stern­gruppen analysiert und nach­ver­folgt, wie Sterne gemeinsam über den Himmel ziehen. Das Team unter­suchte zehn Stern­haufen und identi­fi­zierte dabei Tausende von Sternen, die sich oft hunderte Licht­jahre entfernt vom kompakten Haufen­zentrum befinden, aber trotzdem eindeutig zu dem Haufen gehören. Eine Erklärung für den Ursprung der Koronen gibt es noch nicht, doch die Forscher sind zuver­sicht­lich, dass ihre Ergebnisse Stern­haufen neu definieren und nach­haltig zum Verständnis ihrer Entstehungs­geschichte und Entwicklung beitragen werden.

„Die von uns betrachteten Stern­haufen galten aufgrund ihrer jahr­hunderte­langen Erforschung bereits als weit­gehend bekannte Proto­typen. Nun sieht es jedoch so aus, als müssten Astro­nomen in größeren Maßstäben zu denken beginnen“, so João Alves von der Uni Wien. „Unsere Entdeckung kann uns auch viel über die Entstehung der Milch­straße sagen. Wir sehen, dass Stern­haufen und ihre Koronen günstige Orte für die Entwicklung junger Planeten sind.“

U. Wien / RK

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