21.06.2023

Sternsystem mit Seltenheitswert

Zweiter Weißer-Zwerg-Pulsar in 773 Lichtjahren Entfernung gefunden.

Die Entdeckung einer seltenen Art von Sternensystem in zwei unabhängigen Studien der Universität Warwick und des Leibniz-Instituts für Astro­physik Potsdam (AIP) liefert neue Erkenntnisse über die Vorhersagen des Dynamo­modells für die Stern­entwicklung. Der neue Weiße-Zwerg-Pulsar, ein extrem enges Doppelstern­system aus einem weißen und einem roten Zwergstern, die gemeinsam in die Sonne passen würden, ist erst das zweite bekannte seiner Art.

 

Abb.: Künstlerische Darstellung eines Weißen-Zwerg-Pulsars (Bild: M. Garlick...
Abb.: Künstlerische Darstellung eines Weißen-Zwerg-Pulsars (Bild: M. Garlick / U. Warwick / ESO)

Weiße Zwerge sind extrem verdichtete Sternreste mit der Masse unserer Sonne, aber der geringen Größe unseres Planeten Erde. Sie entstehen, wenn ein Stern mit geringer Masse seinen gesamten Brennstoff verbrannt hat, seine äußeren Schichten verliert und sein Inneres stark kontrahiert. Sie werden auch als „stellare Fossilien“ bezeichnet und bieten Einblicke in verschiedene Aspekte der Sternentwicklung.

Pulsare hingegen sind seit den 1960er Jahren bekannt, man kennt mehr als 3000 davon. Dabei handelt es sich um schnell rotierende, stark magnetische Neutronensterne, in denen geladene Teilchen durch ultrastarke elektrische Felder aus der Oberfläche gerissen und auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden. In Folge dessen senden sie Strahlung aus, vom Radio- bis in den Röntgen- oder sogar Gamma­bereich. Wegen der schnellen Rotation der Sterne treffen jeweils kurze Pulse der Strahlung an der Erde ein.

Zur großen Überraschung der wissenschaftlichen Gemeinschaft wurde im Jahr 2016 erstmals das Pulsar­phänomen auf einem weißen Zwerg beobachtet. Die Überraschung lag darin, dass in diesem Stern, AR Scorpii, weder die extrem schnelle Rotation noch die starken elektrischen Felder der eigentlichen Pulsare vorhanden waren. Der weiße Zwergstern jedoch war in einem sehr engen Doppel­sternsystem anzutreffen und wurde von seinem unmittelbaren Nachbarn, einem sonnen­ähnlichen roten Zwergstern, durch Injektion in sein Magnetfeld mit Teilchen versorgt. Dadurch wird das Pulsar­phänomen von außen entfacht und der rote Begleitstern wie mit einem Stroboskop bestrahlt, so dass das gesamte System in regelmäßigen Abständen dramatisch heller und schwächer wird. Die beiden Sterne, der weiße und der rote Zwerg, sind so eng benachbart, dass sie in unsere Sonne hineinpassen würden.

Entscheidend ist das Vorhandensein eines starken Magnetfeldes, dessen Ursache jedoch nicht bekannt ist. Eine Schlüssel­theorie, die die starken Magnetfelder erklärt, ist das Dynamo­modell, demzufolge weiße Zwerge Dynamos in ihrem Kern haben. Um diese Theorie zu überprüfen, mussten Forscher jedoch nach anderen Weißen-Zwerg-Pulsaren suchen, um zu sehen, ob ihre Vorhersagen zutreffen.

Nun beschreibt ein internationales Team unter Beteiligung des AIP den neu entdeckten Weißen-Zwerg-Pulsar J1912-4410 (eRASSU J191213.9-441044). Er ist 773 Licht­jahre von der Erde entfernt und dreht sich in fünf Minuten einmal um die eigene Achse, also 300-mal schneller als die Erde. Der Weiße-Zwerg-Pulsar hat eine ähnliche Größe wie die Erde, aber eine Masse, die mindestens so groß ist wie die der Sonne. Das bedeutet, dass ein Teelöffel weißer Zwerg etwa 15 Tonnen wiegen würde. Weiße Zwerge beginnen ihr Leben bei extrem hohen Temperaturen, bevor sie über Milliarden von Jahren abkühlen. Die niedrige Temperatur von J1912-4410 deutet auf ein hohes Alter hin.

Die Studie bestätigt, dass es weitere Weiße-Zwerg-Pulsare gibt, wie von früheren Modellen vorhergesagt. Es gab noch weitere Vorhersagen des Dynamo­modells, die durch die Entdeckung von J1912-4410 bestätigt wurden. Aufgrund ihres hohen Alters sollten die weißen Zwerge in dem Pulsar­system kühl sein. Ihre Begleiter sollten nahe genug sein, dass die Anziehungskraft des weißen Zwerges in der Vergangenheit stark genug war, um dem Begleiter Masse zu entziehen, was dazu führt, dass sie sich schnell drehen. Alle diese Annahmen treffen auf den neu entdeckten Pulsar zu: Der weiße Zwerg ist kühler als 13.000 Kelvin, hat eine hohe Rotationsfrequenz von etwa fünf Minuten, und die Anziehungs­kraft des weißen Zwerges hat eine starke Wirkung auf den Begleiter.

Ein Team nutzte Daten von Gaia und WISE, um Kandidaten zu finden, und konzentrierte sich auf solche, die ähnliche Eigenschaften wie AR Scorpii aufweisen. Nachdem sie ein paar Dutzend Kandidaten beobachtet hatten, fanden sie einen mit sehr ähnlichen Licht­variationen wie AR Scorpii. Eine Folge­beobachtung mit anderen Teleskopen ergab, dass dieses System etwa alle fünf Minuten ein Radio- und Röntgensignal in Richtung Erde sendet. Ein anderes Team nutzte Daten des Röntgen­teleskops eROSITA auf dem Satelliten Spektrum-Röntgen-Gamma, um enge Weißer-Zwerg/Roter-Zwerg-Paare zu finden. Beide Teams schlossen sich zusammen, um ihre neue Entdeckung weiter zu untersuchen.

„Wir freuen uns sehr, dass wir das Objekt in der mit SRG/eROSITA durchgeführten Röntgendurchmusterung gefunden haben“, bemerkt Axel Schwope, Leiter der Gruppe Röntgenastronomie am AIP. „Die Folgeuntersuchung mit dem ESA-Satelliten XMM-Newton zeigte die Pulsationen im hoch­energetischen Röntgen­bereich, der letzte fehlende Beweis, um das Objekt als Weißen-Zwerg-Pulsar zu identifizieren. Damit bestätigten wir die ungewöhnliche Natur des neuen Objekts und etablierten die Weißen-Zwerg-Pulsare als eine neue Klasse, wenn auch derzeit nur mit zwei Vertretern.“

Ingrid Pelisoli vom Institut für Physik der Universität Warwick fügt hinzu: „Der Ursprung von Magnet­feldern ist eine große offene Frage in vielen Bereichen der Astronomie, und dies gilt insbesondere für weiße Zwerge. Die Magnet­felder in weißen Zwergen können mehr als eine Million Mal stärker sein als das Magnetfeld der Sonne, und das Dynamo­modell hilft zu erklären, warum. Die Entdeckung von J1912-4410 ist ein entscheidender Schritt nach vorn in diesem Bereich.“

AIP / DE

 

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