07.02.2020

Steuern mit deformierten Flügeln

Flexibler Flügel kann sich aerodynamisch effizient verformen.

Bei einem Flugzeug entsteht ein beachtlicher Teil des Luft­widerstandes durch die Steuerflächen am Flügel. Werden die Flächen gebeugt, kann dies zu einem Abriss der Strömung über die zuvor glatte Flügel­oberfläche führen und der Luft­widerstand nimmt zu. Die Folge: Der Antrieb muss mehr leisten. Die Forschungs­gruppe von Paolo Ermanni am Labor für Verbund­werkstoffe und adaptive Strukturen (CMASLab) der ETH Zürich beschäftigt sich seit über zwölf Jahren mit der Frage der Verbesserung der aero­dynamischen Effizienz von Flugzeug­flügeln durch Einsatz von adaptiven Strukturen, so genannten Morphing-​Strukturen. In diesem Zusammenhang ist der Masterstudent Leo Baumann in Zusammenarbeit mit dem ETH Spin-​off 9T Labs der Frage nachgegangen, ob es möglich ist, solche leichten und selektiv deformier­baren Faser­verbund-​Strukturen effizient im 3D-​Druck­verfahren herzustellen.

Abb.: Start­bereites Morphing-​Flugzeug, hergestellt durch additive...
Abb.: Start­bereites Morphing-​Flugzeug, hergestellt durch additive Fertigung von Verbund­werkstoffen. (Bild: ETHZ)

Zur Lösung entwickelte das Team einen Flügel mit einer durchgehenden Haut, der über eine interne flexible Morphing-​Struktur verfügt. Diese Struktur ist viel anpassungs­fähiger als bei bisherigen Flugzeugen und kann sich aerodynamisch effizient verformen, wodurch sich der Luft­widerstand verringern lässt. Um die Tragfähigkeit des Morphing-​Flügels zu belegen und die Flug­eigenschaften zu testen, erstellte das Team auf Basis des Konzepts und der Herstellungs­methode für den Flügel eine Flugdrohne. Beim Material setzten sie auf Kunst-​ und Verbundstoffe, wobei die Material­kombination je nach Bauteil variiert, um die gewünschte Steifigkeit und Nach­giebigkeit zu erzielen. Abgesehen von der Aussenhaut und der Elektronik wurden alle Bauteile mit dem 3D-​Drucker, entwickelt von 9T Labs, hergestellt. 

Der Vorteil dieser Herstellungs­methode ist zum einen, dass die Composite-​Fasern spezifisch nach den gewünschten Eigen­schaften ausgerichtet werden können. So kommt die Variation der Steifig­keit des Materials bei hoher Festigkeit voll zur Wirkung. Zum anderen können wesentlich komplexere Geometrien mit weniger Material­abfall und zu geringeren Kosten realisiert werden als bei herkömmlichen Herstellungs­verfahren. Auch reduzierte das Team mit seinem Entwurf die Komplexität der Struktur und die Anzahl der Bauteile. Der Herstellungs­prozess ist wiederholbar und kann zudem leicht und schnell angepasst werden, um mehrere Iterationen desselben Bauteils zu fertigen, Ersatz­teile zu produzieren oder leichte Modi­fikationen vorzunehmen.

Die Flugdrohne wurde aus mehreren Komponenten gefertigt. Flügel, Rumpf und das V-​Leitwerk des Flugzeugs wurden im selben 3D-​Drucker hergestellt. Anschließend wurde die fachwerk­artige Innen­struktur mit einer dünnen Haut überzogen. Diese Kombination einer tragenden Innenstruktur mit einer aero­dynamisch glatten Oberfläche führte zu einem effizienten, leichten Flugzeug. Die einzelnen Bauteile aus Verbund­werkstoff und Kunststoff bestehen alle aus thermo­plastischem Material, wodurch die Einzelteile durch Wiedererwärmen für die Endmontage miteinander verschweisst werden könnten. Dieser Schweiß­prozess verbessert die Verbindungs­eigenschaften weiter, und es sind weniger zusätzliche Klebstellen notwendig.

Gesteuert wird das Flugzeug ausschließlich durch das Verformen der Steuer­flächen, wobei dasselbe Morphing-​Konzept auf das V-​Leitwerk für die Gier-​ und Nicksteuerung angewandt wird. Die Steuer­flächen werden durch acht Servomotoren angesteuert, die es ermöglichen, eine maximale Auslenkung der Hinterkante um 48 Millimeter ;zu erreichen. Durch die indi­viduelle Ansteuerung der Motoren entlang der Spannweite kann auch der Auftrieb variiert werden, was die struk­turelle Belastung verringert, und die Effizienz des Flugzeugs steigern kann. Bei einem dreiminütigen Erstflug erwiesen sich die Morphing-​Steuerflächen als mehr als ausreichend, um das Flugzeug zu steuern. Nicht nur das Morphing am Hauptflügel, sondern auch am V-​Leitwerk zeigte eine hervor­ragende Leistung, die eine volle Steuerbarkeit um die Roll-​, Nick-​ und Gierachse ermöglichte. Selbst verschiedene Akrobatik­manöver wie Loopings konnten erfolgreich geflogen werden.

ETHZ / JOL

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