02.05.2014

Stoppschild für Lichtwellen

Nanoplasmonische Wellenleiter können kurze Lichtpulse fast vollständig abbremsen.

Die Ausbreitungsgeschwindigkeit von Licht deutlich nach unten zu manipulieren, war früher kaum denkbar. Nur wenige Stoffe erreichen Brechungsindizes jenseits von zwei oder drei. Dabei ist die enorm hohe Lichtgeschwindigkeit für viele Anwendungen zwar äußerst hilfreich, etwa in der Telekommunikation. In vielen Fällen wäre es jedoch praktisch, sehr langsame Lichtwellen zur Verfügung zu haben. Mit diesen könnte man Technologiebereiche erschließen, die heute noch schwer zugänglich sind, zum Beispiel hohlraumlose Nanolaser, miniaturisierte Quanteninformationsverarbeitung oder auch verbesserte biomolekulare Bildgebung.

Abb.: Drei eintretende Laserpulse kommen in dem plasmonischen Wellenleiter beinahe zum vollständigen Stillstand. (Bild: K. L. Tsakmakidis et al., PRL)

Mittlerweile gibt es einige Methoden, die es erlauben Licht abzubremsen. Bei der elektromagnetisch induzierten Transparenz etwa beeinflusst ein Lichtstrahl, der durch ein spezielles Medium tritt, die Ausbreitung eines zweiten. Damit lässt sich Licht sogar vollständig anhalten, allerdings nur in einem engen Frequenzbereich. Außerdem besteht das gestoppte Licht dann nicht mehr aus Photonen, sondern hat sich in Spinzustände der Gaselektronen verwandelt. Andere Methoden können Licht zwar bremsen, ohne die Photonen zu zerstören, erreichen aber typischerweise nur Verzögerungsfaktoren um die 100.

Ortwin Hess und sein Team vom Imperial College London haben deshalb nun ein Metamaterial ersonnen, das diese Eigenschaften deutlich übertreffen soll. Es könnte die Geschwindigkeit von Lichtwellen gleich um einen Faktor von 15 Millionen verringern. Ihr Vorschlag beruht auf einem plasmonischen Wellenleiter. Mit dem erzielten Verzögerungsfaktor würde sich das Licht nur noch mit rund zwanzig Metern pro Sekunde fortpflanzen. Die Lichtpulse dauern zwar nicht lange; aber sie können lange genug anhalten, um schnelle optische Schalter zu bedienen oder Nanolaser anzutreiben. Das Medium funktioniert bei Lichtwellen im Infrarotbereich, wie sie unter anderem in der Telekommunikation zum Einsatz kommen.

Die Materialkombination besteht aus einem nur 290 Nanometer dünnen Siliziumstreifen, die sandwichartig zwischen zwei 500 Nanometer messenden Schichten aus Indiumzinnoxid eingeschlossen ist. Da ist dünn genug, um ausreichend Licht durchzulassen. Das Indiumzinnoxid verhält sich gegenüber infrarotem Licht mit einer bestimmten Polarisation wie ein Metamaterial. Deshalb kann es Lichtwellen scharf beugen, wenn sie auf die Grenzfläche mit Silizium treffen. Bei einer Wellenlänge von 1,55 Mikrometern und parallel polarisiertem Licht ist der Realteil der Permitivität von Indiumzinnoxid negativ und ermöglicht es somit, Lichtwellen abzubremsen.

In diesem plasmonischen Wellenleiter entstehen verschiedene angeregte Moden. Nach den Berechnungen von Hess und seinen Kollegen sollten auch mehrere Zustände mit fast verschwindender Ausbreitungsgeschwindigkeit existieren, bei denen das Licht sich praktisch im Kreis bewegt, weil es sich in der einen dielektrischen Schicht in der einen Richtung bewegt und im benachbarten Metamaterial in der anderen. Zwar haben auch andere Gruppen solche Designs vorgeschlagen. Doch Photonenverluste aufgrund von Streuung und Absorption lassen die meisten der „gestoppten“ Moden verschwinden. Übrig bleiben einige Moden mit komplexer Frequenz. Das Problem mit diesen ist aber, dass sie sich in einem Wellenleiter nicht ohne weiteres anregen lassen. Die Wissenschaftler mussten deshalb exakt den Winkel bestimmen, unter dem sich in dem Silizium-Indiumzinnoxid-Wellenleiter nur die gewünschte Mode anregen ließ.

Den Berechnungen der Wissenschaftler zufolge sollte diese Mode nur etwas über 100 Femtosekunden andauern, währenddessen sie sich nur etwa zwei Pikometer fortpflanzte. Dabei blieben wichtige Eigenschaften des Lichtpulses erhalten. Der Puls sollte sich nur gering aufweiten und kaum Diffusion zeigen. Damit lassen sich Lichtpulse stoppen und in ihrer Form erhalten, während sie praktisch an ihrem Eintrittspunkt in das Metamaterial nach kurzer Zeit zerfallen.

Das Verfahren ist sogar gegenüber Streuverlusten an einer rauen Oberfläche robust. Allerdings besitzt dieser plasmonische Wellenleiter eine geringe Effizienz und hohe Photonenverluste. Rund 99 Prozent des einfallenden Lichtes gehen durch Reflexion oder Absorption verloren. Nach rund 130 Femtosekunden ist der Puls vollständig abgeklungen. Dieser Zeitraum könnte aber für viele Anwendungen durchaus ausreichend sein. Dabei sind 99 Prozent der Verluste durch Ohmschen Widerstand bedingt, nur ein Prozent entstammt Strahlungsverlusten. Wie die Wissenschaftler betonen, müsste man für Anwendungen mit höherer Photoneneffizienz deshalb passende Verstärkermedien finden.

Dirk Eidemüller

PH

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