03.11.2020

Straßenlaternen großteils unschuldig

Urbane Lichtemission besteht zu überraschend niedrigem Anteil aus Straßenbeleuchtung.

Satellitenbilder von nächtlich erleuchteten Orten und Straßen zeigen das Ausmaß der Licht­verschmutzung auf der Welt. Nur: Wie viel des Lichts, das die Satelliten auffangen, stammt wirklich von Straßen­laternen und nicht aus anderen Quellen? Ein Team von Forschern aus Deutschland, den USA und Irland hat diese Frage am Beispiel der US-amerikanischen Stadt Tucson zum ersten Mal beantwortet – dank der „Smart City“-Beleuchtungs­technologie, die es Städten ermöglicht, ihre Beleuchtung zu dimmen. Das Ergebnis: Nur etwa zwanzig Prozent des Lichts in den Satelliten­bildern von Tucson stammt aus Straßen­laternen. 
 

Abb.: Intelligente Straßen­beleuchtung in Tucson dient zum Vergleich zwischen...
Abb.: Intelligente Straßen­beleuchtung in Tucson dient zum Vergleich zwischen verschiedenen Beleuchtungs­stärken. (Bild: J. Barentine)

Das Team führte ein Experiment durch, in dem es die Helligkeit von Straßen­laternen in der Stadt Tucson, Arizona, USA, verändern ließ und beobachtete, wie dies die Wahrnehmung der Helligkeit der Stadt aus dem Weltraum beeinflusste. Christopher Kyba vom Deutschen Geoforschungs­zentrum GFZ leitete das Team. Er sagt, die Studie sei wichtig, denn sie zeige, dass Smart City Technologien für Experimente im Stadt­maßstab eingesetzt werden können: „Wenn Sensoren und Steuerungs­systeme in einer ganzen Stadt installiert werden, ist es möglich, Prozesse der Stadt zu verändern und die Auswirkungen auf die Umwelt zu messen, sogar vom Weltraum aus.“

An zehn Tagen im März und April 2019 änderten Stadt­bedienstete in Tucson die Helligkeits­einstellungen für etwa 14.000 der 19.500 Straßen­laternen der Stadt. Normalerweise werden die meisten Straßen­laternen in Tucson am Abend mit neunzig Prozent ihrer maximal möglichen Beleuchtungs­stärke eingeschaltet und um Mitternacht auf sechzig Prozent gedimmt. Während des Experiments dämpfte die Stadt die Beleuchtung stattdessen in einigen Nächten bis auf dreißig Prozent, in anderen regelte sie das Licht auf hundert Prozent hoch. Die Lichter der Stadt wurden von dem Satelliten Suomi National Polar-orbiting Partnership (NPP) beobachtet, der von den USA betrieben wird und für seine globalen Karten des nächtlichen Lichts berühmt ist. Der Satellit nahm wolken­freie Bilder von Tucson auf: in vier Nächten während des Tests und in zwei weiteren Nächten danach, mit regulärem Beleuchtungs­schema. Durch den Vergleich der Stadt­helligkeit in den sechs verschiedenen Nächten fanden die Forscher heraus, dass in einer normalen Nacht nur etwa zwanzig Prozent des Lichts in den Satelliten­bildern von Tucson aus Straßen­laternen stammt.

Die Ergebnisse haben wichtige Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit, so der Mitverfasser der Studie, John Barentine von der International Dark-Sky Association. In einem zweiten Experiment, das zur gleichen Zeit durchgeführt wurde, haben Barentine, Kyba und ihre Koautoren die Helligkeit des Himmels über Tucson von der Stadt aus vermessen. Dabei haben sie ebenfalls untersucht, welchen Einfluss die Variation der Beleuchtungs­stärke von Straßen­laternen hat. So konnten sie zeigen, dass auch der Großteil der Helligkeit des Himmels über Tucson aus anderen Quellen stammen muss.

„Zusammengenommen zeigen diese Studien, dass in einer Stadt mit gut konzipierter Straßen­beleuchtung der größte Teil der Licht­verschmutzung andere Ursachen hat, beispielsweise helle Fenster, beleuchtete Schilder und Fassaden oder Sportplätze“, erklärt Barentine. Die Forscher kommen zu dem Schluss, dass lokale und nationale Regierungen deshalb über mehr als nur die Straßenbeleuchtung nachdenken müssen, wenn sie versuchen, die Licht­verschmutzung zu reduzieren.

Dem Team zufolge sind die Veränderungen in der Helligkeit der Straßen­beleuchtung für Passanten kaum wahrnehmbar, da sich die Augen der Menschen schnell an das Lichtniveau anpassen. Die Forscher berichten, dass die Stadt während des Tests keine Kommentare oder Beschwerden über die veränderte Beleuchtung erhielt. Es gibt auch keine Hinweise oder Andeutungen, dass die Reduzierung des Beleuchtungs­niveaus als Teil des Versuchs negative Auswirkungen auf die öffentliche Sicherheit hatte.

Kyba ist daher von der Idee begeistert, solche Experimente regelmäßiger und in anderen Kommunen durchzuführen. „Anstatt die Beleuchtung jeweils spät nachts auf immer das gleiche Niveau zu dimmen, könnte eine Stadt stattdessen an geraden Tagen auf 45 Prozent und an ungeraden Tagen auf 55 Prozent dimmen“, schlägt Kyba vor. „Die Stadt­bevölkerung würde keinen Unterschied feststellen, aber auf diese Weise könnten wir messen, wie sich der Beitrag der verschiedenen Licht­arten im Laufe der Zeit verändert.“ 

GFZ / DE
 

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