16.03.2021 • Energie

Strom aus dem Holzschwamm

Piezoelektrischer Effekt einer Holzsubstanz liefert elektrische Spannungen.

Dass Holz nicht nur als Baumaterial genutzt werden kann, hat das Team um Ingo Burgert an der Empa und der ETH Zürich schon öfter bewiesen. In den Forschungs­arbeiten geht es häufig darum, die vorhandenen Eigenschaften von Holz so zu erweitern, dass es sich für völlig neue Anwendungs­bereiche eignet. So entstand beispielsweise bereits hochfestes, wasserabweisendes oder magnetisier­bares Holz. Nun hat das Team gemeinsam mit der Empa-Forschungs­gruppe um Francis Schwarze und Javier Ribera ein einfaches, umwelt­freundliches Verfahren entwickelt, um elektrische Spannung mit einer Art Holzschwamm zu erzeugen.

Abb.: Elektronen­mikroskopie-Aufnahmen zeigen die Verän­derungen in der...
Abb.: Elektronen­mikroskopie-Aufnahmen zeigen die Verän­derungen in der Struktur von Balsa-Holz (l.) und delignifi­ziertem Balsa-Holz. (Bild: ACS Nano / Empa)

Will man mit Holz eine elektrische Spannung erzeugen, kommt der piezo­elektrische Effekt ins Spiel. Dabei entsteht durch die elastische Verformung von Festkörpern eine elektrische Spannung. Dieses Phänomen macht sich vor allem die Mess­technik zunutze, indem sie Sensoren verwendet, die beispielsweise bei mechanischer Belastung ein Ladungs­signal erzeugen. Für derartige Sensoren werden allerdings oft Stoffe verwendet, die für den Gebrauch im biomedi­zinischen Bereich ungeeignet sind, etwa Blei-Zirkonat-Titanat (PZT), das aufgrund des Bleis für den Einsatz auf der Haut nicht in Frage kommt. Außerdem erschwert es eine ökologische Entsorgung. Den natürlichen piezo­elektrischen Effekt von Holz nutzen zu können, bietet daher bestimmte Vorteile. Weitergedacht könnte der Effekt auch zur nachhaltigen Energie­gewinnung dienen. Doch zunächst muss Holz einmal die entsprechenden Eigen­schaften erhalten. Denn ohne spezielle Behandlung des Holzes entsteht bei einer mechanischen Bean­spruchung nur eine sehr geringe elektrische Spannung im Verformungs­prozess.

Jianguo Sun, Doktorand im Team von Burgert, wendete ein Verfahren an, das die Grundlage für diverse Weiter­entwicklungen von Holz bildet: die Deligni­fizierung. Holzzell­wände bestehen aus drei Grundstoffen: Lignin, Hemizellulosen und Zellulose. „Das Lignin benötigt ein Baum in erster Linie, um weit in die Höhe wachsen zu können. Ohne Lignin als stabi­lisierenden Stoff, der die Zellen verbindet und das Ausknicken der zugsteifen Zellulose­fibrillen verhindert, wäre das nicht möglich“, sagt Burgert. Um Holz in ein leicht verform­bares Material umzuwandeln, muss das Lignin zumindest teilweise herausgelöst werden. Dies gelingt, indem man das Holz in eine Mischung aus Wasserstoff­peroxid und Essigsäure einlegt.

Im Säurebad wird das Lignin herausgelöst, übrig bleibt ein Gerüst aus Zellulose­schichten. Bei diesem Verfahren ging es Burgerts Team darum, mit relativ einfachen und umwelt­schonenden Prozessen zu arbeiten: „Wir machen uns die hierarchische Struktur des Holzes zunutze, ohne sie, wie etwa bei der Papier­herstellung, zuerst aufzulösen und die Fasern anschließend wieder verbinden zu müssen.“ Der daraus entstandene weiße Holzschwamm besteht aus übereinander­liegenden, dünnen Zellulose­schichten, die sich einfach zusammen­pressen lassen und sich dann wieder in ihre ursprüngliche Form ausdehnen.

Die Forschungsgruppe unterzog den Testwürfel mit einer Seitenlänge von etwa anderthalb Zentimetern rund 600 Belastungs­zyklen. Das Material zeigte dabei eine erstaunliche Stabilität. Bei jeder Belastung maßen die Forscher eine Spannung von rund 0.63 Volt. In weiteren Experimenten versuchte das Team, die mögliche Skalier­barkeit dieses Nano­generators auszuloten. So konnten sie etwa zeigen, dass dreißig solcher Holzklötze, wenn diese parallel mit dem Körpergewicht eines Erwachsenen belastet werden, bereits ein einfaches LCD-Display zum Leuchten bringen. Denkbar wäre bei einer weiteren Optimierung des Prozesses auch ein funk­tionalisierter Parkettboden, der die Trittenergie in Strom umwandelt. Die Tauglichkeit als druck­sensitiver Sensor auf der menschlichen Haut testeten die Forscher und zeigten damit, dass auch eine Anwendung im medi­zinischen Bereich möglich wäre.

Die Arbeiten zur jüngsten Publikation des Empa-ETH Zürich-Teams gehen indes noch einen Schritt weiter: Ziel war es, das Verfahren so abzu­wandeln, dass es ohne aggressive Chemikalien auskommt. Einen geeigneten Kandidaten, der die Deligni­fizierung in Form eines biolo­gischen Prozesses vornehmen kann, fanden die Forscher in der Natur: Der Pilz Ganoderma applanatum verursacht Weissfäulnis im Holz. „Der Pilz baut das Lignin und die Hemizellulose im Holz besonders schonend ab“, erläutert Javier Ribera das umweltverträgliche Verfahren. Zudem lasse sich der Prozess im Labor gut steuern. Bis zur Nutzung des Piezo-Holzes als Sensor oder als strom­erzeugender Parkettboden sind zwar noch einige Schritte zu tun. Doch die Vorteile eines so simplen und gleichzeitig nachwachsenden und biologisch abbaubaren piezo­elektrischen Systems liegen auf der Hand – und werden nun von Burgert und seinen Kollegen in weiteren Forschungs­projekten untersucht. Und um die Technologie für die industrielle Anwendung zu adaptieren, sind die Forscher bereits im Gespräch mit möglichen Kooperations­partnern.

Empa / JOL

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