05.11.2018

Strom aus Körperwärme

Flexibles Minikraftwerk auf der Haut soll tragbare Elektronik mit Strom versorgen.

Elek­tronische Geräte kommen uns immer näher – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Vor allem für medi­zinische Anwendungen werden Sensoren entwickelt, die etwa in Form von Pflastern direkt auf der Haut getragen werden können, um Vital­funktionen wie Puls und Körper­temperatur zu überwachen. Und selbst Kontakt­linsen werden bereits mit aktiven elek­tronischen Elementen ausgestattet, um den Zustand der Augen von Patienten zu beobachten. Die Energie­versorgung geschieht dabei zumeist über inte­grierte Batterien oder externe Sender, die über Wechsel­felder Energie an das Gerät übertragen.

Abb.: Durch die spiralförmige Geometrie lassen sich die thermoelektrischen Elemente entlang des Temperaturgradientens ausrichten. (Bild: K. Nan et al. / AAAS)

Die Forscher­gruppe um John A. Rogers an der North­western Univer­sity in Evanston verfolgt einen anderen Ansatz. Sie nutzen den Unterschied zwischen Körper- und Umgebungs­temperatur, um mithilfe des Seebeck-Effekts direkt auf der Haut elek­trischen Strom zu erzeugen. Dabei kommt ihnen entgegen, dass einfache Sensoren bereits mit einem Nanowatt oder weniger betrieben werden können. Eine der größten Heraus­forderungen bei der Nutzung des Temperatur­gradienten besteht darin, die thermo­elektrischen Elemente räumlich optimal zur Richtung des Wärmeflusses zu orientieren. Schließlich soll das gesamte Gerät flach in Form einer dünnen Folie auf der Haut liegen, während die Wärme senkrecht dazu durch die Fläche strömt. Bisherige Entwicklungen dünner, thermo­elektrischer Gene­ratoren nutzen dagegen zumeist einen Gradienten entlang der Fläche aus.

Um diesem Problem beizu­kommen, haben Rogers uns sein Team eine Methode entwickelt, um zunächst zweidi­mensionale, thermo­elektrische Elemente nach­träglich zu drei­dimensionalen Spiralen aufzufalten. Dadurch drehen sich die Elemente aus der Ebene der Folie heraus und richten sich zumindest teilweise entlang des Temperatur­gradienten aus. Zusätzlich gibt die Spiralform dem System die nötige Flexi­bilität, um sich den Körper­formen und auch Bewegungen anzupassen. Dadurch wird ein ständiger Kontakt mit der Wärme­quelle ermöglicht.

Als aktive Medien kamen Bänder aus p- beziehungs­weise n-dotiertem, einkris­tallinem Silizium zum Einsatz. Dabei wurden zunächst serpentinen­förmige Bänder, in denen sich die beiden Materialien abwechseln, auf ein flaches, vorge­spanntes Elastomer gelegt und in regelmäßigen Abständen fix mit dem Substrat verbunden. Bei der an­schließenden Ent­spannung des Substrats richteten sich die Serpentinen­bahnen zwischen den Fixierungen auf und bildeten schließlich die dreidimensionalen Spiralen. Von jedem Fixierungs­punkt aus ragten dann ein p- und ein n-Band nach oben, die am obersten Punkt wiederum mit einem Band des jeweils anderen Materials der benachbarten Schleife verbunden waren. Eine Beschich­tung aus einem weiteren Polymer gab der so entstandenen Serien­schaltung einzelner Seebeck­schleifen die nötige mechanische Stabilität.

Zur Demonstra­tion klebten die Forscher die fertigen, thermo­elektrischen Elemente an Handgelenk beziehungsweise Knöchel einer Versuchsperson. Darüber hinaus führten Sie Belastungstest durch, bei denen die Strukturen hunderte Zyklen von bis zu sechzig­prozentiger Dehnung entlang der Ebene des Substrats nahezu unbeschadet überstanden. Auch ein wiederholtes Zusammen­drücken der Spiralen um bis zu dreißig Prozent senkrecht zu ihrer Achse verursachte nur minimale Verschlech­terungen ihrer elektrischen Eigen­schaften.

Eine Anordnung von acht Spiralen mit jeweils acht Schleifen auf einer Gesamt­fläche von etwa einem Quadrat­zentimeter lieferte im Experiment bei geöffnetem Schaltkreis eine Spannung von 51,3 Millivolt. Dabei betrug der Temperatur­unterschied zwischen der Wärmequelle und der Umgebung 19 Kelvin, was einem geschätzten Abfall der Temperatur entlang der einzelnen Elemente von 6,2 Kelvin entspricht, basierend auf der Annahme, dass diese eine Thermo­spannung von 65 Mikrovolt pro Kelvin liefern. Diese Spannung bei offenem Stromkreis war über die Zeit stabil, was darauf hinweist, dass sich die gesamte Anordnung im Gleichgewichts­zustand befand. Die maximale Leistung des Systems betrug ungefähr zwei Nanowatt, was bereits für den Betrieb einiger hoch entwickelter Miniatur­geräte ausreicht.

Bei einem dieser Geräte, auf die sich Rogers und seine Kollegen beziehen, handelt es ich um einen kombi­nierten Biosensor und Radio­transmitter, der bereits 2012 vorgestellt wurde. Er bezog seine Energie aus dem elektro­chemischen Potenzial des Innenohres und maß damit eben dieses Potenzial, bevor er die Daten per 2,4 Gigahertz-Radiosignal übertrug. Abgesehen von solchen Spezialfällen ist das thermo­elektrische Element von Rogers allerdings für die meisten Anwendungen noch zu schwach und muss, wie die Forscher selbst einräumen, noch weiter optimiert werden.

Thomas Brandstetter

JOL

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