Strukturwandel-Projekt will Laserfusion näher an die Anwendung bringen
Projekt „Röntgenlaser-Optimierung der Laserfusion“ soll das theoretische Verständnis rund um die Kompression des Wasserstoffs verbessern.
Die Fusion von Wasserstoffkernen gilt als vielversprechende Option, auf der Erde eine ergiebige und nachhaltige Energiequelle zu schaffen. Das Problem? Um den Prozess der Kernfusion in Gang zu setzen, sind extrem hohe Drücke und Temperaturen erforderlich. Technologisch könnte das mittels Laserblitzen erreicht werden. Tobias Dornheim vom Center for Advanced Systems Understanding CASUS am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf möchte mit dem Projekt „Röntgenlaser-Optimierung der Laserfusion“ das theoretische Verständnis rund um die Kompression des Wasserstoffs verbessern.
Statt der Methode „Versuch und Irrtum“ könnten Laserfusions-Experimente künftig zielgerichteter konzipiert und durchgeführt werden – eine zwingende Voraussetzung für ein kommerzielles Fusionskraftwerk. Die benötigten hohen Drücke und Temperaturen für Fusionsprozesse werden durch Kompression einer mit den Wasserstoffisotopen Deuterium und Tritium gefüllten – und zunächst sehr kalten – Kapsel erreicht. Auf dem Weg zur Fusionsreaktion befindet sich der Wasserstoff eine Zeit lang in einem besonderen Zustand: den der warmen dichten Materie. Dieser Bereich, mit Blick auf Druck und Temperatur etwa zwischen kondensierter Materie und heißem Plasma gelegen, ist Dornheims Spezialgebiet. Dornheim und sein Team entwickeln Methoden des maschinellen Lernens, die eine zuverlässige theoretische Beschreibung der warmen dichten Materie ermöglichen sollen. Das Strukturwandelprojekt widmet sich nun einer anwendungsnäheren Herausforderung.
„Ein wesentliches Problem der Laserfusion ist die stabile Kompression durch den Laserbeschuss“, erläutert Dornheim. „Die Treibstoffkapsel muss möglichst gleichmäßig, das heißt ohne Instabilitäten, nach innen implodieren, damit so viel Treibstoff wie möglich fusioniert und dementsprechend viel nutzbare Energie frei wird. Dafür müssen wir zunächst besser verstehen, wie sich warme dichte Materie verhält.“
Warme dichte Materie, die es zum Beispiel auch im Inneren von Planeten und Sternen gibt, wird experimentell an Großforschungsanlagen wie der Helmholtz International Beamline for Extreme Fields am European XFEL und der National Ignition Facility am Lawrence Livermore National Laboratory in den USA erforscht. An diesen Anlagen lässt sich warme dichte Materie dank kräftiger Laserblitze für Bruchteile von Sekunden erzeugen. Mit beiden Einrichtungen kooperiert Dornheims Team. Eine wichtige experimentelle Analysemethode der Laserfusion ist die Röntgenstreuung. Hier setzt das neue Projekt an.
Für die Diagnostik mittels Röntgenstreuung wird eine Röntgenquelle auf eine Probe gerichtet. Aus der Energieänderung der gemessenen Photonen, die in der Probe abgelenkt wurden, können Rückschlüsse auf die Eigenschaften der Materie gezogen werden. Die Auswertung der gemessenen Daten basierte bisher zum großen Teil auf einer Reihe von unkontrollierten Näherungen. Vor einem Jahr konnte das CASUS-Team aber zeigen, dass eine präzise Datenauswertung ohne Simulationen und ohne Modelle mit all ihren Näherungen und Annahmen möglich ist.
Dornheim und sein Team greifen dabei auf ein grundlegendes mathematisches Verfahren zurück: die Laplace-Transformation. Im Rahmen des neuen Projekts wollen die Forscher ein quelloffenes Softwarepaket schreiben, das zum einen diese Auswertungsmethode allen Fachleuten in der Laserfusion zugänglich machen soll. Zum anderen wollen sie die Methode selbst weiterentwickeln, um künftig nicht nur die modellfreie, hochgenaue Bestimmung der Temperatur aus der XRTS-Messung zu ermöglichen. Künftig soll auch die Bestimmung anderer relevanter Größen wie Dichte oder Ionisationsgrad der warmen dichten Materie möglich sein.
Mit der neuen Software will das Team anschließend bereits existierende XRTS-Messungen, zum Beispiel vom European XFEL, analysieren, um darauf aufbauend neue Messverfahren der Röntgenstreuung zu erarbeiten und experimentell zu testen. Steht die XRTS-Diagnostik dann auf einem soliden Fundament, sollen die aus der Röntgenstreuung abgeleiteten Erkenntnisse in Simulationen der Laserfusion einfließen. „Wir gehen davon aus, dass die aus diesen Simulationen abgeleiteten Parameter eine deutlich bessere Kompression der Kapsel ermöglichen werden und eine neue Generation von Fusionsexperimenten einleitet“, gibt Dornheim einen Ausblick.
HZDR / RK