11.07.2006

Studie zum Bologna Prozess

Der Bologna Prozess hat bisher nur wenig zur Konvergenz der europäischen Hochschulsysteme beigetragen.



Der Bologna Prozess hat bisher nur wenig zur Konvergenz der europäischen Hochschulsysteme beigetragen, dafür aber notwendige nationale Reformen unterstützt. Das ist ein zentrales Ergebnis einer internationalen Vergleichsstudie zum Bologna Prozess, die das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) und das niederländische Center for Higher Education Policy Studies (CHEPS) jetzt vorlegen.

In einer detaillierten Analyse vergleicht Johanna Witte die Anpassung von Studienstrukturen und den damit einhergehenden Wandel der Hochschulsysteme Deutschlands, der Niederlande und Frankreichs zwischen 1998 und 2004, mit England als Referenzland. Die Promotionsschrift zeigt, wie sich die nationalen Ausgangssituationen, die Zielsetzungen, Wahrnehmungen und Kompetenzen der Akteure und die hochschulpolitischen Prozesse unterscheiden und erklärt daraus Inhalt und Grad der Veränderung. Neben der Reform der Studienstrukturen selbst - in Deutschland unter dem Schlagwort „Umstellung auf Bachelor und Master“ bekannt - untersucht die Studie auch, wie sich diese auf das Verhältnis der Hochschularten, die Formen der Qualitätssicherung, die Lehr- und Lernkulturen, den Zugang zum Studium, das Verhältnis zum Arbeitsmarkt und die Finanzierung von Studiengängen auswirkt.

Denn - so eine zentrale These der Studie - die Einführung gestufter Studienstrukturen wird von den beteiligten Ländern für weit reichende Reformen ihrer Hochschulsysteme insgesamt genutzt. Internationale Trends dienen dabei als wichtige Argumente für nationale Reformen. Allerdings basieren diese vielfach auf Missverständnissen. Zum Beispiel wurde Akkreditierung als „angelsächsisches“ System eingeführt, spielt aber im englischen Hochschulsystem kaum eine Rolle. Der dreijährige Bachelor und der zweijährige Master galten schon früh als „Bologna-Modell“, obwohl sie nirgendwo festgeschrieben standen.

Wenn der Bologna Prozess zur Annäherung der Hochschullandschaften in Europa führen soll, muss der internationale Dialog auf allen Ebenen intensiviert werden. „Wir kommen nicht um die Mühe herum, zu versuchen die Hochschulsysteme unserer Nachbarländer wirklich zu verstehen“, so Johanna Witte. Konkret heißt das: Es reicht nicht, wenn immer die gleichen wenigen Personen zu den europäischen „Bologna meetings“ fahren, der internationale Austausch über Hochschulreform muss in die Breite getragen werden. Auch die für Hochschulen verantwortlichen Minister der am Bologna Prozess beteiligten Staaten sollten sich wieder enger miteinander austauschen, auch jenseits der im zweijährlichen Rhythmus stattfindenden Konferenzen. Gegenstand dieses Austausches könnte auch die Kunst guter Hochschulpolitik selbst sein, denn die Art wie Hochschulpolitik gemacht wird variiert enorm zwischen den Ländern.

Die Ergebnisse für Deutschland zeigen, dass hier die ehrgeizigsten inhaltlichen Reformen geplant sind, aber die Umsetzungspolitik im Vergleich zu den anderen Ländern zögerlicher verläuft. Zu den weit reichenden politischen Entscheidungen gehören der berufsqualifizierende Bachelor an Universitäten, der selektive Zugang zum Master und die formale Angleichung der Abschlüsse von Universitäten und Fachhochschulen. Dafür gibt es aber in Deutschland bis heute keine formale verbindliche Entscheidung für die Umstellung auf die Bachelor- und Masterstruktur auf nationaler Ebene, nur eine Willenserklärung der Kultusministerkonferenz (KMK). Obwohl so gut wie alle Bundesländer die Umstellung bis 2010 anstreben, ist das Bild weiterhin unübersichtlich. Die Einbeziehung von „Stakeholdern“ wie Hochschulen, Studierenden und Arbeitgebern in die politische Willensbildung war im internationalen Vergleich eher schwach. Die Studie zeigt, dass die inkrementelle Entscheidungsfindung auf Bundesebene und in der KMK weit reichende inhaltliche Reformen begünstigt und zugleich die Entwicklung eines bundesweiten Konsenses für die Umstellung erschwert hat.

Die im Eigenverlag der Universität Twente erschienene Promotionsschrift ist nicht nur für Hochschulforscher relevant, sondern auch für alle, die die Bologna-Reformen aktiv mitgestalten und umsetzen. Sie vermittelt wichtiges Hintergrundwissen und bietet mit der systematischen Erhebung des Reformstands die Grundlage für fundierte Empfehlungen zur weiteren Stoßrichtung der Reformen.

Quelle: CHE Centrum für Hochschulentwicklung

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