28.08.2015

Superauflösend, superschonend

Neue Mikroskopietechniken schließen Lücke bei der Erforschung von Prozessen in lebenden Zellen.

Man kann Objekte nur getrennt abbilden, wenn sie mindestens eine halbe Wellenlänge auseinander liegen. Diesen Grundsatz der Optik hat Ernst Abbe im 19. Jahrhundert formuliert. Lange Zeit hatte das Abbe-Limit Bestand, bis moderne superauflösende Mikroskopietechniken es überwinden konnten. Der Nobelpreis für Chemie 2014 ging an Eric Betzig, Stefan Hell und William Moerner für ihre Arbeiten zur superauflösenden Fluoreszenzmikroskopie. Bei diesem Verfahren schaltet man leuchtende Marker in den Zellen auf geschickte Weise an und aus. Das liefert zusätzliche Informationen, mit deren Hilfe sich sehr viel schärfere Bilder erzeugen lassen, als es mit normaler Belichtung möglich wäre. Dabei unterliegen allerdings die mögliche Zahl der Bilder und die Aufnahmegeschwindigkeit einer gewissen Grenze. Denn zu starke Belichtung stört nicht nur die biologischen Prozesse und wirkt phototoxisch. Es lassen sich auch nur begrenzt Bilder machen, bevor die fluoreszierenden Moleküle ausbleichen.

Abb.: Hochgeschwindigkeitsaufnahme von Proteinen im Zytoskelett einer Fibroblastenzelle eines Mäuseembryos bei 37 Grad Celsius. In der Vergrößerung (unten) werden Strukturen unter 100 Nanometern sichtbar. (Bild: D. Li et al. / AAAS)

Viele Prozesse in lebenden Zellen erschließen sich auch mit diesen Techniken leider kaum. Denn entweder dauern sie länger und sind komplexer, als dass man sie dauerhaft stark genug belichten könnte – oder manche Proteine sind so schnell in der Zelle unterwegs, dass einem die beste Auflösung nichts nutzt, wenn die Bewegung das Bild verschmiert. Eine Technik, die zwar schnell und wenig invasiv ist, aber keine allzu hohen Auflösungen erzielt, ist die strukturierte Illuminationsmikroskopie, kurz SIM. Bei ihr wird die Probe nicht komplett, sondern nur mit speziellen Mustern belichtet. Kameras nehmen das sich ergebende Bild unter verschiedenen Winkeln auf und über einen Computeralgorithmus lässt sich daraus dann ein super-aufgelöstes Bild ermitteln. Damit gelangt man etwa einen Faktor zwei jenseits des Abbe-Limits. Mit dem Standardmarker „green fluorescent proteine“ erreicht man mit SIM also eine Auflösung von rund hundert Nanometern.

Andere Techniken wie die STED- oder Lokalisations-Mikroskopie erreichen zwar deutlich höhere Auflösungen, bis zehnfach jenseits des Abbe-Limits. Sie sind jedoch für viele Prozesse zu langsam oder lichtintensiv, so dass im Zwischenbereich eine Lücke bleibt, die viele Biologen gerne geschlossen sähen. Betzig und Kollegen haben deshalb die SIM-Technik weiterentwickelt, und zwar auf zwei verschiedene Weisen.

Abb.: Entwicklung einzelner Mitochondrien, mit Teilungs- und Verschmelzungsprozessen, bei 23 Grad Celsius über einen Zeitraum von knapp einer halben Stunde beobachtet. (Bild: D. Li et al. / AAAS)

Erstens nutzen sie ein spezielles Linsensystem mit einer hohen numerischen Apertur. Dadurch nehmen sie zwar in Kauf, dass sich das beobachtbare Volumen der Zelle deutlich verringert: Lediglich Strukturen innerhalb der obersten 50 bis 200 Nanometer ab der Plasmamembran lassen sich scharf abbilden. Dadurch werden zugleich aber auch Artefakte von tiefer liegenden Strukturen unterdrückt. Mit dieser Technik erzielten die Forscher eine Auflösung von 84 Nanometern. Dank der geringen notwendigen Belichtungsintensität lassen sich so bis zu zweihundert Bilder von Zellprozessen machen. Diese „high numerical aperture total internal reflection fluorescence structured illumination microscopy“ erlaubt auch die Verwendung mehrerer Farben und damit das Verfolgen unterschiedlich markierter Prozesse. Sie erreicht eine Geschwindigkeit von rund einem Bild pro Sekunde und Farbkanal.

Die zweite Entwicklung der Wissenschaftler zielt auf eine noch höhere Auflösung. Sie ist aber belichtungsstärker und weniger schnell. Die Forscher nutzen hierzu nichtlineare Effekte bei der photoinduzierten Sättigung der Fluoreszenzmarker. Mit dieser „patterned activation non-linear structured illumination microscopy“ konnten die Wissenschaftler die Auflösung bis hin zu 64 Nanometern verbessern, also bis zu einem Faktor drei jenseits des Abbe-Limits. Mit dieser Technik lassen sich insgesamt rund 40 Bilder aufnehmen. Beide Techniken lassen sich auch kombinieren. Dann sinkt die Auflösung weiter auf 45 Nanometer. Es lassen sich aber nur noch rund ein Dutzend Bilder aufzeichnen.

Mit den neuen Methoden konnte das Team um Betzig eine ganze Reihe von Zellprozessen abbilden, von der Entwicklung von Mitochondrien über den Umbau des Zytoskeletts bis hin zur Dynamik von Caveolen, kleinen Einbuchtungen an der Oberfläche der Zellmembran. Am besten eignen sich diese Methoden zur Abbildung von Prozessen nahe der Zellmembran. Die Techniken könnte man deshalb etwa auch zum Studium des Eintritts von Viren in Zellmembranen nutzen oder damit die Diffusion von Proteinen sowie die Endo- und Exozytose erforschen. Vieles an den neuen Mikroskopie­techniken beruht allerdings nicht auf neuen Optiken, sondern vor allem auf neuen Methoden der Ansteuerung und Bildauswertung. Sie könnten sich daher ohne größere Schwierigkeiten in vielen Laboren implementieren lassen. In Zukunft wollen die Wissenschaftler nicht nur die Auflösung, sondern auch das Verfolgen mehrerer unterschiedlicher Moleküle verbessern, denn bei vielen wichtigen Zellprozessen sind etliche Partner beteiligt.

Dirk Eidemüller

RK

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