20.11.2019

Supereffiziente Flügel heben ab

Aeroelastische Flügel können das Fliegen umweltfreundlicher und günstiger machen.

Neue Technologien für leichtere, aber trotzdem äußerst stabile Tragflächen hat ein Forscherteam unter Beteiligung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt und der TU München entwickelt. Mithilfe der neuartigen aero­elastischen Flügel könnte das Fliegen bald umwelt­freund­licher und günstiger werden. Auf dem Flugplatz Ober­pfaffen­hofen hob am 19. November erstmals ein Test­flug­zeug mit aero­elastischen Flügeln ab.

Abb.: Auf dem Flugplatz Oberpfaffenhofen hob das Testflugzeug mit...
Abb.: Auf dem Flugplatz Oberpfaffenhofen hob das Testflugzeug mit aeroelastischen Flügeln am 19. November zum ersten Mal ab. (Bild: DLR; CC-BY 3.0)

Flügel mit größerer Spannweite und geringerem Gewicht erzeugen weniger Widerstand – und sind daher energie­effizienter. Durch den effi­zienteren Auftrieb könnte Kerosin eingespart und so die Emissionen und Kosten verringert werden. Der limitierende Faktor für den Bau solcher Flügel ist das aero­dynamische Phänomen des Flatterns. Durch den Luft­wider­stand sowie Windböen schaukeln sich die Schwingungen der Tragflächen immer weiter auf. „Das Flattern führt zur Material­ermüdung. Das kann sogar so weit gehen, dass der Flügel abreißt“, erklärt Sebastian Köberle von der TU München. Zwar beginnt jeder Flügel bei einer bestimmten Geschwindig­keit zu flattern – aber kürzere und dickere Flügel besitzen strukturell eine höhere Steifig­keit und damit Stabilität. Flügel mit mehr Spannweite genauso stabil und steif zu bauen, würde viel mehr Gewicht bedeuten. Im europä­ischen Projekt „Flutter Free Flight Envelope Expansion for Economical Performance Improvement, kurz Flexop, arbeiten Wissen­schaftler aus sechs Ländern daher an neuen Techno­logien, die das Flattern unter Kontrolle bringen und es gleich­zeitig erlauben, die Flügel leichter zu bauen.

Die Forscher der TU München sind für die Konzeption und Durch­führung der Flug­versuche verant­wortlich, die das tatsächliche Verhalten der zwei neuartigen Tragflächen zeigen, die im Projekt entwickelt wurden: Der aero­elastische Flügel und der Flatter­flügel. Dazu bauten die Wissen­schaftler zunächst den drei­ein­halb Meter langen und sieben Meter breiten Flug­demonstrator und integrierten die Systeme der europä­ischen Partner. Bei der besonders leichten Tragfläche, die nun zum ersten Mal gestartet ist, handelt es sich um den aero­elastisch optimierten Flügel, der vom DLR in Göttingen in Zusammen­arbeit mit der Uni Delft entwickelt wurde. Er besteht aus Kohle­fasern. Durch eine spezielle Aus­richtung der Fasern beim Aufbau des Flügels konnten die Forscher sein Biege- und Torsions­verhalten beeinflussen. „Wird der Flügel durch die Luftkräfte gebogen, dreht er sich gleich­zeitig und weicht den Lasten der Anströmung sozusagen aus“, sagt Wolf-Reiner Krüger vom DLR-Institut für Aeroelastik.

Mithilfe der Referenzflügel arbeiteten die Forscher im Vorfeld daran, den Flug­demonstrator auto­matisiert vorgegebene Flug­versuchs­muster fliegen zu lassen. Sie erarbeiteten die optimalen Einstellungen und entwickelten Handbücher und Checklisten für die Flugversuche. „Der Flug­demonstrator soll mit den neuartigen Flügeln so schnell fliegen, dass diese theoretisch flattern müssten“, erklärt Köberle. „Bei solch hohen Geschwindig­keiten müssen wir sicher sein, dass nichts schiefgeht.“

Das Fluggerät muss vom Boden aus zu jedem Zeitpunkt zu sehen sein, sodass die Forscher jederzeit eingreifen können. Das bedeutet, dass die Flugmanöver in einem engen Radius von einem Kilometer geflogen werden. Nachdem die komplexen Vorarbeiten abgeschlossen waren, folgte der umfängliche Versuchsflug. „Es hat alles so geklappt, wie wir es uns vorgestellt haben“, sagt Köberle. „Jetzt beginnt die Daten­aus­wertung.“

Ein weiterer im Projekt entwickelter super­effizienter Flügel ist der Flatter­flügel. Er besteht aus Glasfasern. Kommt es zum Flattern, werden die äußeren Klappen ausge­schlagen. Sie wirken dabei wie Dämpfer. „Die eingebaute, am DLR entwickelte aktive Regelung der Klappen vergrößert die Möglich­keiten für eine wesentlich leichtere Bauweise maßgeblich", sagt Gertjan Looye vom DLR-Institut für System­dynamik und Regelungs­technik, der den DLR-Anteil am Projekt leitet. Ein zweites Flug­regelungs­system wird vom Computer and Automation Research Institute der ungarischen Akademie der Wissenschaften entwickelt. Mit einem solchen Flügel könnten künftig zwanzig Prozent mehr Fracht transportiert werden oder sieben Prozent Treibstoff eingespart werden. Diese Technologie ist besonders komplex. Daher werden die Tests an diesem Flügel erst zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden. Zuvor waren beide Varianten des super­effizienten Flügels bereits bei Stand­schwingungs­versuchen getestet worden. Die Flügel sollen aber nicht nur am Flug­demonstrator abheben. In einem weiteren Schritt sollen die Ergebnisse des Projekts auf die Konfiguration von Transport- und Passagier­flugzeugen über­tragen werden.

DLR / RK

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