Supereffiziente Flügel heben ab
Aeroelastische Flügel können das Fliegen umweltfreundlicher und günstiger machen.
Neue Technologien für leichtere, aber trotzdem äußerst stabile Tragflächen hat ein Forscherteam unter Beteiligung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt und der TU München entwickelt. Mithilfe der neuartigen aeroelastischen Flügel könnte das Fliegen bald umweltfreundlicher und günstiger werden. Auf dem Flugplatz Oberpfaffenhofen hob am 19. November erstmals ein Testflugzeug mit aeroelastischen Flügeln ab.
Flügel mit größerer Spannweite und geringerem Gewicht erzeugen weniger Widerstand – und sind daher energieeffizienter. Durch den effizienteren Auftrieb könnte Kerosin eingespart und so die Emissionen und Kosten verringert werden. Der limitierende Faktor für den Bau solcher Flügel ist das aerodynamische Phänomen des Flatterns. Durch den Luftwiderstand sowie Windböen schaukeln sich die Schwingungen der Tragflächen immer weiter auf. „Das Flattern führt zur Materialermüdung. Das kann sogar so weit gehen, dass der Flügel abreißt“, erklärt Sebastian Köberle von der TU München. Zwar beginnt jeder Flügel bei einer bestimmten Geschwindigkeit zu flattern – aber kürzere und dickere Flügel besitzen strukturell eine höhere Steifigkeit und damit Stabilität. Flügel mit mehr Spannweite genauso stabil und steif zu bauen, würde viel mehr Gewicht bedeuten. Im europäischen Projekt „Flutter Free Flight Envelope Expansion for Economical Performance Improvement, kurz Flexop, arbeiten Wissenschaftler aus sechs Ländern daher an neuen Technologien, die das Flattern unter Kontrolle bringen und es gleichzeitig erlauben, die Flügel leichter zu bauen.
Die Forscher der TU München sind für die Konzeption und Durchführung der Flugversuche verantwortlich, die das tatsächliche Verhalten der zwei neuartigen Tragflächen zeigen, die im Projekt entwickelt wurden: Der aeroelastische Flügel und der Flatterflügel. Dazu bauten die Wissenschaftler zunächst den dreieinhalb Meter langen und sieben Meter breiten Flugdemonstrator und integrierten die Systeme der europäischen Partner. Bei der besonders leichten Tragfläche, die nun zum ersten Mal gestartet ist, handelt es sich um den aeroelastisch optimierten Flügel, der vom DLR in Göttingen in Zusammenarbeit mit der Uni Delft entwickelt wurde. Er besteht aus Kohlefasern. Durch eine spezielle Ausrichtung der Fasern beim Aufbau des Flügels konnten die Forscher sein Biege- und Torsionsverhalten beeinflussen. „Wird der Flügel durch die Luftkräfte gebogen, dreht er sich gleichzeitig und weicht den Lasten der Anströmung sozusagen aus“, sagt Wolf-Reiner Krüger vom DLR-Institut für Aeroelastik.
Mithilfe der Referenzflügel arbeiteten die Forscher im Vorfeld daran, den Flugdemonstrator automatisiert vorgegebene Flugversuchsmuster fliegen zu lassen. Sie erarbeiteten die optimalen Einstellungen und entwickelten Handbücher und Checklisten für die Flugversuche. „Der Flugdemonstrator soll mit den neuartigen Flügeln so schnell fliegen, dass diese theoretisch flattern müssten“, erklärt Köberle. „Bei solch hohen Geschwindigkeiten müssen wir sicher sein, dass nichts schiefgeht.“
Das Fluggerät muss vom Boden aus zu jedem Zeitpunkt zu sehen sein, sodass die Forscher jederzeit eingreifen können. Das bedeutet, dass die Flugmanöver in einem engen Radius von einem Kilometer geflogen werden. Nachdem die komplexen Vorarbeiten abgeschlossen waren, folgte der umfängliche Versuchsflug. „Es hat alles so geklappt, wie wir es uns vorgestellt haben“, sagt Köberle. „Jetzt beginnt die Datenauswertung.“
Ein weiterer im Projekt entwickelter supereffizienter Flügel ist der Flatterflügel. Er besteht aus Glasfasern. Kommt es zum Flattern, werden die äußeren Klappen ausgeschlagen. Sie wirken dabei wie Dämpfer. „Die eingebaute, am DLR entwickelte aktive Regelung der Klappen vergrößert die Möglichkeiten für eine wesentlich leichtere Bauweise maßgeblich", sagt Gertjan Looye vom DLR-Institut für Systemdynamik und Regelungstechnik, der den DLR-Anteil am Projekt leitet. Ein zweites Flugregelungssystem wird vom Computer and Automation Research Institute der ungarischen Akademie der Wissenschaften entwickelt. Mit einem solchen Flügel könnten künftig zwanzig Prozent mehr Fracht transportiert werden oder sieben Prozent Treibstoff eingespart werden. Diese Technologie ist besonders komplex. Daher werden die Tests an diesem Flügel erst zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden. Zuvor waren beide Varianten des supereffizienten Flügels bereits bei Standschwingungsversuchen getestet worden. Die Flügel sollen aber nicht nur am Flugdemonstrator abheben. In einem weiteren Schritt sollen die Ergebnisse des Projekts auf die Konfiguration von Transport- und Passagierflugzeugen übertragen werden.
DLR / RK
Weitere Infos