Superharte Phase von Bor entdeckt
Eine Forscherkollaboration mit Beteiligung der ETH Zürich hat eine Phase des Elementes Bor gefunden, die nach klassischem Lehrbuch nicht existiert: einen ionischen Kristall
Eine Forscherkollaboration mit Beteiligung der ETH Zürich hat eine Phase des Elementes Bor gefunden, die nach klassischem Lehrbuch nicht existiert: einen ionischen Kristall.
Bor reagiert von allen Elementen am empfindlichsten auf Verunreinigungen. Bereits ein Prozent fremde Atome kann die Struktur und die Eigenschaften verändern – so existiert eine Verbindung mit einem Plutonium-Atom auf hundert Bor-Atome (PuB100). Diese Empfindlichkeit macht es schwierig, das Element Bor zu studieren. Doch Theoretiker und Experimentalwissenschaftler sind einen grossen Schritt weiter gekommen: Sie haben eine neue, superharte Phase gefunden. Ein Teil ihrer Ergebnisse wurde am 28. Januar in der Wissenschaftszeitschrift Nature Online publiziert, ein anderer Teil letztes Jahr im Journal of Superhard Materials.
Abb.: Bei einem Druck zwischen 19 und 89 Gigapascal formieren sich die Bor-Atome zu negativ geladenen Ikosaedern (blau) und positiv geladenen Hanteln (orange). (Bild: zVg)
Die Synthese des neuen Materials ist zweien Forschern unabhängig gelungen. Jiuhua Chen, Professor der Materialwissenschaften an der Florida International University, und Vladimir Solozhenko, Doktor der physikalischen Chemie am Centre national de la recherche scientifique (CNRS) in Frankreich, gingen dazu von äusserst reinem Bor aus: Der Stoff enthielt maximal ein fremdes Atom auf eine Million Bor-Atome. Das Material wurde einem Druck, wie er mehrere hundert Kilometer im Erdinnern herrscht, und Temperaturen von über 1500 Grad Celsius ausgesetzt.
Bei weniger als 19 Gigapascal bilden die Atome eine Kristallstruktur, in welcher jeweils zwölf Atome zu einem Ikosaeder angeordnet sind. Ein höherer Druck zwingt die Atome jedoch dazu, eine dichtere Anordnung einzunehmen. Welche Struktur dies ist, liess sich experimentell nicht klären. Der Kristallograph Artem Oganov hat jedoch am Departement Materialwissenschaft an der ETH Zürich eine Methode entwickelt, die Strukturen chemischer Elemente am Computer zu finden. Seine Berechnungen zeigten: Bei einem Druck zwischen 19 und 89 Gigapascal bilden die Bor-Atome zwei Arten von Nanoclustern, einerseits Ikosaeder aus zwölf Atomen, andererseits Hanteln aus zwei Atomen. Die Nanocluster sind im Kristall angeordnet wie beispielsweise die Natrium- und Chloratome im Kochsalz.
Weitere Experimente zeigten, dass es sich bei der neuen Struktur um einen superharten Kristall handelt. Zudem entdeckten Theoretiker eine aussergewöhnliche Eigenschaft des Materials: Das Element im Kristall ist ionisiert, die Ladungen sind also ungleich zwischen den Atomen verteilt. Nach klassischem Lehrbuch kann eine Ionisierung nur zwischen zwei unterschiedlichen Elementen vorkommen, etwa zwischen Natrium und Chlorid im Kochsalz. In der neu entdeckten Struktur findet die Ionisierung jedoch zwischen den zwei Arten von Nanoclustern desselben Elements statt.
Oganov und seine Kollegen berechneten weiter, dass auch andere Elemente ionische Zustände einnehmen könnten, etwa gewisse Kohlenstoffstrukturen. Oganov, der nun Professor an der Stony Brook University in den USA ist, erwartet, dass früher oder später Anwendungen auf Basis ionischer Elemente entwickelt werden. Denn die Eigenschaften eines Elements ändern sich, wenn es ionisch wird, es kann zum Beispiel infrarot-absorbierend werden. So wäre ein Material denkbar, das teilweise absorbierend ist und teilweise nicht, oder das ab einer bestimmten Temperatur absorbierend ist. Zudem könnten sich interessante Effekte im Zusammenhang mit Supraleitung ergeben.
ETH Zürich
Weitere Infos:
- Oganov AR, Chen J, Gatti C, Ma YM, Ma YZ, Glass CW, Liu Z, Yu T, Kurakevych OO & Solozhenko VL: Ionic high-pressure form of elemental boron. Nature advance online publication 28 January 2009
http://dx.doi.org/10.1038/nature07736 - Solozhenko VL, Kurakevych OO & Oganov AR: On the hardness of a new boron phase, orthorhombic γ-B28. J. Superhard Mater. 30, 428-429 (2008)
AL