Superkondensator im Nanoformat
Biokompatibler Energiespeicher für den Sensorik-Einsatz in Blutbahnen.
Die Miniaturisierung von mikroelektronischer Sensorik, mikroelektronischen Robotern oder intravaskulären Implantaten schreitet schnell voran. Eine Herausforderung ist die Entwicklung winziger, aber effizienter Energiespeicher, die den Betrieb autonom arbeitender Mikrosysteme ermöglichen. Darüber hinaus müssen diese Energiespeicher biokompatibel sein, um im Körper eingesetzt werden zu können. Nun gibt es einen ersten Prototyp, der diese wesentlichen Eigenschaften vereint. Der Durchbruch gelang einem internationalen Forschungsteam unter Leitung von Oliver G. Schmidt an der Technischen Universität Chemnitz. Die Forschenden entwickelten den bisher kleinsten Biosuperkondensator, der bereits in künstlichen Blutbahnen funktioniert und als Energiequelle für ein winziges Sensorsystem zur Messung des pH-Wertes verwendet werden kann.
„Es ist äußerst ermutigend zu sehen, wie eine neue, extrem flexible und adaptive Mikroelektronik in die miniaturisierte Welt der biologischen Systeme vordringt“, sagt Schmidt. In der Regel benutzen diese Superkondensatoren keine biokompatiblen Materialien, sondern zum Beispiel korrosive Elektrolyten und entladen sich bei Defekten und Verunreinigungen schnell von selbst. Beide Aspekte machen sie für biomedizinische Anwendungen im Körper ungeeignet. Die neuen Biosuperkondensatoren sind vollständig biokompatibel und können in Körperflüssigkeiten wie Blut eingesetzt und für weitere medizinische Studien genutzt werden. Zudem können sie das Selbstentladungsverhalten durch bioelektrochemische Reaktionen kompensieren. Dabei profitieren sie von körpereigenen Reaktionen. Denn zusätzlich zu typischen Ladungsspeicherreaktionen eines Superkondensators steigern Redox-Enzyme und lebende Zellen, die natürlicherweise im Blut vorhanden sind, die Leistung des Bauteils um vierzig Prozent.
Die derzeit kleinsten derartigen Energiespeicher sind größer als drei Kubikmillimeter. Dem Team um Oliver Schmidt ist es nun gelungen, einen 3.000 Mal kleineren röhrenförmigen Biosuperkondensator herzustellen, der mit einem Volumen von einem Nanoliter weniger Raum als ein Staubkorn einnimmt und dennoch bis zu 1,6 Volt Spannung liefert. Die flexible röhrenförmige Geometrie des Nano-Biosuperkondensators bietet effizienten Selbstschutz gegen Deformationen, die durch pulsierendes Blut oder Muskelkontraktion entstehen. Bei voller Kapazität kann der vorgestellte Stromspeicher ein komplexes vollintegriertes Sensorsystem zur Messung des pH-Wertes im Blut betreiben.
Die Forscher nutzten zur Fertigung eine Origami-Technologie, bei der die benötigten Materialien für die Bauelemente auf einer Waferoberfläche unter hohe mechanische Verspannung gesetzt werden. Werden die Materialschichten anschließend kontrolliert von der Oberfläche abgelöst, wird die Verspannungsenergie freigesetzt und die Schichten wickeln sich von selbst mit hoher Genauigkeit und Ausbeute zu kompakten 3D-Bauteilen auf. Die so hergestellten Nano-Biosuperkondensatoren wurden in drei Elektrolyten, getestet: Kochsalzlösung, Blutplasma und Blut. In allen drei Elektrolyten war die Energiespeicherung ausreichend, wenn auch mit unterschiedlicher Effizienz. Im Blut zeigte der Superkondensator eine exzellente Lebensdauer und hielt bis zu siebzig Prozent der anfänglichen Kapazität auch noch nach 16 Stunden bereit. Um die schnelle Selbstentladung zu unterdrücken, wurde ein Protonenaustauschseparator eingesetzt.
Das Team untersuchte danach die Leistungsfähigkeit der Stromspeicher in mikrofluidischen Kanälen, um Blutadern verschiedener Größe nachzuahmen. In diesen Kanälen simulierten und testeten die Forschenden das Verhalten ihrer Energiespeicher unter verschiedenen Fließ- und Druckbedingungen. Sie stellten fest, dass die Superkondensatoren ihre Leistung unter physiologisch relevanten Bedingungen gut und stabil bereitstellen können, um einen pH-Sensor zu versorgen. Dazu integrierte das Team in einem fünfstufigen Ringoszillator einen pH-sensitiven Superkondensator. So kam es zu einer Änderung der Ausgangsfrequenz in Abhängigkeit vom pH-Wert des Elektrolyten. Dieser pH-sensitive Ringoszillator wurde in eine röhrenförmige 3D-Geometrie gebracht, sodass ein vollintegriertes und ultra-kompaktes System aus Energiespeicher und Sensor geschaffen werden konnte. Der hohle Innenkern dieses winzigen Sensorsystems dient als Kanal für das Blutplasma.
TU Chemnitz / JOL