21.03.2023

Supermassereich, doch nicht allzu schwer

Erstmals Masse des schwarzen Lochs im Zentrum der Galaxie OJ 287 bestimmt.

Blazare sind Galaxien mit starken, langlebigen Jets aus relativistischen Teilchen, die in unmittelbarer Nähe ihres zentralen super­massereichen schwarzen Lochs ausgestoßen werden. Wenn zwei Galaxien kollidieren und miteinander verschmelzen, entstehen super­massereiche binäre schwarze Löcher. Solche Binärsysteme sind von großem Interesse, da sie eine Schlüsselrolle bei der Entwicklung von Galaxien und dem Wachstum von schwarzen Löchern spielen. Außerdem sind miteinander verschmelzende Binärsysteme die stärksten Quellen von Gravitations­wellen im Universum. Die künftige Satelliten­mission LISA (Laser Interferometer Space Antenna) der Europäischen Raum­fahrt­agentur (ESA) zielt auf den direkten Nachweis solcher Wellen ab. Die Suche nach Systemen binärer schwarzer Löcher ist derzeit in vollem Gange.

 

Abb.: Swift-UV-Bild von OJ 287 (li.) und seiner Umgebung als Kombination aus...
Abb.: Swift-UV-Bild von OJ 287 (li.) und seiner Umgebung als Kombination aus 560 Einzel­belichtungen. Künstlerische Darstellung des Zentrums von OJ 287 (re.), mit Akkretions­scheibe und zwei schwarzen Löchern. (Bild: S. Komossa et al. / NASA / JPL-Caltech)

OJ 287 ist ein heller Blazar in Richtung des Sternbilds Krebs in einer Entfernung von zirka fünf Milliarden Lichtjahren. Er ist einer der besten Kandidaten für ein kompaktes binäres super­massereiches schwarzes Loch. Das Markenzeichen von OJ 287 sind außergewöhnliche Strahlungs­ausbrüche, die sich alle elf bis zwölf Jahre wiederholen. Einige dieser Ausbrüche sind so intensiv, dass OJ 287 vorübergehend zum hellsten Blazar am Himmel wird. Die sich wiederholenden Ausbrüche sind so bemerkenswert, dass in der Literatur eine Reihe verschiedener Binär­modelle zur Erklärung dieser Ausbrüche vorgeschlagen wurden. Da ein zweites schwarzes Loch im System das massereichere schwarze Loch umkreist, stört es entweder den Jet oder die Akkretions­scheibe des massereicheren schwarzen Lochs und ruft auf diese Weise eine periodische Modulation der Helligkeit von OJ 287 hervor.

Bislang gab es jedoch keine direkte, unabhängige Bestimmung der Masse des primären schwarzen Lochs, und keines der Modelle konnte in systematischen Beobachtungs­kampagnen kritisch geprüft werden, da diese Kampagnen über keine breitbandige Abdeckung der Strahlung in vielen verschiedenen Frequenzen verfügten. Zum ersten Mal wurden nun zahlreiche Sätze von gleichzeitigen Röntgen-, UV- und Radiobeobachtungen sowie optischer und Gamma­strahlen­bänder genutzt. Ermöglicht wurden die neuen Erkenntnisse durch das MOMO-Projekt (Multiwavelength Observations and Modelling of OJ 287), das eine der dichtesten und am längsten andauernden Mehrfrequenz-Beobachtungs­kampagnen aller Blazare, die auch Röntgenstrahlung einbeziehen, darstellt, außerdem die dichteste jemals für OJ 287 durchgeführte Beobachtungs­kampagne.

„OJ 287 ist ein exzellentes Labor, um die physikalischen Bedingungen zu untersuchen, die in einer der extremsten astro­physikalischen Umgebungen herrschen: Scheiben und Jets von Materie in unmittelbarer Nähe von einem oder zwei super­massereichen schwarzen Löchern“, sagt Stefanie Komossa vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR), die Erstautorin der beiden hier vorgestellten Studien. „Deswegen haben wir das Projekt MOMO initiiert. Es bedient sich dicht getakteter Beobachtungen von OJ 287 bei mehr als 14 Frequenzen vom Radio- bis zum Hoch­energie­bereich, die sich über Jahre erstrecken, sowie spezieller Nachbeobachtungen von mehreren boden- und weltraum­gestützten Observatorien aus, wenn der Blazar in außergewöhnlichen Zuständen gefunden wird.“

„Tausende von Datensätzen wurden bereits aufgenommen und ausgewertet. Das macht OJ 287 zu einem der am besten überwachten Blazare im UV-Röntgen-Radio-Bereich“, fügt Ko-Autor Alex Kraus vom MPIfR hinzu. „Das Radioteleskop Effelsberg und die Weltraummission Swift spielen eine zentrale Rolle in dem Projekt.“

Das Radioteleskop Effelsberg liefert Informationen über ein breites Spektrum von Radio­frequenzen, während das Neil-Gehrels-Swift-Observatorium genutzt wird, um gleichzeitig UV-, optische und Röntgendaten zu erhalten. Hoch­energetische Gamma­strahlen­daten vom Fermi-Observatorium sowie Radiodaten vom Submillimeter Array (SMA) auf dem Mauna Kea, Hawaii, wurden ebenfalls benutzt.

In der Regel dominiert der Jet die elektro­magnetische Strahlung von OJ 287. Der Jet ist so hell, dass er die Strahlung der Akkretions­scheibe überstrahlt, so dass es schwierig bis unmöglich ist, die Emission der Akkretions­scheibe zu beobachten. Aufgrund der großen Anzahl von MOMO-Beobachtungen, die das Licht von OJ 287 in einem dichten Rhythmus abdeckten (fast jeden zweiten Tag eine neue Beobachtung mit Swift), wurden jedoch „Deep Fades“ entdeckt. Dabei handelt es sich um Zeiten, in denen die Jet-Emission stark abklingt. Dadurch wird es möglich, die Emission aus der Akkretions­scheibe einzugrenzen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Materiescheibe, die das schwarze Loch umgibt, mindestens um einen Faktor zehn schwächer ist als bisher angenommen, mit einer geschätzten Leuchtkraft von nicht mehr als etwa dem Fünf-Billionenfachen der Leuchtkraft unserer Sonne.

Zum ersten Mal wurde die Masse des primären schwarzen Lochs von OJ 287 aus der Bewegung der an das schwarze Loch gebundenen gasförmigen Materie abgeleitet. Die Masse beträgt das Hundert­millionen­fache der Masse unserer Sonne. „Dieses Ergebnis ist sehr wichtig, denn die Masse ist ein Schlüssel­parameter in den Modellen, die die Entwicklung eines solchen Binärsystems untersuchen: Wie weit sind die schwarzen Löcher voneinander entfernt, wie schnell werden sie verschmelzen, wie stark ist ihr Gravitations­wellen­signal“, kommentiert Dirk Grupe von der Northern Kentucky University (USA), ein Mitautor beider Studien.

„Die neuen Ergebnisse deuten darauf hin, dass eine außergewöhnlich große Masse für das schwarze Loch von OJ 287, die zehn Milliarden Sonnen­massen übersteigt, nicht mehr erforderlich ist, ebenso wenig wie eine besonders leuchtkräftige Materie­scheibe um das schwarzen Loch“, fügt Thomas Krichbaum vom MPIfR hinzu, ein Mitautor des ApJ-Artikels. Die Ergebnisse sprechen eher für ein Binär-Modell mit geringerer Masse.

Die Studie löst auch zwei seit langem diskutierte Rätsel: das scheinbare Fehlen des letzten der hellen Ausbrüche, für die OJ 287 berühmt ist, und den Emissions­mechanismus hinter den Ausbrüchen. Die MOMO-Beobachtungen ermöglichen es, den Zeitpunkt des letzten Ausbruchs genau festzulegen. Er ereignete sich nicht im Oktober 2022, wie es das Modell mit riesiger Schwarz-Loch-Masse vorhergesagt hatte, sondern in den Jahren 2016 und 2017, die von MOMO umfassend erfasst wurden. Darüber hinaus zeigen Radio­beobachtungen mit dem 100-Meter-Teleskop in Effelsberg, dass diese Ausbrüche nicht-thermischer Natur sind. Das bedeutet, dass Jet-Prozesse die Energiequelle der Ausbrüche sind.

Die MOMO-Ergebnisse haben Auswirkungen auf gegenwärtige und künftige Such­strategien nach weiteren Binär­systemen dieser Art mit Hilfe großer Observatorien wie dem Event-Horizon-Teleskop und in Zukunft dem SKA-Observatorium. Sie könnten in Zukunft den direkten Radionachweis und die räumliche Auflösung der beiden schwarzen Löcher in OJ 287 und ähnlichen Systemen sowie den Nachweis von Gravitations­wellen von diesen Systemen ermöglichen. OJ 287 wird aufgrund der abgeleiteten Masse des primären schwarzen Lochs von 100 Millionen Sonnenmassen nicht mehr als Zielquelle für Pulsar-Timing-Arrays dienen, wird aber (während des Verschmelzens) in der Reichweite zukünftiger weltraum­gestützter Observatorien liegen.

„Unsere Ergebnisse sind von großer Bedeutung für die theoretische Modellierung von binären super­massereichen schwarzen Löchern und ihrer Entwicklung, für das Verständnis der Physik der Akkretion und des Materie­auswurfs in der Nähe von super­massereichen schwarzen Löchern und für die elektro­magnetische Identifizierung von Binärsystemen im Allgemeinen“, schließt Stefanie Komossa.

MPIfR / DE

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