Superpiezoeffekt durch Unordnung
Ferroelektrische Keramik zeigt nach Samarium-Dotierung riesigen Piezo-Koeffizienten.
Forscher um Fei Li von der Pennsylvania State University haben ein Verfahren entwickelt, mit dem sie polykristallinen keramischen Ferroelektrika ungewöhnlich stark ausgeprägte piezoelektrische Eigenschaften verleihen können. Der Trick besteht darin, durch Dotierung mit Samariumatomen Unordnung in die tetragonalen ferroelektrischen Domänen zu bringen.
Abb.: Die Keramik besteht aus tetragonalen ferroelektrischen Domänen (gelb), in die polare Nanoregionen (türkis) eingeschlossen sind. Durch Veränderung der Oberflächenenergie der Regionen, kann der freien Energie des Materials ein „flaches“ Energieminimum gegeben werden, was zu einem riesigen Piezo-
Ferroelektrische Materialien wie das Perowskit Blei-
Die polykristallinen piezoelektrischen Keramiken wie PZT haben vielfältige Anwendungen etwa für Sensoren, Signalwandler oder Stellglieder. So findet man sie in elektrischen Zahnbürsten, in Ultraschallgeräten oder in Rasterkraftmikroskopen. Trotz ihrer weiten Verbreitung sind ihre piezoelektrischen Eigenschaften jedoch längst nicht optimal, wie ein Vergleich mit den ihnen überlegenen domänenveränderten ferroelektrischen Einkristallen zeigt, die allerdings auch wesentlich teurer sind.
Durch gezielte Veränderung der Zusammensetzung und Kristallstruktur der polykristallinen ferroelektrischen Keramiken versucht man seit Längerem, deren piezoelektrische Eigenschaften zu verbessern. Insbesondere will man einen deutlich größeren piezoelektrischen Koeffizienten d33 erzielen, der die Verzerrung der tetragonalen Kristallstruktur in ihrer Längsrichtung misst, wenn ein dazu paralleles elektrisches Feld angelegt wird. Kommerzielle PZT-
Abb.: Die Mikrostruktur der Keramik unter dem Elektronenmikroskop, wobei die tetragonale Kristallstruktur und eine polare Nanoregion sichtbar sind. Die Pfeile geben die Polarisationsrichtungen an. (Bild: F. Li et al.)
Hier kommen nun Fei Li und seine Kollegen ins Spiel. Sie gehen von der bekannten Beobachtung aus, dass ein ferroelektrisches Material im Zustand minimaler freier Energie besonders stark piezoelektrisch reagiert, wenn die Variation seiner elektrischen Polarisation praktisch keine zusätzliche Energie kostet. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn sich ein Ferroelektrikum, dessen chemische Zusammensetzung man schrittweise modifiziert, einer morphotropischen Phasengrenze nähert, an der sich seine Kristallstruktur ändert.
Doch die Möglichkeit, den piezoelektrischen Koeffizienten mit Hilfe morphotropischer Phasengrenzen zu erhöhen, scheinen inzwischen ausgeschöpft zu sein. Statt dessen haben die Forscher um Fei Li die ferroelektrische Keramik Pb(Mg1/3Nb2/3)O3-PbTiO3 (PMN-
Auf diese Weise gelang es den Forschern, die polarisationsabhängige freie Energie des Materials am Energieminimum extrem „flach“ zu machen, sodass dort die Energie kaum von der Polarisation abhing. Das wiederum hatte sehr große Werte für den piezoelektrischen Koeffizienten zur Folge. Der Rekordwert lag bei 1510 pC/N und wurde von der Keramik 2,5Sm-PMN–29PT erreicht, die zu 2,5 Molprozent Sm-
Die Forscher sind zuversichtlich, dass man mit ihrem Verfahren auch bei anderen ferroelektrischen Keramiken die piezoelektrischen Eigenschaften deutlich verbessern kann. Damit ließen sich zum Beispiel kleinere und leistungsfähigere Piezoelemente realisieren. Durch gezieltes Hinzufügen von atomarer Unordnung könnte man auch die funktionellen Eigenschaften multiferroischer Materialien maßschneidern wie etwa ferromagnetischer, ferroelastischer oder ferroischer Komposite.
Rainer Scharf
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