05.11.2015

Superradianz mit Plasmonen

Halbleiter-Nanostruktur zeigt Dicke-Effekt im Infraroten – bei Raumtemperatur.

Bereits vor etwa sechzig Jahren stellte der US-amerikanische Physiker Robert Henry Dicke einen besonderen Effekt vor: Wenn in einem System identischer Quanten­­oszillatoren nur ein einziger angeregt wird, kann sich diese Anregung auch auf die anderen übertragen. Das ganze System gerät dann in eine Super­­­position aus Zuständen, bei denen jeder einzelne Oszillator angeregt sein kann. Damit gelangen alle Oszillatoren in Phase. Das Interessante bei diesem Effekt: Er kann auch dann auftauchen, wenn die einzelnen Oszillatoren gar nicht miteinander in Wechselwirkung treten. Das liegt daran, dass es aufgrund der quanten­­­typischen Ununterscheid­­­barkeit nicht klar bestimmt ist, welcher der Oszillatoren mit dem anregenden Quant in Kontakt gekommen ist.

Abb.: Plasmonen in einer Halbleiter-Nanostruktur werden durch elektrischen Strom angeregt und senden kollektiv Photonen aus. (Bild: T. Laurent et al.)

Dieser Dicke-Effekt unterliegt allerdings mehreren Bedingungen. Einerseits darf die Struktur der absorbierenden Oszillatoren nicht zu groß sein. Ihre räumliche Ausdehnung sollte nicht größer als die Wellenlänge des anregenden Lichtfelds sein, sonst erfahren sie nicht die gleiche Anregung. Außerdem dürfen die Wechsel­­­wirkungen zwischen den Oszillatoren nicht zu groß sein. Bei Stößen zwischen Atomen etwa kann die Kohärenz der Zustände schnell verloren gehen. Sind diese Bedingungen erfüllt, kann Super­­­radianz eintreten. Hierbei nimmt aufgrund der vielfach erhöhten Zahl der Anregungs­­zustände die Wechsel­­wirkung der Oszillatoren mit dem Lichtfeld zu, was zu einer kollektiven Verstärkung führt.

Bislang hat man Superradianz unter anderem in atomaren Gasen oder an Quanten­­punkten demonstriert. Mit Hilfe der Super­­­radianz lassen sich auch Laser realisieren, die keine Spiegel benötigen, um eine kohärente Emission zu erzeugen. Der Nachteil bei atomaren Gasen ist aber, dass der Abstand zwischen den Atomen im Vergleich zu Festkörpern relativ groß ist und der Kohärenz­­­effekt folglich entsprechend klein. Ein Team französischer Wissen­­­schaftler um Carlo Sirtori von der Université Paris Diderot hat nun eine Art Infrarot-LED realisiert, die ungewöhnlich starke Super­­­radianz zeigt – und das auch bei Raum­­­temperatur.

Die Forscher wählten hierzu eine Halbleiter-Nanostruktur, in die Quanten­­­töpfe eingebettet waren. Die Strukturen bestanden aus einer stark dotierten Schicht aus Indium­­gallium­­­arsenid, die sandwich­­­artig zwischen zwei Lagen aus Aluminium­­­indium­­arsenid lag. Das Team arbeitete mit drei verschiedenen Strukturen unterschied­­­licher Dicke und Dotierung. Die Dicken der Quanten­­­töpfe lagen zwischen 18,5 und 100 Nanometern. Die Dotierung variierte von 1,5 × 1013 bis 8 × 1013 Elektronen pro Quadrat­­­zentimeter. Dank dieser starken Dotierung lagen viele Zustände auf engem Raum vor, was Super­­­radianz stark begünstigt.

Auf den ersten Blick sind die Plasmonen in diesen Strukturen eigentlich keine guten Kandidaten für Super­­radianz: Aufgrund ihrer etwas unter­­schiedlichen Resonanz­­frequenzen könnte man vermuten, dass Super­­radianz unterdrückt ist. Dies wird jedoch durch die hohe Linien­­breite der kurz­­lebigen Plasmonen verhindert. Sie verschmiert die Unterschiede in der Resonanz und sorgt so für mögliche Kohärenz.

Durch die Nano­­strukturen ließen die Forscher dann Strom fließen, der Elektron-Loch-Paare in den Quanten­­töpfen anregte. Dann bestimmten die Wissen­­schaftler sowohl die Emissions- als auch die Absorptions­­spektren. Beide zeigten gute Überein­­stimmung, was darauf hinweist, dass in beiden Fällen dieselbe Anregung vorlag. Bei einer Dotierung von 2,2 × 1013 Elektronen pro Quadrat­­zentimeter und einem 18,5 Nanometer breiten Quanten­­topf entsprach die Resonanz einer Energie von 161 Milli­­elektronen­­volt. Obwohl der Halbleiter aufgrund der starken Dotierung keine besonders geordnete Struktur besaß, war die Resonanz­­linie vergleichs­­weise schmal: Die Halbwerts­­breite betrug nur neun Prozent. Die Linien­­breite nahm zudem unter höheren Winkeln zu.

Die Forscher beschrieben ihr Experiment auch mit einem theoretischen Modell. Es deckt sich sehr gut mit den Mess­­ergebnissen und deutet darauf hin, dass sich die starke Super­­radianz den Dipol-Dipol-Coulomb-Wechsel­­wirkungen zwischen den elektronischen Anregungen verdankt.

Aufgrund der überraschend starken Superradianz sind die Lebens­­dauern der Anregungs­­zustände sehr kurz: Die Forscher konnten Werte von unter 100 Femto­­sekunden messen. Je nach Dotierungs­­stärke könnte man – vor allem bei höheren Winkeln – wenige Femto­­sekunden erreichen. Mit solchen Nano­­strukturen könnte man also nicht nur effiziente Licht­­quellen für mittlere Infrarot­­strahlung realisieren, sondern auch ultra­­schnelle Signal­­geber. Da sich die Strukturen und damit die Resonanz­­frequenz gut anpassen lassen, könnte die Super­­radianz neue Möglich­­keiten eröffnen, Infrarot-LEDs für spektros­­kopische Anwendungen etwa in der Biophysik herzustellen.

Dirk Eidemüller

RK

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