Superradianz mit Plasmonen
Halbleiter-Nanostruktur zeigt Dicke-Effekt im Infraroten – bei Raumtemperatur.
Bereits vor etwa sechzig Jahren stellte der US-amerikanische Physiker Robert Henry Dicke einen besonderen Effekt vor: Wenn in einem System identischer Quantenoszillatoren nur ein einziger angeregt wird, kann sich diese Anregung auch auf die anderen übertragen. Das ganze System gerät dann in eine Superposition aus Zuständen, bei denen jeder einzelne Oszillator angeregt sein kann. Damit gelangen alle Oszillatoren in Phase. Das Interessante bei diesem Effekt: Er kann auch dann auftauchen, wenn die einzelnen Oszillatoren gar nicht miteinander in Wechselwirkung treten. Das liegt daran, dass es aufgrund der quantentypischen Ununterscheidbarkeit nicht klar bestimmt ist, welcher der Oszillatoren mit dem anregenden Quant in Kontakt gekommen ist.
Abb.: Plasmonen in einer Halbleiter-Nanostruktur werden durch elektrischen Strom angeregt und senden kollektiv Photonen aus. (Bild: T. Laurent et al.)
Dieser Dicke-Effekt unterliegt allerdings mehreren Bedingungen. Einerseits darf die Struktur der absorbierenden Oszillatoren nicht zu groß sein. Ihre räumliche Ausdehnung sollte nicht größer als die Wellenlänge des anregenden Lichtfelds sein, sonst erfahren sie nicht die gleiche Anregung. Außerdem dürfen die Wechselwirkungen zwischen den Oszillatoren nicht zu groß sein. Bei Stößen zwischen Atomen etwa kann die Kohärenz der Zustände schnell verloren gehen. Sind diese Bedingungen erfüllt, kann Superradianz eintreten. Hierbei nimmt aufgrund der vielfach erhöhten Zahl der Anregungszustände die Wechselwirkung der Oszillatoren mit dem Lichtfeld zu, was zu einer kollektiven Verstärkung führt.
Bislang hat man Superradianz unter anderem in atomaren Gasen oder an Quantenpunkten demonstriert. Mit Hilfe der Superradianz lassen sich auch Laser realisieren, die keine Spiegel benötigen, um eine kohärente Emission zu erzeugen. Der Nachteil bei atomaren Gasen ist aber, dass der Abstand zwischen den Atomen im Vergleich zu Festkörpern relativ groß ist und der Kohärenzeffekt folglich entsprechend klein. Ein Team französischer Wissenschaftler um Carlo Sirtori von der Université Paris Diderot hat nun eine Art Infrarot-LED realisiert, die ungewöhnlich starke Superradianz zeigt – und das auch bei Raumtemperatur.
Die Forscher wählten hierzu eine Halbleiter-Nanostruktur, in die Quantentöpfe eingebettet waren. Die Strukturen bestanden aus einer stark dotierten Schicht aus Indiumgalliumarsenid, die sandwichartig zwischen zwei Lagen aus Aluminiumindiumarsenid lag. Das Team arbeitete mit drei verschiedenen Strukturen unterschiedlicher Dicke und Dotierung. Die Dicken der Quantentöpfe lagen zwischen 18,5 und 100 Nanometern. Die Dotierung variierte von 1,5 × 1013 bis 8 × 1013 Elektronen pro Quadratzentimeter. Dank dieser starken Dotierung lagen viele Zustände auf engem Raum vor, was Superradianz stark begünstigt.
Auf den ersten Blick sind die Plasmonen in diesen Strukturen eigentlich keine guten Kandidaten für Superradianz: Aufgrund ihrer etwas unterschiedlichen Resonanzfrequenzen könnte man vermuten, dass Superradianz unterdrückt ist. Dies wird jedoch durch die hohe Linienbreite der kurzlebigen Plasmonen verhindert. Sie verschmiert die Unterschiede in der Resonanz und sorgt so für mögliche Kohärenz.
Durch die Nanostrukturen ließen die Forscher dann Strom fließen, der Elektron-Loch-Paare in den Quantentöpfen anregte. Dann bestimmten die Wissenschaftler sowohl die Emissions- als auch die Absorptionsspektren. Beide zeigten gute Übereinstimmung, was darauf hinweist, dass in beiden Fällen dieselbe Anregung vorlag. Bei einer Dotierung von 2,2 × 1013 Elektronen pro Quadratzentimeter und einem 18,5 Nanometer breiten Quantentopf entsprach die Resonanz einer Energie von 161 Millielektronenvolt. Obwohl der Halbleiter aufgrund der starken Dotierung keine besonders geordnete Struktur besaß, war die Resonanzlinie vergleichsweise schmal: Die Halbwertsbreite betrug nur neun Prozent. Die Linienbreite nahm zudem unter höheren Winkeln zu.
Die Forscher beschrieben ihr Experiment auch mit einem theoretischen Modell. Es deckt sich sehr gut mit den Messergebnissen und deutet darauf hin, dass sich die starke Superradianz den Dipol-Dipol-Coulomb-Wechselwirkungen zwischen den elektronischen Anregungen verdankt.
Aufgrund der überraschend starken Superradianz sind die Lebensdauern der Anregungszustände sehr kurz: Die Forscher konnten Werte von unter 100 Femtosekunden messen. Je nach Dotierungsstärke könnte man – vor allem bei höheren Winkeln – wenige Femtosekunden erreichen. Mit solchen Nanostrukturen könnte man also nicht nur effiziente Lichtquellen für mittlere Infrarotstrahlung realisieren, sondern auch ultraschnelle Signalgeber. Da sich die Strukturen und damit die Resonanzfrequenz gut anpassen lassen, könnte die Superradianz neue Möglichkeiten eröffnen, Infrarot-LEDs für spektroskopische Anwendungen etwa in der Biophysik herzustellen.
Dirk Eidemüller
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