28.09.2009

Supraflüssigkeit im Halbleiterchip

Polaritonen bilden ein suprafluides Bose-Einstein-Kondensat.

Polaritonen bilden ein suprafluides Bose-Einstein-Kondensat.

Supraflüssigkeiten wie Helium-4 unterhalb von 2 Kelvin fließen völlig reibungsfrei. Dieses Verhalten tritt auf, wenn die Teilchen einer Flüssigkeit oder eines Gases ein Bose-Einstein-Kondensat bilden. Dabei stimmen sie ihre Bewegungen quantenmechanisch so ab, dass einzelne Teilchen von molekularen Störungen nicht aus der Bahn geworfen werden. In den letzten Jahren hat man intensiv die Kondensation und Suprafluidität von ultrakalten Gasen aus bosonischen Atomen untersucht. Doch auch bosonische Anregungen in Festkörpern können Bose-Einstein-Kondensate bilden und sollten demnach suprafluides Verhalten zeigen. Jetzt haben Forscher in Frankreich eine Supraflüssigkeit aus Polaritonen in einem Halbleiter hergestellt.

Alberto Amo vom Laboratoire Kastler Brossel in Paris und seine Kollegen haben mit Laserlicht in einer Halbleiterschicht Exzitonen angeregt. Diese gebundenen Elektron-Loch-Paare koppelten an das elektromagnetische Feld des Lasers und bildeten Polaritonen. Die Kopplung war besonders intensiv, weil die Halbleiterschicht in einem optischen Hohlraum einschlossen war. Als bosonische Quasiteilchen konnten die Polaritonen ein Bose-Einstein-Kondensat bilden, wie schon frühere Experimente gezeigt hatten. Da die Polaritonen eine sehr kleine effektive Masse hatten und in großer Dichte erzeugt werden konnten, kam es schon bei Temperaturen von einigen Kelvin zur Kondensation und nicht erst im Bereich von Nanokelvin wie im Fall der atomaren Gase.

Abb.: Eine Störstelle verursacht Wellen in der (nach unten) strömenden Polaritonenflüssigkeit (I und II). Sobald die Flüssigkeit zum suprafluiden Bose-Einstein-Kondensat geworden ist, verschwinden die Wellen (III). (Bild: Alberto Amo et al., Nature Physics)

Zwar hatten die Polaritonen nur eine Lebensdauer von einigen Picosekunden. Da sie aber vom Laser kontinuierlich erzeugt wurden, ließ sich ihre Dichte konstant halten. Durch Erhöhung der Laserintensität konnten die Forscher die kritische Dichte erreichen, bei der es zur Bose-Einstein-Kondensation kam. Wurde das Laserlicht nicht senkrecht sondern leicht geneigt auf die Halbleiterschicht gestrahlt, so hatten die Polaritonen einen Impuls parallel zu Schicht und bildeten eine strömende Flüssigkeit. Anhand des von der Schicht abgestrahlten Lichtes konnten die Forscher beobachten wie sich die Polaritonenflüssigkeit verhielt, wenn sie auf eine punktförmige Fehlstelle in der Halbleiterschicht traf.

Lag die Dichte der Polaritonenflüssigkeit unterhalb der kritischen Dichte, so wurden die Quasiteilchen an der Fehlstelle gestreut. Die Flüssigkeit staute sich vor der Fehlstelle und bildete parabelförmige Wellen. Je näher die Dichte der Flüssigkeit der kritischen Dichte kam, umso schwächer wurden diese Wellen und verschwanden schließlich ganz, sobald das Bose-Einstein-Kondensat einstanden war. Das Kondensat umströmte die Fehlstelle, ohne sie zur Kenntnis zu nehmen. Es verhielt sich suprafluid. Dafür gab es noch ein weiteres Indiz.

Strömt eine Supraflüssigkeit schneller als sich der Schall in ihr ausbreitet, so regt sie Schallwellen an und die Suprafluidität bricht zusammen. Auch dieses Verhalten konnten die Forscher am Bose-Einstein-Kondensat der Polaritonen beobachten. Dazu strahlten sie das Laserlicht etwas schräger auf die Halbleiterschicht und gaben den Polaritonen dadurch einen größeren Impuls. Für eine hinreichend große Strömungsgeschwindigkeit gingen von der Fehlstelle erneut Wellenfronten aus, die diesmal aber gerade waren. Aus dem Öffnungswinkel dieser „Schallkegel“ ließ sich die Schallgeschwindigkeit ermitteln: Sie betrug 810 km/s.

Die Forscher sind zuversichtlich, dass man an den Polaritonen noch viele neuartige Quanteneffekte untersuchen kann, wie sie in Flüssigkeiten auftreten sollten, die sich in einem Nichtgleichgewichtszustand befinden.
 

RAINER SCHARF

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