05.12.2014

Surfen auf der Plasmawelle

Laser können Elektronen und Protonen auf hohe Geschwindigkeiten bringen. Aber können sie auch die klassischen Teilchenbeschleuniger ersetzen? 

Teilchenbeschleuninger sind aus der modernen Welt nicht mehr wegzudenken. Von der Bildröhre über Röntgengeräte und Elektronenmikroskope bis zum Large Hadron Collider am CERN nutzen sie hohe Gleich- oder Wechselspannungen, um geladene Teilchen im Vakuum auf Geschwindigkeit zu bringen. Beschleunigte Elektronen können zum Beispiel dafür verwendet werden, um intensive Lichtblitze vom Infraroten bis in den Röntgenbereich zu erzeugen oder den Aufbau der Materie auf kleinsten Skalen zu untersuchen. Die Bedeutung von Beschleunigern zur Lichterzeugung für die angewandte Forschung nimmt zu und hat zur Konstruktion ausgereifter, aber auch großer und kostspieliger Synchrotrons geführt.

In der Hochenergiephysik wird es jedoch zunehmend schwieriger und teurer, die Endenergie von Elektronenstrahlen zu erhöhen. Der Grund: In Kreisbeschleunigern setzen die Verluste durch Synchrotronstrahlung und in Linearbeschleunigern die maximal erreichbaren Beschleunigungsfeldstärken natürliche Grenzen. Letztere sind durch die Feldionisation von Oberflächen im Vakuum auf Werte von derzeit etwa 100 MV/m begrenzt – ohne viel Spielraum zur Verbesserung.

Im Gegensatz dazu liegen die Feldstärken in einem Puls aus einem modernen Hundert-Terawatt-Hochintensitätslaser weit oberhalb von 100 TV/m (1014 V/m). Das ist das Millionenfache der Feldstärken in einem konventionellen Beschleuniger. Es sind die höchsten makroskopischen Felder, die im Labor erzeugt werden können. Sie sind allerdings transversal zur Ausbreitungsrichtung des Lasers orientiert und oszillieren schnell. Gäbe es einen Prozess, der solche Laserfelder mit akzeptablem Wirkungsgrad in longitudinaler Richtung umorientiert und gleichrichtet, würde er enorm kompakte Teilchenbeschleuniger ermöglichen.

Die Idee für einen solchen Prozess hatten 1979 die Theoretiker Toshiki Tajima und John Dawson von der University of California in Los Angeles. Sie schlugen vor, einen intensiven, fokussierten Laserpuls durch ein verdünntes Plasma zu schicken. Dabei regt sein Lichtdruck, der eine Folge der transversal oszillierenden Felder ist, eine starke longitudinale Plasmawelle an. Auf dieser können Elektronen wie Surfer reiten. Die in der Welle herrschenden Felder reichen aus, um auf einigen Zentimetern einen Energiegewinn im Gigaelektronenvolt-Bereich zu realisieren. 1979 waren solche Laserpulse noch Science Fiction. Doch nach der Jahrtausendwende wurden Laser Hand in Hand mit den plasmaphysikalischen Fragestellungen so weiterentwickelt, dass solche Anlagen heute schon kommerziell erhältlich sind. Dies ließ auch die Zahl der auf diesem Gebiet arbeitenden Gruppen sprunghaft ansteigen.

Besonders interessant sind dabei die einzigartigen Eigenschaften der erzeugten Elektronenpakete. Durch die Miniaturisierung der Beschleunigerstruktur auf die Plasmawellenlänge im Mikrometerbereich und die hohe Zahl der pro Paket beschleunigten Teilchen ist die Emittanz – ein Maß für die räumliche und zeitliche Fokussierbarkeit und damit die Qualität des Teilchenstrahls – konkurrenzfähig mit den besten Linearbeschleunigern. Die Pulsdauer der Pakete ist mit wenigen Femtosekunden extrem kurz. Das ermöglicht unerreichte Spitzenströme und Strahlungsquellen mit höchster Spitzenbrillanz. Dies konnte besonders im harten Röntgen-und Terahertzbereich eindrucksvoll gezeigt werden.

Lediglich in der Reproduzierbarkeit der Strahlen und der Energiebandbreite sind Laserbeschleuniger noch deutlich unterlegen. Ursache ist die stark nichtlineare Natur der Plasmawellen. Hier setzt auch die aktuelle Forschung an: Neben der Frage, wie Laserbeschleuniger in mehreren Stufen nacheinander geschaltet werden können, steht die Aufklärung der genauen plasmaphysikalischen Abläufe im Fokus. Hierzu muss man Strukturen in Plasmen mit Submikrometerauflösung auf Zeitskalen von wenigen Femtosekunden untersuchen, was die Entwicklung neuer experimenteller Ansätze nötig macht. 

Lasergetriebene Teilchenbeschleuniger stecken noch in den Kinderschuhen, trotzdem konnten schon erste Anwendungen realisiert werden. Wegen des enormen Potenzials nehmen inzwischen auch die weltweit größten Beschleunigerlabore Laser- und Plasmabeschleuniger in ihr Forschungsprogramm auf.

Stefan Karsch, München

Dieser Beitrag ist in der aktuellen Ausgabe von Physik in unserer Zeit erschienen und steht dort zum freien Download bereit. Stefan Karsch von der LMU München kommentiert hierin einen Übersichtsartikel von Malte Kaluza, der an der Universität Jena an Laserbeschleunigern arbeitet. Seinen Beitrag finden Sie hier (nur frei für Abonnenten).


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