20.10.2006

Tarnkappen aus Metamaterial

Ein Hohlzylinder aus strukturiertem Verbundwerkstoff kann sich selbst und seinen Inhalt unsichtbar machen.



Ein Hohlzylinder aus strukturiertem Verbundwerkstoff kann sich selbst und seinen Inhalt unsichtbar machen.

Bislang kannte man Tarnkappen nur aus Sagen und Märchen. Doch seit kurzem sind sie ein heißes physikalisches Forschungsgebiet. Wissenschaftler in England hatten berechnet, dass ein Hohlkörper aus Metamaterial – ein Verbundwerkstoff mit besonderen optischen Eigenschaften – sich selbst und seinen Inhalt unsichtbar machen kann. Jetzt haben Forscher um David Smith von der Duke University in Durham solch einen Hohlkörper hergestellt und ihn getestet.

Wenn ein Hohlkörper wie eine Tarnkappe wirken soll, muss er das auf ihn fallende Licht so um sich herum lenken, dass es seinen Weg schließlich wieder in der ursprünglichen Einfallsrichtung fortsetzen kann. Ein Betrachter sieht dem umgeleiteten Licht nicht an, dass es einen Umweg gemacht hat, und glaubt deshalb, das Licht habe sich geradlinig im leeren Raum ausgebreitet. Nach einem Eindeutigkeitstheorem, das in der inversen Streutheorie benutzt wird, sollte zwar streng genommen ein bei jedem Lichte leer erscheinender Raumbereich auch tatsächlich leer sein. Die Möglichkeit einer beinahe perfekten Tarnkappe wird dadurch allerdings nicht ausgeschlossen.

Um solch eine Tarnkappe herzustellen, haben David Smith und seine Kollegen zunächst einmal berechnet, wie die Dielektrizitätskonstante ε und die magnetische Permeabilität µ eines Hohlzylinders beschaffen sein müssen, damit er unsichtbar ist und sein Inneres verbirgt. Dabei erwiesen sich ε und µ als Tensoren, die in Zylinderkoordinaten (r,θ,z) diagonal waren. Ihre Komponenten zeigten eine starke Abhängigkeit von der Radialkoordinate r auf. Solche komplizierten elektromagnetischen Eigenschaften lassen sich mit homogenen transparenten Materialien wie Gläsern oder Kunststoffen nicht erreichen. Hier kommen die Metamaterialien ins Spiel.

Metamaterialien sind künstlich strukturierte Verbundwerkstoffe, die eine große Zahl von metallischen Objekten enthalten. Die Form und Beschaffenheit dieser Objekte ist so gewählt, dass das Metamaterial die gewünschten elektromagnetischen Eigenschaften hat, wie sie sich mit homogenen Materialien nicht verwirklichen lassen. So hat man Metamaterialien hergestellt, deren Brechungsindex für bestimmte Lichtwellenlängen negativ ist. Das hat zur Folge, dass diese Materialien das Licht nicht zum Lot hin brechen sondern über das Lot hinaus: Der einfallende und der gebrochene Lichtstrahl liegen dann auf derselben Seite des Lotes. Die Orts- und Richtungsabhängigkeit der elektromagnetischen Eigenschaften der Metamaterialien kann man in sehr weiten Grenzen maßschneidern, wie es für eine Tarnkappe erforderlich ist.

David Smith und seine Kollegen haben ein Metamaterial entwickelt, das aus zahllosen, etwa 3 mm großen quadratischen Kupferringen bestand, die an einer Seite geschlitzt waren. Diese Ringe waren auf zentimeterbreite Duroid-Streifen unterschiedlicher Länge aufgeklebt, aus denen zehn kreisförmige Reifen mit Durchmessern von 6 bis 12 Zentimetern hergestellt wurden. Die zehn Reifen wurden in einer Ebene konzentrisch angeordnet, wobei zwischen benachbarten Reifen jeweils ein millimeterbreiter Luftspalt war. Durch ihre konzentrische Anordnung bildeten die Reifen einen Hohlzylinder, dessen Hohlraum einen Durchmesser von 6 Zentimetern hatte.

Computerberechnungen zeigten, dass dieser Hohlzylinder Mikrowellenstrahlung von 9 GHz in der gewünschten Weise um seinen Hohlraum herumlenkt. Da die entsprechende Wellenlänge etwa 3 cm ist, erscheint den Mikrowellen das viel feiner strukturierte Metamaterial als eine homogene Substanz. Anschließend zeigten die Forscher experimentell, dass ihr Hohlzylinder tatsächlich nahezu unsichtbar für Mikrowellenstrahlung war und ein in ihm befindlicher massiver Kupferzylinder unentdeckt blieb. Zunächst wurde der Kupferzylinder unverhüllt in die Mikrowellenstrahlung gehalten. Dabei reflektierte er einen Teil der Strahlung und warf einen deutlichen Schatten. Befand sich der Kupferzylinder jedoch im Inneren des Hohlzylinders, so hielt dieser die Mikrowellen fast völlig von ihm fern, wie Messungen mit einer Mikrowellenantenne zeigten. Die Wellen wurden vom Hohlzylinder um den Hohlraum herumgelenkt und breiteten sich anschließend tatsächlich in ihrer Ursprungsrichtung weiter aus. Reflexe und Schattenbildung waren dabei stark reduziert.

Elektrische Verluste im Metamaterial führten allerdings dazu, dass die Intensität der Mikrowellen hinter dem Hohlzylinder merklich abgeschwächt war. Bisher funktioniert die Tarnkappe nur für Mikrowellen aus einem schmalen Frequenzbereich. Ob man diesen Bereich wesentlich vergrößern kann, ist noch unklar. Um eine Tarnkappe für sichtbares Licht herzustellen, müsste man Metamaterialien benutzen, die in geeigneter Weise im Nanometerbereich strukturiert sind. Soweit ist man derzeit noch nicht. Doch immerhin hat man schon Metamaterialien für Infrarotstrahlung hergestellt. Auch wenn das Ziel ihre Unsichtbarkeit ist – die Tarnkappen aus Metamaterial werden vermutlich noch länger Aufsehen erregen.

Rainer Scharf

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