29.05.2018

Tauchgang mit dem Mikroskop

Immersions-Raster-Tunnel-Mikroskop ermöglicht Blick in Grenzfläche von Festkörper zu Flüssigkeit.

Im Keller des Deutschen Museums hat der Experimental­physiker Oliver Ochs für seine Dissertation am Oskar-von-Miller-Lehrstuhl für Wissenschafts­kommunikation ein einzig­artiges Immersions-Raster-Tunnel-Mikroskop entwickelt. Das Projekt dient der Grundlagen­forschung, die Besucher­gruppen in den Laboren auf der Münchner Museums­insel regelmäßig hautnah erleben können. Es genügt schon, das Notiz­buch wieder von der Tischplatte zu nehmen, da ertönt ein leises Zischen. „Das gehört zur Vibrations­dämpfung“, erklärt Oliver Ochs.

Abb.: Das Immersions-Raster-Tunnelmikroskop vor dem Eintauchen in den beheizbaren Behälter. (Bild: Deutsches Museum)

Die hörbare pneumatische Federung des Tisches schützt das neue, hoch­sensible Immersions-Raster-Tunnel-Mikroskop bei seiner Arbeit im Nano­bereich vor Erschütterungen. Oliver Ochs hat es im Rahmen seiner Dissertation und mit Förderung durch ein Stipendium der Helmut Fischer Stiftung entwickelt. Betreut wurde er dabei von Markus Lackinger am Oskar-von-Miller-Lehrstuhl für Wissenschaftskommunikation, den Wolfgang Heckl, der Generaldirektor des Deutschen Museums, innehat. „Dieser Lehrstuhl baut die Brücken für den Austausch zwischen aktueller Forschung und der natur­wissenschaftlich interessierten Öffentlichkeit“, sagt Lackinger. Und so können beispiels­weise Schüler­gruppen beim Besuch in den Laboren in authentischer Umgebung echte Grundlagen­forschung kennenlernen. Wie die Entwicklung dieses einzig­artigen Immersions-Raster-Tunnel-Mikroskops.

Am Anfang jedes Projekts steht ein Ziel: „Wir wollen herausfinden, wie sich Moleküle bei unterschiedlichen Temperaturen an der Grenzfläche zwischen einer Festkörper­oberfläche und Flüssig­keit verhalten und warum sich bestimmte molekulare Ordnungen ausbilden“, sagt Markus Lackinger. Mit den bisher existierenden Instrumenten gab es da aber zwei gravierende Probleme: Erstens verdampft das Mittel, in dem die Moleküle gelöst sind, beim Erhitzen. Und zweitens werden diese Messungen im Nanobereich durch die thermische Drift beeinflusst – ein Weglaufen der Probe aufgrund der Längen­ausdehnung des Gerätes bei Temperatur­veränderungen.

Durch das Verdampfen der Lösungs­mittel war bisher die Dauer der Experimente erheblich eingeschränkt, Langzeit-Studien waren nicht möglich. Und somit auch keine Temperatur-Stabilisierung für die Drift-Frage, ebenso­wenig wie die Beobachtung extrem langsamer Prozesse. Die Lösung des Problems erscheint auf den ersten Blick recht simpel: „Wir haben einen rundum beheiz­baren, abgedichteten Behälter für eine größere Flüssigkeits­menge entwickelt, in die das Mikroskop eintaucht. Daraus kann dann kein Lösungs­mittel mehr verdampfen“, sagt Lackinger. Das Ganze wird noch auf Federn gelagert und mit einem weiteren Gehäuse gegen äußere Vibrationen und elektro­magnetische Störungen abgeschirmt – fertig.

Ganz so einfach war die Sache natürlich nicht. Fast vier Jahre hat Oliver Ochs daran getüftelt, die richtigen Materialien für das Immersions-Raster-Tunnel-Mikroskop zu finden. Denn bei den gebräuchlichen Lösungs­mitteln für diese Art von Experimenten handelt es sich oft um Fett­säuren. „Und die greifen natürlich auch Metalle und vor allem Kleb­stoffe an“, erklärt der Doktorand. Allerdings sind Klebe­stellen bei dieser Art Mikroskop unvermeidbar. „Da liefen dann wochen­lange Tests, bei denen der Nano­positionierer, das Herz­stück des Mikroskops, an dem die abtastende Sonde montiert ist, immer wieder in 100 Grad Celsius heißer Säure rauf- und runter­gefahren wurde, nur um zu sehen, ob die Teile zusammen­halten“, berichtet Oliver Ochs.

Und dass es ganz wesentlich um die Veränderung der Temperatur geht, machte die Suche nach den passenden Bausteinen auch nicht leichter. Zum einen, weil heiße Säuren noch aggressiver reagieren, und zum anderen wegen der thermischen Drift. „Wir verwenden jetzt die Spezial­legierung Invar, die sich kaum ausdehnt“, sagt Markus Lackinger. „Allerdings brauchten wir gegen die Säure­wirkung zusätzlich eine Beschichtung.“

Nach den Jahren des Testens, Tüftelns, Konstruierens und Bauens laufen inzwischen die ersten Mess­reihen mit dem neuen Instrument. „Das ist sozusagen der zweite Teil meiner Doktorarbeit“, sagt Oliver Ochs. Auch nach Abschluss der Dissertation wird das Immersions-Raster-Tunnel-Mikroskop auf der Museums­insel bleiben. „Wir bieten es gerne Kollegen aus der ganzen Welt für eigene Messreihen an und führen es sicher auch interessierten Besuchern vor“, sagt Markus Lackinger.

An dieser Stelle schließt sich wieder der Kreis zwischen der Forschung und dem Museum, mit seinem Zentrum neue Technologien. Dort sind einige historische Raster-Tunnel-Mikroskope ausgestellt. „Die mit dem Nobel­preis gekrönte Erfindung dieser Technologie war ein Meilenstein in den Natur­wissenschaften, für manche markiert sie sogar den Beginn der Nano­wissenschaften. Und die Einblicke, die diese Mikroskope in den Nano­kosmos ermöglichen, eignen sich hervorragend für die Wissenschafts­kommunikation“, so Lackinger.

Deutsches Museum / DE

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