Teilchenphysiker und Humanist
Der aus Bad Kissingen stammende Physik-Nobelpreisträger Jack Steinberger ist im Alter von 99 Jahren gestorben.
Der Entdecker des Myon-Neutrinos, Jack Steinberger, ist am 12. Dezember in Genf im Alter von 99 Jahren gestorben. Er wurde als Hans Jakob Steinberger am 25. Mai 1921 in Bad Kissingen geboren. Mit 13 Jahren brachten ihn seine jüdischen Eltern zusammen mit seinem älteren Bruder Herbert vor den Nazis in Sicherheit. Drei Jahre später folgten sie den beiden Söhnen zusammen mit ihrem jüngsten Sohn Rudolf.
In den USA studierte Steinberger zunächst Chemie und kam erst im Zweiten Weltkrieg zur Physik, weil Physiker für die Entwicklung des Radars gebraucht wurden. Nach dem Krieg studierte er bei Enrico Fermi, bei dem er auch promovierte. Steinberger analysierte dafür das Energiespektrum von Elektronen, die beim Myonen-Zerfall emittiert werden. Er konnte zeigen, dass es sich dabei um einen Zerfall in drei Teilchen handeln musste, von denen zwei neutral sind: das Myon-Neutrino und – wie sich später herausstellte – das Anti-Elektron-Neutrino.
Steinberger machte Karriere als Teilchenphysiker. Mit seinen Mitarbeitern – darunter Melvin Schwartz, mit dem Steinberger zusammen mit Leon Ledermann den Physik-Nobelpreis 1988 erhielt – baute und betrieb er am Brookhaven National Laboratory eine große Wasserstoff-Blasenkammer.
Über fünfzig Jahre nach seiner Flucht aus Nazi-Deutschland, trat Jack Steinberger wieder in Kontakt mit seiner Geburtstadt Bad Kissingen, die er danach oft besuchte. Die Stadt ernannte Jack Steinberger zum Ehrenbürger und seine ehemalige Schule trägt heute seinen Namen.
Ein Jahr, nachdem Steinberger den Physik-Nobelpreis erhalten hatte, hielt er bei der DPG-Frühjahrstagung einen Plenarvortrag zur Physik des Neutrinos. Bei der großen DPG-Tagung im Einsteinjahr 2005 in Berlin befasste er sich in einem Vortrag mit dem Titel „Einsteins Erbe“ mit der sozialen Verantwortung der Physik und den weltweiten Abrüstungsbestrebungen.
Stefan Jorda interviewte Steinberger im Jahr 2011 aus Anlass seines 90. Geburtstages für das Physik Journal. Steinberger erinnert sich im Interview unter anderem an seine Flucht aus Deutschland und seinen Doktorvater Enrico Fermi. Auch aus seinem politischen Engagement machte er keinen Hehl, wegen dem er in den 1950er-Jahren ins Visier der FBI geriet. Seine neue Heimat USA sah er daher auch in kritischem Licht, speziell wenn es um die Atomwaffenproblematik ging.
Angeregt durch die Messung des kosmischen Mikrowellenhintergrundes durch den COBE-Satelliten wandte sich Steinberger Anfang der 1990er-Jahre der Astrophysik zu. Bis ins hohe Alter kam er täglich in sein Büro am CERN, um sich mit aktuellen Veröffentlichungen zu beschäftigen. Steinberger bekannte sich zu einem toleranten Atheismus und war „Humanist Laureate“ der International Academy of Humanism.
Alexander Pawlak
Weitere Informationen
- S. Jorda, „Das ist meine Kultur“ – Interview mit Jack Steinberger (Physik Journal, Juli 2011, S. 21) PDF
- The Nobel Prize for Physcs 1988: Jack Steinberger
Weitere Beiträge
- J. Steinberger, Experimente mit hochenergetischen Neutrinostrahlen: Vortrag anläßlich der Verleihung des Physik‐Nobelpreises 1988, Physikalische Blätter 45, 231 (1989) und 45, 230 (1989): biographische Notiz
- H. Faissner, Physik‐Nobelpreis 1988: Das zweite Neutrino – Erinnerungen eines Zeitzeugen, Physikalische Blätter 44, 446 (1988)