23.06.2016

Teilchenzoo im Quantencomputer

Erste experimentelle Quanten­simu­lation einer Gitter-Eich­feld­theorie.

Die kleinsten bekannten Bausteine der Materie sind die Elementar­teilchen, deren Eigen­schaften die Teilchen­physik mit dem Standard­modell beschreibt. Spätestens seit dem Nachweis des Higgs-Teilchens 2012 am euro­pä­ischen Kern­forschungs­zentrum CERN gilt das Modell als weit­gehend bestätigt. Aller­dings sind viele Aspekte dieser Theorie noch nicht verstanden und können auf­­grund ihrer Komplexität auf klassischen Computern auch nicht zufrieden­stellend unter­sucht werden. Quanten­simula­toren könnten hier in Zukunft Abhilfe schaffen, indem sie einzelne Aspekte der Elemen­tar­teilchen­physik in einem Quanten­system nach­bilden. Ein Schritt in diese Richtung gelang nun einem Forscher­team aus Öster­reich. Die Forschungs­gruppen um Rainer Blatt und Peter Zoller haben zum welt­weit ersten Mal eine Gitter-Eich­feld­theorie in einem Quanten­system simuliert.

Abb.: Physiker haben mit einem Quanten­computer die spontane Ent­stehung von Elementar­teilchen-Paaren aus einem Vakuum simuliert. (Bild: H. Ritsch, IQOQI)

Eichtheorien beschreiben die Wechselwirkung zwischen elemen­taren Teilchen, wie zum Beispiel Quarks und Gluonen, und sind die Basis für das Verständnis von funda­men­talen Prozessen. „Äußerst schwer zu behandeln sind dyna­mische Prozesse wie die Kollision von Elementar­teilchen oder die spontane Entstehung von Teilchen-Anti­teilchen-Paaren“, erklärt Team-Mitglied Christine Muschik. „Hier stoßen numerische Berech­nungen auf klassischen Computern extrem rasch an ihre Grenzen. Aus diesem Grund wurde vorge­schlagen, solche Prozesse mit einem kontrol­lierten Quanten­system zu simu­lieren.“ In den vergangenen Jahren entstanden viele interes­sante Vor­schläge, die bisher aber nicht reali­siert werden konnten. „Ein von uns neu entwickeltes Konzept ermöglicht es nun, die spontane Entstehung von Elektron-Positron-Paaren aus dem Vakuum auf einem Quanten­computer zu simu­lieren.“

Das Quantensystem besteht aus vier elektro­magnetisch gefangenen Kalzium-Ionen, die durch Laser­pulse kontrol­liert werden. Je zwei Ionen reprä­sen­tieren ein Paar aus Teilchen und Anti­teilchen. Mit Laser­pulsen simu­lieren die Forscher zunächst ein elektro­magne­tisches Feld in einem Vakuum. Dann können sie beob­achten, wie aus der Energie dieses Feldes aufgrund von Quanten­fluktu­ationen Teilchen­paare entstehen. Ob Teilchen oder Anti­teilchen erzeugt werden, weisen sie mit Hilfe der Fluores­zenz der Ionen nach. Verändern sie die Para­meter des Quanten­systems, können sie den dyna­mischen Prozess der Paar­bildung mit­ver­folgen und studieren.


Mit dem Experiment schlagen die Wissenschaftler eine Brücke zwischen zwei Teil­ge­bieten der Physik: Hier werden Probleme der Hoch­energie­physik mit Methoden aus der Atom­physik studiert. Während im einen Feld Hunderte von Theore­tikern an den äußerst komplexen Theorien zum Standard­modell arbeiten und Experi­mente an milliarden­teuren Teilchen­beschleu­nigern wie am CERN durch­ge­führt werden, können Quanten­simula­tionen bereits von kleinen Gruppen in Labor­experi­menten umge­setzt werden.

„Diese beiden Zugänge ergänzen sich perfekt“, betont Zoller. „Wir können die Experimente in Teilchen­beschleu­nigern nicht ersetzen. Mit der Entwicklung von Quanten­simula­toren lassen sich diese Experi­mente aber möglicher­weise einmal besser verstehen.“ Sein Kollege Blatt ergänzt: „Darüber hinaus lassen sich in Quanten­simula­tionen auch neue Prozesse studieren. So haben wir in unserem Experi­ment die bei der Paar­erzeugung entstehende Ver­schränkung unter­sucht, was in einem Teilchen­beschleuniger nicht möglich wäre.“ Die Forscher sind über­zeugt, dass zukünftige Quanten­simula­toren das Potential haben werden, wichtige Probleme der Hoch­energie­physik, die mit klassischen Methoden nicht mehr be­handel­bar sind, zu lösen.

U. Innsbruck / RK

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