11.05.2017

Telekinese mit Teilchenstrahlen

Materiewellen können theoretisch genauere Traktor­strahlen bereit­stellen als optische Pinzetten.

Die Entwicklung optischer Traktor­strahlen ist immer noch ein sehr junges Gebiet. Obwohl die Maxwell­schen Grund­gleichungen der Elektro­dynamik, auf denen solche Manipulations­techniken beruhen, mittler­weile über 150 Jahre alt sind, steckt die Erforschung von Traktor­strahlen noch in den Kinder­schuhen. Die Idee, kleine Teilchen mit Hilfe von Licht anzu­ziehen, ist schließ­lich kontra­intuitiv: Licht übt einen zwar geringen, aber in Ausbreitungs­richtung gerichteten Strahlungs­druck aus, der Teilchen grund­sätzlich von der Lichtquelle wegschiebt. Diesen Strahlungs­druck wollen sich etwa die Wissen­schaftler hinter dem Break­through Starshot Projekt zunutze machen, um mit Hilfe extrem starker Laser­strahlen sogar kleine Raum­sonden an Licht­segeln zu unserem Nachbar-Sternen­system Proxima Centauri zu schicken.

Abb.: Auch Materiewellen können wie ein Traktorstrahl auf Teilchen wirken.(Bild: A. Novitsky, DTU)

Mit passend präpa­rierten Licht­strahlen lässt sich der Effekt aber auch umkehren. Solche Traktor­strahlen, die kleine Objekte anziehen und fixieren können, benötigen spezielle Wellen­formen. Hierzu gehören etwa Bessel-Strahlen, die gleich mit mehreren Besonder­heiten aufwarten können. So sind Bessel-Strahlen nicht­beugend; sie ändern ihre Form also nicht während ihrer Aus­breitung. Außerdem sind sie selbst­heilend. Werden sie an einem bestimmten Punkt gestört, stellt sich danach ihre ursprüng­liche Form von selbst wieder her.

Ein Team theo­retischer Physiker aus Weiß­russland, Russland und Dänemark hat die Technik optischer Traktor­strahlen nun auf Teilchen­strahlen verall­gemeinert. „Die Welle-Teilchen-Dualität war unsere anfäng­liche Intui­tion“, sagt Andrey Novitsky, der an der Bela­rusian State University in Minsk und an Technical Uni­versity of Denmark in Kongens Lyngby arbeitet. Da die Welle-Teilchen-Dualität ebenso für Licht wie für Materie­teilchen gilt, sollten schließlich auch Materie­wellen mit anziehenden Eigen­schaften möglich sein.

Während optische Pinzetten, mit denen man kleine Teilchen im Fokus eines starken Licht­strahls festhalten kann, bereits seit Jahr­zehnten etabliert sind, sind Traktor­strahlen schwieriger zu rea­lisieren und erst seit wenigen Jahren bekannt. Bei sämt­lichen Arten optischer Pinzetten und Traktor­strahlen muss man den Strahlungs­druck dadurch aus­gleichen, dass der Lichtstrahl so mit dem Objekt wechsel­wirkt, dass der Licht­strahl einen zusätz­lichen Impuls nach vorne erhält und dadurch das Teilchen aufgrund der Impuls­erhaltung Richtung Licht­quelle schiebt. Bei optischen Pinzetten funk­tioniert dies nur im Bereich hinter dem Fixier­punkt, bei Traktor­strahlen entlang des gesamten Strahls. Dies ist dadurch möglich, dass bei den verwendeten Bessel-Strahlen eine Trans­versal-Komponente in Strahl­richtung abgelenkt wird.

Mit optischen Traktor­strahlen lassen sich ungefähr ein Mikro­meter große Objekte anziehen. Aufgrund der wesent­lich kürzeren Wellen­länge von Materie­wellen sollten Teilchen-Traktor­strahlen auch wesentlich kleinere Objekte trans­portieren können – laut den Berech­nungen der Forscher bis hin zu 0,1 Nano­metern. Das macht solche Strahlen im Prinzip für atomare Mani­pulationen interessant. Da unter­schiedliche Arten von Materia­lien auch auf unter­schiedliche Art und Weise mit Licht- und anderen Wellen wechsel­wirken, hängt die Stärke der anzie­henden Kraft auch von Material und Struktur des Teilchens ab. So zeigte sich, dass ein Streukörper, der in Form eines Coulomb-Potenzials wechsel­wirkt, sich nicht heran­ziehen, sondern nur abstoßen lässt. Ein Körper mit der Form eines Yukawa-Poten­zials hingegen lässt sich anziehen.

In der Grenz­betrachtung sich aufhe­bender Kräfte – wenn also die Wirkung des Traktor­strahls verschwindet – gelangten die Forscher zur Bedingung für resonante Transpa­renz von Quanten­barrieren, wie sie sich im Ramsauer-Townsend-Effekt bemerkbar macht. Dieser Effekt beschreibt die klassisch unver­ständliche Durch­lässigkeit von Gasen gegenüber lang­samen Elektronen.

Welche Arten von Materie­wellen-Traktor­strahlen sich in Zukunft rea­lisieren lassen könnten, ist derzeit noch schwer abzusehen. Optische Traktor­strahlen funk­tionieren nur bei sehr kleinen und leichten Objekte. Teilchen-Traktor­strahlen haben nach den Berech­nungen der Forscher eine ähnliche Stärke wie optische und könnten auch über eine ähnliche Distanz wirken. Aller­dings gibt es hier noch weitere Freiheits­grade wie Spin und Bahndreh­impuls, mit denen sich künftig arbeiten lassen wird und die noch nicht in die Berech­nungen eingegangen sind.

Theore­tisch eignen sich nicht nur Elektronen, sondern sowohl geladene Teilchen wie Ionen oder Atom­kerne als auch unge­ladene Teilchen wie Atome oder Moleküle als Traktor-Teilchen­strahl. Um Elektronen ein geeig­netes Wellen­profil aufzu­prägen, bieten sich etwa nano-holo­graphische Verfahren an. Aufgrund der im Vergleich zu Licht wesent­lich kleineren Wellen­länge massiver Teilchen sollte deshalb eine wesent­lich höhere Orts­genauigkeit möglich sein als bei optischen Traktor­strahlen. Nach den Berech­nungen der Wissen­schaftler benötigen Teilchen-Traktor­strahlen auch keine außerge­wöhnlichen Parameter. Die Forscher rechnen deshalb schon in den nächsten Jahren mit einer experi­mentellen Realisierung, die zumindest die grund­sätzliche Mac­hbarkeit nachweist.

Dirk Eidemüller

JOL

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