07.04.2017

Teleskop verfolgt Weltraumschrott

Vorwarnsystem soll fatale Kollisionen mit Satelliten vermeiden helfen.

Das Deutsche Raumfahrt­kontroll­zentrum (GSOC) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt DLR hat zusammen mit dem Astro­nomischen Institut der Univer­sität Bern die erste Teleskop­station in Südafrika in Betrieb genommen. Die Station dient zur perma­nenten Überwachung des geosta­tionären Orbits und ist Teil des SMARTnet-Netz­werkes (Small Aperture Robotic Telescope Networks). Ihre Sensoren liefern wichtige Infor­mationen, um Kolli­sionen im täg­lichen Satelliten­betrieb zu verhindern. Mit Hilfe der gewonnenen Daten werden die vom GSOC betriebenen Satel­liten in Zukunft noch sicherer gesteuert werden können.

Abb.: SMART-01-Teleskopstation in Sutherland zur Überwachung des geostationären Orbits. Aus dem Container wird die Station überwacht und gesteuert. (Bild: H. Fiedler)

Das GSOC in Oberpfaffen­hofen betreibt seit über 40 Jahren erfolg­reich Satelliten, erdnah und geosta­tionär. Die geosta­tionären Satelliten werden haupt­sächlich für Kommu­nikation genutzt und umkreisen die Erde in rund 36.000 Kilometer Höhe. Orbits, in denen sie Weltraum­schrott ausgesetzt sind. Bei einer Kollision zwischen Weltraum­schrott und einem Satelliten könnte dieser beschädigt oder sogar zerstört werden. Die entstehenden Fragmente können auch alle anderen geosta­tionären Satel­liten gefährden. Um das zu verhindern, müssen die Bahnen jedes Schrott­teilchens möglichst genau vermessen und dem Satelliten­betreiber bekannt sein. Im Fall einer möglichen Kollision führt das Kontroll­zentrum ein Ausweich­manöver durch und bewegt den Satelliten auf eine entsprechend andere Bahn.

Die Haupt­aufgabe des Small Aperture Robotic Telescope Networks SMARTnet ist es nun, Daten zu sammeln, die genauere Vorher­sagen ermöglichen. Die beiden ersten Stationen befinden sich in Zimmerwald in der Schweiz und nun in der Nähe von Suther­land in Südafrika. Mit diesen beiden Stationen werden Objekte mit einer Größe von mehr als 30 Zentimeter im geosta­tionären Orbit beobachtet, detektiert und verfolgt. Aus den gewonnenen Daten werden Bahn­daten berechnet, die eine Vorhersage der Bahnen für knapp eine Woche erlauben. Bislang erhält das Deutsche Raumfahrt­kontroll­zentrum die Warnungen vom ameri­kanischen Joint Space Operation Center, das über mehrere Kataloge von Weltraum­schrott verfügt. In der Vergangen­heit hat sich jedoch gezeigt, dass die Aufstel­lungen von geosta­tionären Objekten nicht vollständig sind. Das vom DLR und der Univer­sität Bern betriebene Netzwerk SMARTnet versucht diese Daten­lücke zu schließen, um einen sichereren Betrieb zu gewähr­leisten.

In Südafrika herrschen hervor­ragende Beobachtungs­bedingungen, die an fast 300 Nächten im Jahr den Blick in den Weltraum erlauben. Die neue SMARTnet-Station wurde mit Unter­stützung der südafri­kanischen Raumfahrt­agentur SANSA (South African Space Agency) auf dem Observations­gelände in Suther­land aufgebaut. Betrieben wird die Teleskop­station voll­automatisch von Deutsch­land und der Schweiz aus, mit einer Vorprozes­sierung der Bilder vor Ort. Die Infra­struktur dazu stellt das South African Astro­nomical Obser­vatory (SAAO). Anfang April erstellte die Station dann das erste offizielle Bild vom geosta­tionären Orbit. Das spezielle Teleskop­system dazu wurde in den letzten vier Jahren vom GSOC zusammen mit Experten des Astro­nomischen Instituts der Univer­sität Bern (AUIB) zusammen­gestellt: Das System besteht im Wesent­lichen aus einem 20-Zenti­meter-Teleskop und einem 50-Zentimeter-Teleskop, zwei Kameras, mehreren Computern sowie Software, um das System zu betreiben und die gewonnenen Daten auszuwerten. Die Auswertungs­software wurde am AUIB entwickelt und ist bereits seit mehreren Jahren erfolg­reich im Einsatz.

Abb.: First Light – das erste Bild der Station in der Nähe von Sutherland. Die Strichspuren kommen von Sternen, Punkte spiegeln Objekte im geostationären Orbit wider. (Bild: SMARTnet / DLR / AIUB)

Das kleine Teleskop hat ein großes Gesichts­feld zur schnellen Durch­musterung des Himmels, das große Teleskop dient zur präzisen Nach­vermessung der gefundenen Objekte. Für eine Aufnahme wird ein Teleskop angehalten und eine Aufnahme mit circa acht Sekunden Belichtungs­zeit erstellt. Auf dieser Aufnahme erscheinen die geosta­tionären Objekte als Punkte, die wandernden Sterne hingegen hinter­lassen Strich­spuren. Die Positionen der Sterne sind bekannt, so dass sich im Rückschluss die Position der Fremd­objekte in der Aufnahme bestimmen lässt. Vergleicht man mehrere Aufnahmen hinter­einander, kann nun dasselbe Objekt auf mehreren Aufnahmen identi­fiziert und als Tracklet zusammen­gefasst werden. Ab­schließend werden mehrere Tracklets korreliert, daraus eine Bahn bestimmt und diese in einer Datenbank abgelegt.

Test­kampagnen während der letzten zwei Jahre im Zimmer­wald-Obser­vatorium haben gezeigt, dass dadurch Satelliten­bahnen mit einer Genauig­keit von mehr als 200 Meter bestimmt werden können. Das ist für eine Kollisions­analyse mehr als ausreichend. Weiter­hin ist die schwierige Aufgabe gelungen, mehrere eng bei­einander liegende Satelliten in einer Aufnahme eindeutig zuzuordnen und Manöver von Satelliten auf knapp zehn Prozent genau abzus­chätzen.

Die Stationen in der Schweiz und Südafrika sind erst der Anfang. Um das Sichtfeld zu vervoll­ständigen und alle Objekte im geosta­tionären Orbit beobachten zu können, soll das Netzwerk von SMARTnet erweitert werden. Zwei neue Stationen sind bereits geplant, jeweils in Australien und Südamerika. Da die Daten mit der Anzahl der Stationen besser werden, sind weiterhin Koopera­tionen mit inter­nationalen Teleskop­betreibern geplant. Alle Partner können dann gemeinsam auf sämtliche im Netwerk gewon­nenen Daten zugreifen. Die SMARTnet-Daten dienen jedoch nicht nur der Kollisions­vermeidung. Vielmehr sollen die Daten wichtige Erkennt­nisse über die physi­kalischen Hinter­gründe im geosta­tionären Orbit liefern.

DLR / JOL

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