Thermoelektrik ohne Tellur
Alternative Materialien für thermoelektrische Module identifiziert.
Thermoelektrische Generatoren wandeln Wärme in Strom um. Bisher musste für die Herstellung solcher Generatoren Tellur verwendet werden – eines der seltensten Elemente der Erde. Gabi Schierning von der Fakultät für Physik der Universität Bielefeld hat nun mit Kollegen gezeigt, dass auch aus alternativen Materialien effiziente thermoelektrische Module gefertigt werden können. Diese Materialien basieren auf besser verfügbaren Elementen wie Magnesium. Forscher des Leibniz-Instituts für Festkörper- und Werkstoffforschung IFW Dresden, der University of Houston (USA), dem Harbin Institute of Technology (China) und Gabi Schierning haben die Ergebnisse nun veröffentlicht.
„Alternativen zu Tellur zu finden, ist sehr wichtig für die Anwendbarkeit der Thermoelektronik“, sagt Gabi Schierning von der Universität Bielefeld. Die Physikerin erforscht thermoelektrische Materialien und Bauelemente in der Arbeitsgruppe dünne Schichten und Physik der Nanostrukturen. Thermoelektrische Generatoren wandeln Wärme in elektrische Energie um: Ladungsträger haben bei hohen Temperaturen eine größere thermische Geschwindigkeit als bei niedrigen. Gibt es in thermoelektrischen Materialien einen Temperaturunterschied, wandern die Ladungsträger von wärmeren in kältere Bereiche und erzeugen dadurch eine nutzbare elektrische Spannung.
Die Technologie könnte eingesetzt werden, um Abwärme – die Wärme, die bei der Energieerzeugung an die Umgebung abgegeben wird – zum Teil wieder nutzbar zu machen. „Bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe geht ein großer Teil der erzeugten Energie als Abwärme verloren. Indem aus der Abwärme wieder Elektrizität generiert wird, ließe sich zum Beispiel der Ausstoß von Treibhausgasen verringern“, sagt Schierning.
Abwärme hat meistens Temperaturen bis etwa 250 Grad Celsius. Module aus Tellur-basierten Materialen wandeln in diesem Bereich effizient Wärme in elektrischen Strom um. „Das Ziel ist, Materialien zu finden, die ähnlich effizient sind, aber häufiger in der Erdkruste vorkommen und damit kostengünstiger sind – dadurch steigt die Chance, dass die Technologie marktfähig wird“, sagt Schierning. Für ihre Studie haben die Wissenschaftler chemische Verbindungen verwendet, die auf den Elementen Magnesium und Antimon basieren. „Dass solche Verbindungen geeignete Materialien für die Thermoelektronik sind, war schon einige Zeit bekannt. Bisher konnte aber nicht gezeigt werden, dass sich aus ihnen auch funktionierende thermoelektrische Bauelemente herstellen lassen. Das ist uns nun gelungen“, so Schierning.
Zunächst haben die Wissenschaftler die thermoelektrischen Materialien synthetisiert. Dazu werden alle Bestandteile zu einem feinen Pulver vermahlen und unter Hitze verdichtet. Aus diesen Materialien wird danach das Modul angefertigt. Pingjun Ying und Ran He vom Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung IFW Dresden haben dafür sowohl die Synthese der Materialien als auch den Aufbau so optimiert, dass das Bauelement möglichst effizient elektrische Energie generieren kann, was zum Beispiel von der Schichtung des Materials oder der geometrischen Struktur des Moduls abhängt. Diese Untersuchungen zeigen, dass die Magnesium-basierten Bauelemente genauso effizient sind wie Tellur-basierte.
Gabi Schierning, die vorher ebenfalls am Leibniz-Institut in Dresden tätig war, ist seit Oktober 2020 Professorin für Experimentalphysik an der Fakultät für Physik der Universität Bielefeld. Der Europäische Forschungsrat ERC hat sie Ende 2019 mit dem ERC Consolidator Grant ausgezeichnet: In dem mit zwei Millionen Euro geförderten Projekt Matter geht Schierning der Frage nach, wie Oberflächen von thermoelektrischen Materialien beschaffen sein müssen, um effizient elektrischen Strom zu transportieren. „Ich versuche in meiner Forschung den Spagat zwischen Anwendung und Grundlagen“, sagt Schierning.
U. Bielefeld / DE