01.07.2015

Thermoelektrikum mit Pfiff

Unregelmäßigkeiten im Kristallgitter erhöhen die Güte von Eisen-Antimonid.

Maschinen erzeugen Abwärme, also ungenutzte Energie. Mit speziellen Materialien kann man einen Teil dieser Energie allerdings wieder zurückgewinnen. Thermoelektrika können Temperaturunterschiede, etwa zwischen einem heißen Motor und der kühlen Umgebungsluft, in elektrische Energie umwandeln. Auch der umgekehrte Vorgang ist möglich: Mit den passenden Materialien kann man durch elektrischen Strom Temperaturunterschiede erzeugen und somit einen Kühleffekt erreichen.

Abb.: Ein zusätzliches Eisenatom (unten rechts) ändert die Eigenschaften des Materials. (Bild: TU Wien)

Eisen-Antimonid ist Weltrekordhalter unter den Thermoelektrika: In keinem anderen Material ist die Kopplung von Elektrizität und Temperaturunterschieden, der thermoelektrische Powerfaktor, so stark. Warum das so ist, war bisher ein Rätsel. An der TU Wien fand man nun aber die Erklärung: Der extreme thermoelektrische Effekt in Eisen-Antimonid liegt einerseits in kleinen Unregelmäßigkeiten im Material und andererseits an kollektiven Schwingungen der Atome, die die Elektronen mit sich reißen.

Ob ein Material thermoelektrische Effekte zeigt oder nicht, kann das Team von Karsten Held am Institut für Festkörperphysik der TU Wien mit quantenphysikalischen Computersimulationen berechnen. „Nach herkömmlichen Theorien über Thermoelektrizität müsste der Effekt in Eisen-Antimonid eigentlich viel kleiner sein“, sagt Jan Tomczak. Die Forscher analysierten das Material deshalb genauer und entdeckten Erstaunliches.

Elektronen können in einem Material nicht beliebige Energien annehmen. „Unsere Berechnungen zeigen, dass kleine Unregelmäßigkeiten im Eisen-Antimonid, etwa zusätzliche Eisen-Atome, einen Einfluss darauf haben, welche Energien physikalisch erlaubt sind“, erklärt Marco Battiato. Durch diese Unregelmäßigkeiten entstehen neue erlaubte Zustände in dem Energiebereich, der sonst verboten wäre.

„Diese Elektronenzustände wiederum haben eine wichtige Eigenschaft“, sagt Karsten Held. „Sie koppeln an Vibrationen der Atome, an Phononen. Dort wo es warm ist, sind diese Schwingungen stärker als in kälteren Bereichen, und dadurch tragen die Vibrationen zum elektrischen Strom bei.“ Man kann sich die Elektronen so ähnlich vorstellen wie kleine Kugeln, die sich auf einem gespannten Tuch bewegen. Wenn man das Tuch auf einer Seite rüttelt, nehmen die Kugeln diese Energie auf und bewegen sich auf die andere Seite.

Für die Rückgewinnung von Energie aus Abwärme ist Eisen-Antimonid nicht gut geeignet, denn besonders hohe thermoelektrische Eigenschaften zeigt es bei sehr niedrigen Temperaturen. Man könnte es allerdings für neue Kühl-Techno­logien nutzen. Ähnliche Mechanismen wie die Entstehung zusätzlicher Energiezustände und der Elektronen­transport durch Schwingungen in Eisen-Antimonid könnten auch in anderen Materialien eine Rolle spielen. Man wird sie in Zukunft bei der Forschung an Thermo­elektrika jedenfalls mitberück­sichtigen müssen. Für eine kommerzielle Anwendung muss auch die Wärmeleit­fähigkeit reduziert werden, beispielsweise durch Nanostruk­turierung. Demnächst wird das Team genauer untersuchen, welches Ausmaß an Unregel­mäßig­keiten im Material das größte Maß an Thermo­elektrizität erzeugt.

TU Wien / DE

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