28.06.2012

Tiangong-1: Chinas Aufbruch in die Weltraumforschung

Chinas erste Raumstation hat vor allem bewiesen: sie funktioniert! Der bemannte Zubringer Shenzhou-9 ist nun auf dem Rückweg zur Erde.

Gut zwanzig Jahre nach dem Beginn des ambitionierten Raumfahrtprogramms ist es vollbracht: Chinas erste Raumstation ist im Orbit. Seit dem 29. September 2011 ist Tiangong-1 in einem niedrigen Erdorbit. Dieser „Himmelspalast“ ist ein logischer Schritt in einer erstaunlich kurzen Reihe bemannter Raumflüge. Nach dem ersten Teststart des Shenzhou-Raumschiffs 1999 brauchten die Techniker nur vier weitere Flüge mit Dummies und Tieren, 2003 erfolgte der erste bemannte Flug mit Taikonaut Yang Liwei. Nur neun Jahre und drei bemannte Missionen später gelang nun die Kopplung mit einer voll besetzten Shenzhou-Kapsel. Die drei Taikonauten waren am 16. Juli 2012 gestartet, blieben fast zehn Tage an Bord und befinden sich mittlerweile auf dem Rückweg zur Erde. Ihre Kapsel soll am Freitag gegen 4 Uhr (MESZ) in der inneren Mongolei aufsetzen.

Schritt für Schritt

Kommandant Jing Haipeng, Liu Wang und die erste Chinesin im All, Liu Yang, schwebten letzte Woche in einen beengten Himmelspalast ein. Das tubusförmige Stationsmodul besitzt einen 15 Kubikmeter großen druckbeaufschlagten Raum, der selbst dem Volumen der kleineren Modulen auf der Internationalen Raumstation (ISS) nicht mithalten kann. „Das ist die kleinste jemals gestartete Raumstation“, sagt auch Volker Schmid, der beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt die ISS-Fachgruppe leitet. „Aber die Chinesen sind sehr ambitioniert und wollen mit Nachdruck aufholen.“

Abb.: Dockingmanöver des magischen Schiffs Nr. 8 (r.) mit dem Himmelspalast (Bild: CMSE)

Tiangong-1 besitzt nur, was unbedingt zum Betrieb einer Station nötig ist. An einem Ende sind die Systeme für Andockmanöver, Messvorrichtungen und die Kommunikation untergebracht. Rückseitig befinden sich zwei Schlafnischen, Einrichtungen zur Unterhaltung und ein Fahrradergometer. In einer abgetrennten Sektion sind schließlich Treibstofftanks und die Energieversorgung untergebracht, an der auch die ausgefahrenen Solarzellen montiert sind. Alles Weitere möchten Chinas Ingenieure erst bei den folgenden Stationen erproben.

Zunächst war es für den Betrieb einer Raumstation wichtig, dass Raumschiffe zuverlässig andocken können. Die Volksrepublik wollte dabei nicht das Leben von Taikonauten gefährden und schoss kurz nach dem Start von Tiangong-1 im vergangenen Herbst die unbemannte Mission Shenzhou-8 ins All. Binnen zweier Wochen dockte die Kapsel zweimal automatisch an die Station an – zunächst im Erdschatten, um die vollautomatischen und lasergestützten Sensoren an Bord nicht zu blenden. Durch das erfolgreiche Manöver ermutigt, wiederholten die Techniker am Boden das Manöver schließlich auch bei Sonnenlicht erfolgreich.

„… die Chinesen sind sehr ambitioniert und wollen mit Nachdruck aufholen.“

Volker Schmid, DLR

Diese Fähigkeit besitzen nicht alle Raumfahrtnationen: Bisher verfügten darüber nur Russland, Japan und die Europäische Raumfahrtagentur (ESA) mit ihrem automatischen Transportraumschiff ATV, das die ISS versorgt. Geht beim Andocken etwas schief, kann das die Station beschädigen und im schlimmsten Fall Leck schlagen. Chinas funktionierendes Dockingsystem ist deshalb technologisch nicht zu unterschätzen, auch wenn es noch nicht westlichen Standards genügt: „Der automatische Andockvorgang von Shenzhou an Tiangong war noch recht rabiat“, sagt Volker Schmid zum Ankoppeln der acht Tonnen schweren Raumkapsel. „Das europäische ATV wiegt beinahe dreimal so viel und trotzdem merkt man in der ISS während des Andockens fast nichts. Das liegt an der sensiblen Bahn- und Lagerregelung des ATV.“

Leben auf einer neuen Station

Kurz vor Ende ihrer Mission versuchten es die drei Taikonauten am Montag schließlich auch noch einmal manuell: Sie entfernten sich mit Shenzhou-9 von der Station, um kurz darauf wieder per Handsteuerung am Kopplungsstutzen festzumachen. In den zwei Wochen davor hatten sich die Arbeiten an Bord auf die lebenswichtigen Systeme der Station konzentriert: Laut chinesischen Medien aktivierten die Taikonauten Geräte an Bord und begannen damit, sie ausgiebig zu testen. Dazu gehören Lagekontrolle und die Lebenserhaltung, die in China zwar seit dem Erstflug von Yang Liwei erprobt, aber noch nie über Monate in Betrieb waren. Bisherige Shenzhou-Missionen dauerten zwei Wochen, während Tiangong-1 über ein Jahr im All bleiben soll, um im Abstand einiger Monate zwei Besatzungen zu begrüßen.

Doch trotz ihrer eher rudimentären Bordsysteme ist Chinas erste Station keinesfalls zu unterschätzen: „Tiangong-1 ist nur ein Technologiedemonstrator“, sagt etwa Karl Bergquist, Administrator für internationale Beziehungen bei der Europäischen Raumfahrtagentur ESA in Paris. Auch seinen Kollegen in anderen Raumfahrtagenturen sei völlig klar: Die Nachfolger sind längst konzipiert und China schließt im Orbit schon bald technologisch auf.

Baldiges Ende

Nach dem nächsten bemannten Flug zu Tiangong-1, der noch Ende dieses Jahres starten soll, hat die Teststation bereits ausgedient und wird zum Absturz gebracht. Mit Tiangong-2 soll 2013 eine weitere einfache Station starten, in der erstmals Abwasser und Urin der Insassen zu Brauchwasser aufbereitet werden. Auch Sauerstoff soll an Bord hergestellt werden, was die Dauer der Missionen von derzeit maximal 20 Tagen erhöht.

Doch Missionen mit Besuchszeiten von mehreren Monaten gelingen erst, wenn die Entwicklung eines unbemannten Raumtransporters abgeschlossen ist. Er soll nach 2015 die dritte Generation von Raumstationen versorgen: Tiangong-3 verfügt dann über mehrere Andockstutzen, an denen auch weitere Forschungsmodule ankoppeln können.

Dieser Weg zu einer dauerhaft bemannten Raumstation ist dringend notwendig, um Chinas bemanntes Raumfahrtprogramm auch im Land selbst zu legitimieren. Immerhin sind im Raumfahrthaushalt allein für Tiangong-1 und drei damit verbundene Shenzhou-Missionen rund 19 Milliarden Yuan vorgesehen, umgerechnet 2,4 Milliarden Euro. Erst auf den Nachfolgestationen dürften Taikonauten ähnliche Langzeitexperimente durchführen können, die heute auf der ISS möglich sind.

Karl Urban

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