24.01.2020

Tief aus dem Erdinnern

Analyse von Geoneutrinos belegt hohen Anteil von radioaktiven Zerfällen an Erdwärme.

Unser Planet leuchtet auch dann, wenn er mit dem bloßen Auge nicht zu sehen ist. Grund dafür sind Geoneutrinos, die in radioaktiven Zerfalls­prozessen im Innern der Erde entstehen. Jede Sekunde durchdringen etwa eine Million davon jeden Quadrat­zentimeter der Erd­oberfläche. Das Borexino-Instrument im größten Untergrund­labor der Welt, das Laboratori Nazionali del Gran Sasso in Italien, ist einer der wenigen Detektoren weltweit, die in der Lage sind, die spukhaften Teilchen zu erfassen.
 

Abb.: Das Diagramm zeigt Geoneutrinos aus dem Erdinneren, die vom...
Abb.: Das Diagramm zeigt Geoneutrinos aus dem Erdinneren, die vom Borexino-Detektor gemessen wurden. (Bild: Borexino Coll.)

Bereits seit 2007, also seit über zehn Jahren, sammeln Forscher mit Borexino Daten über Neutrinos. Bis 2019 konnten sie doppelt so viele Ereignisse wie zum Zeitpunkt der letzten Auswertung im Jahr 2015 registrieren – und die Unsicherheit der Messungen von 27 auf 18 Prozent herunter­schrauben, was auch auf neue Analyse­methoden zurückzuführen ist.

„Geoneutrinos sind die einzigen direkten Spuren der radioaktiven Zerfälle, die irgendwo im Inneren der Erde stattfinden und die einen noch unbekannten Teil der Energie erzeugen, die die gesamte Dynamik unseres Planeten antreibt“, erklärt Livia Ludhova, eine der beiden aktuellen wissenschaftlichen Koordinatoren von Borexino und Leiterin der Neutrino-Gruppe des Instituts für Kernphysik am Forschungs­zentrum Jülich.

Den Forschern der Borexino-Kollaboration ist es gelungen, das Signal von Geoneutrinos aus dem Erdmantel, der sich unter der Erdkruste befindet, über den bekannten Beitrag des oberen Erdmantels und der Erdkruste, der Lithosphäre, zu bestimmen. Die Verhältnisse im Inneren der Erde sind in vielerlei Hinsicht einzigartig im gesamten Sonnensystem. Das liegt am intensiven Magnetfeld, der unablässigen vulkanischen Aktivität, der Bewegung der tektonischen Platten und der Mantelkonvektion. Die Frage, aus welchen Quellen sich die innere Wärme der Erde speist, beschäftigt Wissenschaftler bereits seit über 200 Jahren.

„Die Hypothese, dass in der Tiefe keine Radioaktivität mehr vorhanden ist, kann jetzt mit 99-prozentiger Sicherheit ausgeschlossen werden. Das ermöglicht es nun zum ersten Mal, einen Mindestgrenzwert für die Uran- und Thorium-Häufigkeiten im Erdmantel festzulegen“, konstatiert Livia Ludhova.

Die Werte sind für unterschiedliche Erdmodell-Rechnungen interessant. So lässt sich mit hoher – konkret: 85-prozentiger – Wahrscheinlichkeit daraus ableiten, dass radioaktive Zerfalls­prozesse im Inneren der Erde mehr als die Hälfte der inneren Wärme der Erde erzeugen. Die andere Hälfte stammt zum Großteil noch aus der ursprünglichen Formation unseres Planeten. Radioaktive Prozesse in der Erde stellen demnach einen nicht zu vernachlässigenden Teil der Energie bereit, die Vulkane, Erdbeben und das Erdmagnetfeld antreibt.

Die Veröffentlichung stellt über die neuen Resultate hinaus eine umfassende physikalische und geologische Analyse vor, die für die nächste Generation von Flüssig-Szintillator-Detektoren zur Messung von Geoneutrinos hilfreich sein wird. Die nächste Heraus­forderung für die Forschung mit Geoneutrinos besteht nun darin, Geoneutrinos aus dem Erdmantel mit größerer Präzision zu messen: vielleicht mit Detektoren, die an verschiedenen Positionen auf unserem Planeten verteilt sind. Ein solcher Detektor wird der Juno-Detektor in China sein, an dem die Jülicher Neutrino-Gruppe ebenfalls beteiligt ist. Der Detektor wird um einen Faktor siebzig größer sein als Borexino, was dazu beiträgt, dass schon in einer kurzen Zeitspanne eine höhere statistische Signifikanz erreicht werden kann. 

FZJ / DE
 

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