08.02.2016

Tiefer Blick in ein einzelnes Molekül

Neue Spektroskopie-Methode erlaubt zerstörungsfreie Messung des Quanten­zu­stands.

Die Wärme lässt nicht nur ganze Atome oder Moleküle zappeln, sondern Wärme­strahlung verändert im Falle von polaren Mole­külen auch den Quanten­zustand der Rotation. Ihn zu messen war bisher nur möglich, indem das Molekül zerstört wurde. Jetzt hat es welt­weit erst­mals eine Forscher­gruppe geschafft, den Rotations­zustand eines Moleküls zerstörungs­frei zu messen. Piet Schmidt und seine Kollegen von der Physikalisch-Technischen Bundes­anstalt verfolgten die Veränderung des Rotations­zustandes eines gefangenen und indirekt laser­ge­kühlten Molekül-Ions – und zwar direkt während des Geschehens. Das ermöglicht eine neue Methode der Präzisions­spektro­skopie mit Anwendungen, die von der Chemie bis hin zu Tests fundamen­taler Physik reichen.

Abb.: Konzeptioneller Aufbau des Experiments: MgH+(orange) und Mg+ (grün) sind gemeinsam in einer linearen Ionenfalle gefangen. Der Ionenkristall wird über Mg+ in den Grundzustand gekühlt. Eine oszillierende Dipolkraft ändert den Bewegungszustand abhängig vom Rotationszustand von MgH+. Dies wird über Mg+ ausgelesen. (Bild: PTB)

Atome können mithilfe von Lasern manipuliert und mit höchster Genauig­keit unter­sucht werden. Dabei kommt der Messung des Quanten­zustands eine zentrale Rolle zu: Leuchtet das Atom bei Bestrahlung mit einem Laser, kennt man seinen Zustand. Viele Atome und die meisten Moleküle können jedoch gar nicht leuchten. Zur Detektion von Mole­külen hat man in der Vergangen­heit daher ausge­nutzt, dass sich diese – abhängig von ihrem Quanten­zustand – bei Bestrahlung mit speziellem Laser­licht in ihre atomaren Bestand­teile zerlegen. Durch die Zerstörung des Moleküls kann so der Quanten­zustand nachge­wiesen werden – aller­dings nur einmal pro Molekül.

Projektleiter Piet Schmidt hat viel Erfahrung dabei, das Problem der Zustands­detektion zu lösen. Er war in der Arbeits­gruppe von Nobel­preis­träger David Wineland an der Entwicklung der Quanten­logik­spektro­skopie beteiligt und baute sie selber zur Photonen-Rück­stoß-Spektro­skopie aus. Bei diesen neuen Spektro­skopie-Methoden ist das Prinzip immer das­selbe: Man stellt dem zu messenden Teilchen ein zweites zur Seite, das man gut mani­pulieren und detek­tieren kann. Durch die elek­trische Abstoßung sind die beiden gefangenen Ionen wie mit einer starken Feder verbunden, sodass sie alle Bewegungen synchron aus­führen. So kann man an einem Teilchen messen, um die Eigen­schaften des anderen Teilchens zu ermitteln. Konkret verwenden Schmidt und Kollegen ein­mole­kulares MgH+-Ion für die Unter­suchung und ein atomares Mg+-Ion für die Messungen. Sie fangen die beiden einzelnen Teilchen in einer Ionen­falle zwischen elek­trischen Feldern ein. Dann kühlen sie sie mit­hilfe von Lasern bis in den Grund­zustand, in dem die synchrone Schwingung der beiden Teilchen fast zum Still­stand kommt.

Was jetzt folgt, ist neu: Um herauszufinden, in welchem quanten­mecha­nischen Rotations­zustand sich das Molekül gerade befindet, benutzen die Wissen­schaftler einen weiteren Laser, der einer optischen Pinzette ähnelt. Mit diesem können Kräfte auf das Molekül ausgeübt werden. „Der Laser rüttelt an dem Molekül, aber nur dann, wenn es sich gerade in einem ganz bestimmten Rotations­zustand befindet“, erläutert Team-Mitglied Fabian Wolf. „Die Wirkung – eine Anregung der gemeinsamen Bewegung von Molekül und Atom – können wir über das Atom mit­hilfe von weiteren Lasern nach­weisen. Leuchtet das Atom, war das Molekül im ausge­wählten Rotations­zustand, ansonsten nicht.“

„Durch den zerstörungsfreien Nachweis konnten wir live beobachten, wie das Molekül von der Wärme­strahlung in den Rotations­zustand gebracht wird und wann es von diesem in einen anderen springt. Dies ist das erste Mal, dass solche Quanten­sprünge in einem isolierten Molekül direkt beobachtet werden konnten. Außerdem haben wir genauer als je zuvor die Übergangs­frequenz zu einem elek­tronisch ange­regten Zustand gemessen“, sagt Piet Schmidt. Er formuliert auch das weitere Ziel: „Wir wollen als nächstes jenen quanten­mecha­nischen Zustand, der jetzt noch von der thermischen Umgebungs­strahlung quasi zufällig herge­stellt wird, gezielt selber präpa­rieren.“

Schon jetzt sind die Forscher sicher, dass ihre Entwicklung bei denjenigen Kollegen für Aufsehen sorgen wird, die eine solch präzise Spektro­skopie-Methode benötigen: etwa bei Chemikern, die mehr über das Innen­leben von Mole­külen heraus­finden wollen, oder bei Astronomen, die über die Spektren von kalten Mole­külen etwas über astro­physika­lische Phänomene und die Entstehung des Universums lernen wollen. Oder bei jenen Physikern, die nach möglichen Änderungen von Natur­konstanten oder bislang verborgenen Eigen­schaften von Elementar­teilchen suchen, etwa nach einem möglichen Dipol­moment des Elektrons. Solche Tests fundamen­taler Physik waren auch für Schmidt die Moti­vation für die Entwicklung der neuen Detektions­methode. „Um diese Anwendungen zu erschließen, müssen wir die optische Spektro­skopie an Molekül-Ionen auf ein Niveau heben, wie wir es bei optischen Uhren jetzt schon mit Atomen schaffen“, gibt Schmidt das Ziel vor. „Dazu müssen wir um viele Größen­ordnungen genauer messen, was vermutlich noch einige Jahre dauert.“

PTB / RK

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