Tiefer Blick in ein einzelnes Molekül
Neue Spektroskopie-Methode erlaubt zerstörungsfreie Messung des Quantenzustands.
Die Wärme lässt nicht nur ganze Atome oder Moleküle zappeln, sondern Wärmestrahlung verändert im Falle von polaren Molekülen auch den Quantenzustand der Rotation. Ihn zu messen war bisher nur möglich, indem das Molekül zerstört wurde. Jetzt hat es weltweit erstmals eine Forschergruppe geschafft, den Rotationszustand eines Moleküls zerstörungsfrei zu messen. Piet Schmidt und seine Kollegen von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt verfolgten die Veränderung des Rotationszustandes eines gefangenen und indirekt lasergekühlten Molekül-Ions – und zwar direkt während des Geschehens. Das ermöglicht eine neue Methode der Präzisionsspektroskopie mit Anwendungen, die von der Chemie bis hin zu Tests fundamentaler Physik reichen.
Abb.: Konzeptioneller Aufbau des Experiments: MgH+(orange) und Mg+ (grün) sind gemeinsam in einer linearen Ionenfalle gefangen. Der Ionenkristall wird über Mg+ in den Grundzustand gekühlt. Eine oszillierende Dipolkraft ändert den Bewegungszustand abhängig vom Rotationszustand von MgH+. Dies wird über Mg+ ausgelesen. (Bild: PTB)
Atome können mithilfe von Lasern manipuliert und mit höchster Genauigkeit untersucht werden. Dabei kommt der Messung des Quantenzustands eine zentrale Rolle zu: Leuchtet das Atom bei Bestrahlung mit einem Laser, kennt man seinen Zustand. Viele Atome und die meisten Moleküle können jedoch gar nicht leuchten. Zur Detektion von Molekülen hat man in der Vergangenheit daher ausgenutzt, dass sich diese – abhängig von ihrem Quantenzustand – bei Bestrahlung mit speziellem Laserlicht in ihre atomaren Bestandteile zerlegen. Durch die Zerstörung des Moleküls kann so der Quantenzustand nachgewiesen werden – allerdings nur einmal pro Molekül.
Projektleiter Piet Schmidt hat viel Erfahrung dabei, das Problem der Zustandsdetektion zu lösen. Er war in der Arbeitsgruppe von Nobelpreisträger David Wineland an der Entwicklung der Quantenlogikspektroskopie beteiligt und baute sie selber zur Photonen-Rückstoß-Spektroskopie aus. Bei diesen neuen Spektroskopie-Methoden ist das Prinzip immer dasselbe: Man stellt dem zu messenden Teilchen ein zweites zur Seite, das man gut manipulieren und detektieren kann. Durch die elektrische Abstoßung sind die beiden gefangenen Ionen wie mit einer starken Feder verbunden, sodass sie alle Bewegungen synchron ausführen. So kann man an einem Teilchen messen, um die Eigenschaften des anderen Teilchens zu ermitteln. Konkret verwenden Schmidt und Kollegen einmolekulares MgH+-Ion für die Untersuchung und ein atomares Mg+-Ion für die Messungen. Sie fangen die beiden einzelnen Teilchen in einer Ionenfalle zwischen elektrischen Feldern ein. Dann kühlen sie sie mithilfe von Lasern bis in den Grundzustand, in dem die synchrone Schwingung der beiden Teilchen fast zum Stillstand kommt.
Was jetzt folgt, ist neu: Um herauszufinden, in welchem quantenmechanischen Rotationszustand sich das Molekül gerade befindet, benutzen die Wissenschaftler einen weiteren Laser, der einer optischen Pinzette ähnelt. Mit diesem können Kräfte auf das Molekül ausgeübt werden. „Der Laser rüttelt an dem Molekül, aber nur dann, wenn es sich gerade in einem ganz bestimmten Rotationszustand befindet“, erläutert Team-Mitglied Fabian Wolf. „Die Wirkung – eine Anregung der gemeinsamen Bewegung von Molekül und Atom – können wir über das Atom mithilfe von weiteren Lasern nachweisen. Leuchtet das Atom, war das Molekül im ausgewählten Rotationszustand, ansonsten nicht.“
„Durch den zerstörungsfreien Nachweis konnten wir live beobachten, wie das Molekül von der Wärmestrahlung in den Rotationszustand gebracht wird und wann es von diesem in einen anderen springt. Dies ist das erste Mal, dass solche Quantensprünge in einem isolierten Molekül direkt beobachtet werden konnten. Außerdem haben wir genauer als je zuvor die Übergangsfrequenz zu einem elektronisch angeregten Zustand gemessen“, sagt Piet Schmidt. Er formuliert auch das weitere Ziel: „Wir wollen als nächstes jenen quantenmechanischen Zustand, der jetzt noch von der thermischen Umgebungsstrahlung quasi zufällig hergestellt wird, gezielt selber präparieren.“
Schon jetzt sind die Forscher sicher, dass ihre Entwicklung bei denjenigen Kollegen für Aufsehen sorgen wird, die eine solch präzise Spektroskopie-Methode benötigen: etwa bei Chemikern, die mehr über das Innenleben von Molekülen herausfinden wollen, oder bei Astronomen, die über die Spektren von kalten Molekülen etwas über astrophysikalische Phänomene und die Entstehung des Universums lernen wollen. Oder bei jenen Physikern, die nach möglichen Änderungen von Naturkonstanten oder bislang verborgenen Eigenschaften von Elementarteilchen suchen, etwa nach einem möglichen Dipolmoment des Elektrons. Solche Tests fundamentaler Physik waren auch für Schmidt die Motivation für die Entwicklung der neuen Detektionsmethode. „Um diese Anwendungen zu erschließen, müssen wir die optische Spektroskopie an Molekül-Ionen auf ein Niveau heben, wie wir es bei optischen Uhren jetzt schon mit Atomen schaffen“, gibt Schmidt das Ziel vor. „Dazu müssen wir um viele Größenordnungen genauer messen, was vermutlich noch einige Jahre dauert.“
PTB / RK