Tieferes Verständnis von Quanteneffekten in Wasser
Eine neue Methode zur detaillierten Untersuchung der Struktur ungeordneter Oxide führt zu einem verfeinerten theoretischen Modell für die Struktur von Wasser.
Forscher in Grenoble haben eine neue Methode zur detaillierten Untersuchung der Struktur ungeordneter Oxide wie Wasser in biologischen Prozessen oder von Gläsern in Lasern und nachrichtentechnischen Komponenten entwickelt. Dabei verwendeten sie Sauerstoffisotope für die Messung feiner, aus der Quantenmechanik folgender Unterschiede zwischen der molekularen Anordnung von leichtem und schwerem Wasser. Dank diesem neuen Verfahren konnte ein Team vom Institut Laue-Langevin (ILL), der Universität Bath, dem Oak Ridge National Laboratory und der Universität Stanford ein verfeinertes theoretisches Modell für die Struktur von Wasser bestätigen.
Abb.: In dieser molekulardynamischen Pfadintegral-Simulation sind die Sauerstoff-Isotope rot eingefärbt, Wasserstoff weiß. Da deren Positionen quantenmechanisch unbestimmt sind, ergibt sich für jeden möglichen Ort eine weiße Blase. (Bild: ILL)
Dabei verwendeten die Wissenschaftler Sauerstoffisotope für die Messung feiner, aus der Quantenmechanik folgender Unterschiede zwischen der molekularen Anordnung von leichtem und schwerem Wasser. Um mehr über die Position bestimmter Atome innerhalb der Probe herauszufinden, griffen sie zu einem Isotopensubstitution genannten Trick, bei dem die Streulänge eines bestimmten Elements durch Substitution eines seiner Isotope durch ein anderes „abgestimmt“ wird. Damit können sie die Struktur der Nachbarschaft um die Atome des gewählten Elements herum genau analysieren.
In der modernen Strukturanalyse ersetzen Forscher üblicherweise Wasserstoff durch sein schwereres Isotop Deuterium, um die Positionen von Atomen in Wasser oder anderen Wasserstoff enthaltenden Materialien zu bestimmen. Diese „H/D-Substitution“-Methode ist auch bei der Analyse von Wasserstoffspeichermaterialien oder Brennstoffzellen üblich. Bei Neutronenstreuung gibt es jedoch Probleme mit der H/D-Substitution. Die Masse des leichteren Wasserstoffisotops ist vergleichbar mit der des Neutrons, was zu ungenauen Streudaten führt und die Strukturbestimmung schwieriger macht. Außerdem kann man den Unterschied zwischen den Positionen von Wasserstoffatomen in H2O gegenüber denen von Deuteriumatomen in D2O nicht mit H/D-Substitution untersuchen, weil die Methode unterstellt, dass H- und D-Atome dieselbe Position haben.
Bisher war die Annahme vorherrschend, dass der Unterschied in der Streulänge zwischen diesen Isotopen zu gering ist, um die Methode der Isotopensubstitution bei Neutronenstreuung anwenden zu können. Das Team am ILL konnte mithilfe der Neutroneninterferometrie zeigen, dass der Unterschied zwischen der Streulänge zweier verschiedener Sauerstoffisotope tatsächlich sechsmal größer ist, als in der Literatur berichtet.
Die Forscher verglichen ihre Ergebnisse mit quantenmechanischen Vorhersagen mittels Pfadintegralmethoden, um zu sehen, ob sie eine gewisse Unsicherheit im Strukturmodell für flüssiges Wasser klären können. Frühere mathematische Modelle nahmen häufig einfache starre Moleküle an, bei denen sich die Bindungslänge nicht ändert. Jetzt stellte sich aber heraus, dass solche Modelle nicht ausreichen, um den Quanteneffekten Rechnung zu tragen, die zu den beobachteten Strukturunterschieden zwischen H2O und D2O führen. Quantenmechanische Effekte bewirken eine Unschärfe in den Positionen der H- und D-Atome in einem Wassermolekül, und weil D doppelt so schwer ist wie H, ist der Unschärfeeffekt für D geringer als für H. Dies führt zu den beobachteten Strukturunterschieden, die man mit einem besser angepassten flexiblen Modell für das Wassermolekül vorhersagen kann.
ILL / OD