16.02.2021

Topologie auf Knopfdruck

Frei programmierbare topologische Randzustände schalten zwischen rhomboedrischem und bernalem Graphen.

Elektronen in Festkörpern können nur bestimmte Energien besitzen, die sich in Form von Bändern bemerkbar machen. In den letzten Jahren wurde experimentell gezeigt, dass sich der Bereich der möglichen Energien für Elektronen durch das Verdrehen zweier Graphen­schichten relativ zueinander steuern lässt. Unter geeigneten Bedingungen ist der Bereich der möglichen Energien sehr schmal, was zu einem „flachen Band" führt. Wie die Forschungs­ergebnisse bewiesen, treten in diesen flachen Bändern aufgrund der starken Wechsel­wirkungen zwischen den Elektronen exotische Quanten­phänomene wie Supraleitung und Magnetismus auf. 
 

Abb.: STS-LDOS-Karte, die das Auftreten von Randzuständen zeigt. Ein externes...
Abb.: STS-LDOS-Karte, die das Auftreten von Randzuständen zeigt. Ein externes Verschiebungsfeld öffnet eine Lücke auf bernalem und rhomboedrischem Graphen. (Bild: C. Rubio-Verdú)

Eine neue Arbeit von Forschern der Columbia University in den USA, des Max-Planck-Instituts für Struktur und Dynamik der Materie (MPSD) und der RWTH Aachen zeigt, dass vierlagiges rhombo­edrisches Graphen ein neues Material ist, mit dem sich flach­band­basierte Quanten­phänomene auf natürliche Weise realisieren lassen. Rhombo­edrisches Graphen ist seit vielen Jahren bekannt und eng verwandt mit bernalem Graphen, der stabileren und häufigeren Form von Graphit. Rhombo­edrisches Graphen kann aus bernalem Graphen durch einfaches Verschieben der einzelnen Schichten zueinander gebildet werden, ist jedoch instabil und verwandelt sich leicht wieder in bernales Graphen zurück. 

Das Team hat nun eine neue, einfache und robuste Methode zur Herstellung mikrometer­großer Regionen aus gleichmäßigem, rhombo­edrischem, vierlagigem Graphen demonstriert. Werden zwei Schichten aus zweilagigem Graphen leicht verdreht, entsteht ein neues Material, in dem dreieckige Regionen von rhomboedrischem Graphen zwischen Regionen von bernalem Graphen eingeschlossen sind. Das Forschungsteam zeigt, dass die Elektronen in den rhomboedrischen Graphen-Regionen energetisch eng begrenzt sind, was die geeigneten Bedingungen für die Beobachtung von Quanten­phänomenen erzeugt. 

Außerdem bewies das Team, dass die möglichen Energien für Elektronen durch Anlegen eines statischen elektrischen Feldes manipuliert werden können. Beim Anlegen eines solchen elektrischen Feldes zeigte sich eine Überraschung: Die Elektronen waren in engen Regionen, den topologischen Rand­zuständen, zwischen dem rhomboedrischen und dem bernalen Graphen eingeschlossen. Da das elektrische Feld nach Belieben ein- und ausgeschaltet werden kann, ist dieses neue Material ein ideales, programmierbares topologisches Quanten­material. Dies ist von möglicher Bedeutung für das topologische Quanten­computing, wo topologisch geschützte Kanten­moden Qubits darstellen könnten. 

„Es ist faszinierend, wie konkurrierende strukturelle und elektronische Wechsel­wirkungen kohärent zusammen­wirken und die makroskopischen Eigenschaften einiger weniger Graphenschichten beeinflussen können“, sagen die MPSD-Autoren Dante Kennes, Lede Xian und Angel Rubio. „Wir untersuchen nun, ob ähnliche Phänomene auch in anderen zwei­dimensionalen Hetero­strukturen zu beobachten sind und ob sich das vorgestellte Konzept auf dickere, vielschichtige Proben erweitern lässt, in denen die Verdrehung neuartige topologische drei­dimensionale Phasen einführt.“

Die weitere Erforschung von rhomboedrischem Graphen könnte Antworten auf grundlegende Fragen liefern, zum Beispiel hinsichtlich der Bedeutung von Moiré-Potentialen und den nahe ganzzahligen Füllungen erzeugten emergenten Phasen wie der Supraleitung. Die chirale Natur der abstimmbaren topologischen Rand­zustände in rhomboedrischem Graphen macht es auch von großem Interesse für die Beobachtung gyrotroper Effekte und in Richtung des Floquet-Engineerings. 

„Diese Arbeit eröffnet neue Wege zur Kontrolle und zum Design von Phänomenen in korrelierten und topologischen Materialien“, schließt MPSD-Theorie-Direktor Ángel Rubio. Abhay Pasupathy, Professor für Physik an der Columbia University, und Postdoc-Stipendiatin Carmen Rubio-Verdù stimmen dem zu: „Die topologischen und Quanten­eigenschaften, die wir entdeckt haben, waren für uns überraschend. Wir freuen uns darauf, diese Material­klasse weiter zu erforschen und sind gespannt, welche weiteren Quanten­überraschungen auf uns warten.“

MPSD/ DE
 

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