18.11.2015

Topologische Isolatoren: Schichten statt Mischen

Gewünschte Leitungs­eigen­schaften lassen sich genauer und zuver­läs­siger ein­stel­len als bis­her mög­lich.

Eine zu starke Erwärmung von Computer­chips ist ein großes Hindernis für die Ent­wick­lung schnel­lerer und leis­tungs­fähigerer Rechner und Mobil­tele­fone. Abhilfe ver­sprechen die erst vor wenigen Jahren entdeckten topo­logi­schen Isola­toren, die Strom mit geringerem Wider­stand und weniger Wärme­entwick­lung leiten als her­kömm­liche Materi­alien.

Abb.: Die Darstellung der Energie­niveaus der Ober­flächen­elektronen im reziproken Raum zeigt den Bereich maximaler Energie­effizienz an. Er befindet sich dort, wo die Spitzen der Doppel­kegel auf Höhe des Fermi-Niveaus (graues Band) liegen (mittlerer Doppel­kegel), und gibt das höchste Energie­niveau an, das ein Elektron im unter­suchten Material ohne äußere Energie­zufuhr besitzt. Durch Varia­tionen der Schicht­dicke lassen sich die Kegel verändern und mit ihnen die Bedingungen für den Spin-Transport (rot: Leitungs­band, grün: Valenz­band; Bild: FZ Jülich)

To­po­lo­gische Isolatoren sind im Material­inneren praktisch Isolatoren, aber an ihren Ober­flächen und Rändern leiten sie elek­trischen Strom fast wie auf Schienen: schneller, mit geringerem Wider­stand und weniger Wärme­entwick­lung als herkömm­liche Materi­alien. Zusätzlich fungieren die Schienen für Elektronen als Einbahn­straße. Der Eigendrehimpuls der Elektronen bestimmt, in welche Richtung die Elek­tronen fließen können. Auch diese Material­eigen­schaft ist nützlich für die Infor­mations­verar­beitung und könnte die Entwicklung neuer spin­tronischer Bau­elemente ermög­lichen.

Forscher des Jülicher Peter-Grünberg-Instituts und der RWTH Aachen zeigten nun, wie sich die Leit­fähig­keit und der Energie­bedarf dieser Materi­alien optimieren lassen. Ihr Erfolgs­rezept lautet stark verein­facht: schichten statt mischen. Detlev Grütz­macher vom PGI hatte die entschei­dende Idee: „Anstatt zwei Halbleiter unter­schied­lichen Typs wie üblich zu legieren, um daraus einen topolo­gischen Isolator zu gewinnen, haben wir mittels Mole­kular­strahl­epitaxie beide Halb­leiter Atom­schicht für Atomschicht aufeinander geschichtet, dies wiederum auf einer Silizium­träger­schicht.“ Molekular­strahl­epitaxie ist eine hoch­präzise Methode, dünne kristal­line Schichten herzu­stellen, und wird zunehmend nicht mehr nur in der Forschung sondern auch zur industriellen Produk­tion von Halb­leiter­struk­turen eingesetzt.

Auf diese Weise konnten die Forscher den atomaren Aufbau exakt kontrol­lieren, was sie mit ultra­hoch­auflö­sender Elek­tronen­mikro­skopie dokumen­tierten. „Die perfekte atomare Zusammen­setzung topolo­gischer Isola­toren ist ganz entscheidend für die elektro­nischen Eigen­schaften und damit die Energie­effizienz, aber bei Legierungen nur schwer kontrollierbar“, erläutert Lukasz Plucinski vom PGI.

Welche Schichtdicken mit optimalen Leitungs­eigen­schaften einhergehen, fanden die Forscher mit winkel­aufge­löster Photo­emis­sions­spektro­skopie heraus. Dabei werden Proben mit Photonen beschossen, die Elektronen aus dem Material heraus­lösen. Deren Energie und Austritts­winkel werden gemessen und geben Auskunft über die Energie und die Verteilung der Elektronen an der Ober­fläche der Probe.

Abb.: Durch Variation der Schichtdicke von Halb­leiter-Sandwiches aus Silizium (grau), dem n-Halbleiter Wismut-Tellurid (rot), und dem p-Halbleiter Antimon-Tellurid (grün), lassen sich topo­logische Isola­toren maß­schneidern. Die Jülicher und Aachener Forscher prüften die Qualität ihrer mittels Mole­kular­strahl­epitaxie erzeugten Schichten sie mit ultra­hoch­auf­lösender Raster­elektronen­mikro­skopie. Auf der linken Würfel­kante sind die atomaren Lagen zu erkennen. (Bild: FZ Jülich)

Topologische Isolatoren können grundsätzlich auch mit Hilfe externer elektri­scher Felder in Halb­leiter­legie­rungen und anderen Materi­alien erzeugt werden. Bei der Sandwich­methode, die die Wissen­schaftler im Rahmen der Jülich Aachen Research Alliance gemeinsam entwickelt haben, ist dieser tech­nische Aufwand unnötig und das Träger­material Silizium vereinfacht eine spätere Integration in Anwendungen.

Im vom PGI koordinierten Virtuellen Institut für topologische Isolatoren erforschen Wissen­schaftler darüber hinaus weitere Nutzungs­möglich­keiten des neuen Materials in der Grund­lagen­forschung. So könnte es zum Beispiel den Nachweis neuer bisher nur theore­tisch vorher­gesagter Quanten­phänomene ermög­lichen, etwa von Quasi­partikeln aus Elektronen und Leitungs­löchern, die ein topolo­gisches Exziton-Kondensat bilden.

FZJ / OD

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