22.10.2012

Transparente Mikrobauteile schneller und effizienter in 3D fertigen

Selektives Laserinduziertes Ätzen (ISLE) zeichnet sich durch eine große Materialeffizienz aus.

Quarzglasröhrchen mit einem Durchmesser von einem Millimeter und einer Wandstärke von neun Mikrometern, Lochfelder mit Bohrungsdurchmessern von 50 Mikrometern, Mikrofluidikbauteile für die medizinische Diagnostik mit Kanälen von weniger als zehn Mikrometern Durchmesser: Die Abmessungen von Bauteilen in der Feinmechanik, der Medizin- und der Messtechnik werden zunehmend kleiner bei gleichzeitig steigender Komplexität. Beispielsweise müssen für die Uhrenindustrie sogenannte Uhrensteine präzise gefertigt und anschließend montiert werden. Derzeit werden diese Mikrobauteile von erfahrenen Fachkräften manuell durch Schleifen und Polieren hergestellt und montiert, was einen hohen Zeitaufwand erfordert. Zudem sind abtragende Verfahren stets mit Materialverlust von typischerweise achtzig Prozent verbunden, was je nach Material einen erheblichen Kostenfaktor darstellt. Aufgrund der geringen Größe der Mikrobauteile sind transparente, also „farblose“, Materialien für die manuelle Bearbeitung nicht geeignet, da sie für den Facharbeiter nicht gut genug sichtbar sind. In der Regel greifen Hersteller daher auf Rubin zurück, da dieses Material neben der Materialeigenschaft der großen Härte auch eine gut sichtbare, rötliche Färbung aufweist.

Abb.: ISLE-gefertigtes Mikrozahnrad im Größenvergleich. (Bild: Fh.-ILT, V. Lannert)

Am Fraunhofer ILT wurde in Kooperation mit dem Lehrstuhl für Lasertechnik LLT der RWTH Aachen University ein Laserfertigungsverfahren entwickelt, mit dem sich der Fertigungsprozess von Mikrobauteilen aus transparenten Materialien zeitlich verkürzen sowie Material und Energie einsparen lässt. Nun haben die Experten das Selektive Laserinduzierte Ätzen (in-volume selective laser etching, ISLE) auf die Herstellung zusammengesetzter und montierter Bauteile übertragen. Damit wird eine Justierung und Montage der einzelnen Komponenten in mikromechanischen Systemen überflüssig. Die Belichtungszeit eines Zahnrades, das bereits auf einer Welle montiert und in einem Gehäuse eingebaut ist, beträgt nur noch rund 15 Minuten.

Der Prozess läuft folgendermaßen ab: Mittels ultrakurz gepulster Laserstrahlung wird ein transparentes Werkstück mit 3D-Auflösung im Volumen genau dort belichtet, wo Material entfernt werden soll. Das Material wird chemisch und physikalisch so verändert, dass es selektiv ätzbar wird. Im anschließenden nasschemischen Ätzprozess wird das belichtete Material entfernt, während das unbelichtete Material vom Ätzprozess nahezu nicht beeinflusst wird. Auf diese Weise lassen sich Mikrokanäle, Formbohrungen, strukturierte Bauteile sowie komplexe, zusammengesetzte, mechanische Komponenten und Systeme herstellen. Das ISLE-Verfahren kann neben Rubin auch für Saphir oder Glas verwendet werden. Es ist reproduzierbar und in der Lage, serienidentische Geometrieanforderungen der Bauteile zu gewährleisten. Dabei bietet das ISLE-Verfahren eine große Geometrie- und Designfreiheit. Formgenauigkeiten kleiner einem Mikrometer sowie Schnittfugen und Bohrungen mit extrem großen Aspektverhältnissen aufgrund des kleinen Fokusvolumens zeichnen das ISLE-Verfahren besonders aus. Mit dem ISLE-Verfahren lässt sich eine große Material- und Energieeffizienz realisieren, die mit abtragenden Verfahren auch bei fortschreitender Entwicklung prinzipiell nicht erreicht werden kann.

Abb.: Auf einer Welle montiertes Zahnrad von drei Millimetern Durchmesser, mittels ISLE aus einem Quarzglas-Block gefertigt (Bild: Fh.-ILT)

Die zentrale Aufgabe der Aachener Forscher besteht nun darin, das ISLE-Verfahren den Herstellern von Mikrobauteilen zur Verfügung zu stellen. „Wir arbeiten an der kontinuierlichen Verbesserung der Skalierbarkeit unseres Verfahrens, um den zukünftigen Transfer von der Forschungseinrichtung in die industrielle Fertigung zu ermöglichen“, erklärt Dagmar Schaefer, Gruppenleiterin am Fraunhofer ILT. „Je nach Anwendung wird das ISLE-Verfahren individuell an die Anforderungen des Kunden angepasst. Die Erfüllung der geforderten Bauteilspezifikationen bei gleichzeitig ausreichend schneller Strukturierung ist für uns die größte Herausforderung.“

Die Geschwindigkeit der Belichtung liegt derzeit bei mehreren hundert Millimetern pro Sekunde. Ziel ist eine Steigerung auf mehrere Meter pro Sekunde. Für die Belichtung eines montierten, drei Millimeter großen Zahnrades von derzeit 15 Minuten würde dies eine Verringerung um den Faktor 10 bedeuten. Mittelfristig soll durch die Vergrößerung der Laserleistung und der Repetitionsrate sowie der Verwendung schnellerer Strahlablenkungssysteme das Potenzial des entwickelten Verfahrens für eine individualisierte Massenproduktion realisiert werden. Die Fertigung von Mikrobauteilen in Klein- und Großserien soll ebenso wie die Massenproduktion individualisierter Bauteile dadurch kosteneffizienter und flexibler werden.

Fh.-ILT / OD

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