Treibhaus oder Eiszeit?
Wenige Filme haben Medien, Wissenschaftler und Kinogänger bereits vor ihrem Start so bewegt, wie «The Day After Tomorrow».
Treibhaus oder Eiszeit?
Hamburg (dpa) - Wenige Filme haben Medien, Wissenschaftler und Kinogänger bereits vor ihrem Start so bewegt, wie «The Day After Tomorrow» (Übermorgen). Klar ist, dass Regisseur Roland Emmerich in Hollywoodmanier übertreibt, wenn er eine Eisschicht über weite Teile der Nordhalbkugel legt. Aber ebenso unbestritten lehnt sich der Film an die aktuellen Klimaszenarien an. «Natürlich rafften wir aus Spannungsgründen den Zeitabschnitt, innerhalb dessen sich eine Eiszeit vollziehen kann», sagt Produzent Mark Gordon. «Doch die Theorie nach der die globale Erwärmung auch abrupte Klimaveränderungen hervorrufen kann, gewinnt immer mehr Anhänger.» Klimaforscher begrüßen den Film, allerdings aus unterschiedlichen Gründen.
«Ich fand den Film als Privatmensch gut und auch politisch. Wissenschaftlich ist er aber Quatsch», sagt Mojib Latif vom Leibniz-Institut für Meereswissenschaften an der Universität Kiel und betont zugleich: «Das heißt jedoch nicht, dass wir kein Klimaproblem haben.» Er mahnt dazu, Kohlendioxid und andere Treibhausgase zu reduzieren. «Ich gehe davon aus, dass wir eine enorme Erwärmung bekommen, die heiße Sommer und sintflutartige Niederschläge bringt.» Es könne zu einer Temperatursteigerung um bis zu 5,8 Grad Celsius kommen, das sei mehr als von der letzten Eiszeit bis heute.
In dem Film bricht wegen der Klimaerwärmung der Golfstrom zusammen - eine Meeresströmung, die bislang warmes Wasser aus den Subtropen bis ins Nordpolargebiet bringt. Diese Wärmepumpe sorgt für die relativ warmen Temperaturen in Nordamerika und Europa. Ein Zusammenbruch könnte nach vielen Klimamodellen zu einer Abkühlung in Europa führen.
«Innerhalb der nächsten Jahrzehnte oder auch Jahrhunderte wird es mit Sicherheit zu keiner Eiszeit kommen», betont jedoch Latif. Erstens werde der Golfstrom nicht versiegen, er werde höchstens vermindert. Und zweitens reiche für eine Eiszeit selbst der Zusammenbruch des Golfstroms auch nicht aus. Eine Eiszeit werde viel eher durch Schwankungen der Erdumlaufbahn um die Sonne ausgelöst.
Nach den Klimamodellen, die eine Störung des Golfstroms prognostizieren, müsse es insgesamt zugleich eine sehr starke Klimaerwärmung geben. Diese könne den Abkühlungseffekt sogar übertreffen.
Auch Stephan Rahmstorf, Ozeanograph vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, sieht keine Eiszeit kommen. Der Film habe aber einen realistischen Hintergrund. Nach seinen Studien kann der Golfstrom durch den menschengemachten Treibhauseffekt durchaus versiegen und dann «eine deutliche Abkühlung um den Nordatlantik herum, mit sehr kalten Wintern» bringen. «Wenn wir ungebremst mit dem Ausstoß von Treibhausgasen weitermachen, könnte dieser Prozess zum Ende dieses Jahrhunderts beginnen.»
Stephan Singer, Klimaexperte der Umweltstiftung WWF, warnt noch vor einer weiteren Katastrophe, falls es wirklich zu einer Eiszeit kommen sollte: «Es ist nicht nur die Kälte, darauf kann man sich einstellen. Doch die Nahrungsmittelversorgung für Europa ist gefährdet», sagte er mit Verweis auf den Weizengürtel von Frankreich über Deutschland bis in die Ukraine.
Auch nach den Aussagen des Klimaforschers Latif wird der landwirtschaftliche Anbau in vielen Regionen gestört - allerdings wegen Wasserknappheit und Hitze eher im Süden, «vor allem in den Regionen, die ohnehin schon von Trockenheit betroffen sind». Wie im Film, in dem US-Bürger nach Süden wandern, prognostiziert auch Latif viele Auswanderer. «Es wird zu extremen Migrationsbewegungen kommen» - allerdings in entgegengesetzte Richtung von Süden nach Norden.
Simone Humml, dpa
Weitere Infos:
Leibniz-Institut für Meereswissenschaften:
http://www.ifm-geomar.dePotsdam-Institut für Klimafolgenforschung:
http://www.pik-potsdam.deZum Film: "The day after tomorrow":
http://www.thedayaftertomorrow.com