12.11.2024

Triebwerke für Wasserstoff

Simulierte Realbedingungen des akustischen Verhaltens von Wasserstoff-Einspritzdüsen.

Europa bereitet sich auf das klima­neutrale Fliegen mit nachhaltig herge­stelltem Wasserstoff vor. Die EU hat vergangenes Jahr ein Projekt ausgeschrieben, mit dem sie die Industrie und Hochschulen bei der Entwicklung eines wasserstoff­betriebenen Mittelstrecken­flugzeugs unterstützen will. Unter anderem müssen Düsentriebwerke auf den neuen Treibstoff umgerüstet werden. Heutige Triebwerke sind für das Verbrennen von Kerosin optimiert. „Wasserstoff verbrennt schneller als Kerosin. Aus diesem Grund erzeugt es kleinere und kompaktere Flammen“, erklärt Nicolas Noiray von der ETH Zürich. Bei der Konstruktion von Wasserstoff-Trieb­werken muss das berücksichtigt werden. Experimente von Noirays Teams liefern dafür nun wichtige Grundlagen. 

Abb.: Flamme einer Wasserstoff-Einspritzdüse.
Abb.: Flamme einer Wasserstoff-Einspritzdüse.
Quelle: ETHZ

Ein Problem sind Vibrationen, welche Inge­nieurinnen und Ingenieure einzudämmen versuchen: In der Brennkammer eines Düsentriebwerks sind um die zwanzig Treibstoff-Einspritz­düsen ringförmig angeordnet. Dort wird der Treibstoff verbrannt, was Schallwellen erzeugt. Diese Schallwellen werden von den Wänden der Brennkammer zurückgeworfen und wirken sich auf die Flammen aus. Vibrationen, die durch die gegen­seitigen Wechsel­wirkungen von Schallwellen und Flammen entstehen könnten, würden das Triebwerk stark belasten. „Die Vibrationen können das Material ermüden, was im schlimmsten Fall Risse und Schäden verursachen würde“, sagt Forscher Abel Faure-Beaulieu. „Bei der Entwicklung von Triebwerken wird deshalb darauf geachtet, dass unter Betriebs­bedingungen keine solchen Vibrationen entstehen.“

Als Inge­nieurinnen und Ingenieure die heutigen Kerosin-Triebwerke entwickelten, mussten sie diese Schwingungen in den Griff bekommen. Das gelang ihnen, indem sie die Form der Flammen und die Geometrie und Akustik der Brennkammer optimierten. Die Art des Treibstoffes hat jedoch einen großen Einfluss auf die Wechselwirkungen von Schall und Flamme. Daher müssen Ingenieure und Forschende nun auch dafür sorgen, dass die Schwingungen in einem neuen Wasserstoff-Triebwerk nicht auftreten. Eine aufwändige Versuchs- und Messanlage ermöglicht es Noiray, die Akustik von Wasserstoff-Flammen zu messen und diese Schwingungen vorherzusagen. Im Rahmen des EU-Projekts Hydea, an dem er gemeinsam mit der Firma GE Aerospace beteiligt ist, testet er Wasserstoff-Einspritz­düsen dieser Firma.

„Mit unserer Anlage können wir die Temperatur und den Druck in einem Triebwerk auf Reise­flughöhe nachbilden“, sagt Noiray. Zudem können die Forschenden die Akustik von verschiedenen Brenn­kammern simulieren und so eine Vielzahl von Messungen durchführen. „Unsere Studie ist die erste ihrer Art, die das akustische Verhalten von Wasserstoff-Flammen unter realen Flug­bedingungen misst.“ In ihren Experimenten verwendeten die Forschenden eine einzige Einspritz­düse. Anschließend nutzten sie ihre Daten, um das akustische Verhalten zahlreicher Düsen, wie sie in einem Triebwerk vorkommen, zu modellieren. 

Die Studie hilft, die Einspritz­düsen zu optimieren und den Weg für ein funktionierendes Wasserstoff-Triebwerk zu ebnen. In wenigen Jahren soll es für erste Tests am Boden bereit sein, und später werden damit die ersten Flugzeuge abheben können. Noiray hält aber weder die Entwicklung der Triebwerke noch die Entwicklung von Wasserstoff-Tanks für die Flugzeuge für die größte Heraus­forderung bei der Überführung der Luftfahrt ins Wasserstoff­zeitalter. „Die Menschheit ist auf den Mond geflogen. Ingenieure werden es auch schaffen, Wasserstoff-Flugzeuge zu entwickeln“, sagt er. 

Doch mit den Flugzeugen alleine ist es nicht getan. Eine große Herausforderung bestehe auch darin, die gesamte Infra­struktur rund um die Wasserstoff-Luftfahrt aufzubauen, etwa ausreichende Mengen klima­neutralen Wasserstoffs herzu­stellen und zu den Flughäfen zu transportieren, sagt Noiray.

ETHZ / JOL

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