Trockenfrüchte im Ionenwind
Neues Verfahren trocknet Lebensmittel schonend, schnell und energieeffizient.
Wird Obst oder Gemüse durch Wärme getrocknet, können Nährstoffe zerstört werden und Aromastoffe verloren gehen. Deshalb ist das nichtthermische Trocknen von Lebensmitteln in der Industrie besonders beliebt. Dabei kommen unter anderem Ventilatoren zum Einsatz. Ein neues, an der schweizerischen Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa entwickeltes Trocknungsverfahren mittels Ionenwind verspricht jetzt ein energieeffizienteres, schnelleres und zudem schonenderes Trocknen von Lebensmitteln.
Das von der Lebensmittelindustrie häufig angewendete nichtthermische konvektive Trocknen von Lebensmitteln mit Hilfe großer Ventilatoren hat einen Haken: Die Trocknung benötigt viel Zeit und Energie. Daher sucht die Branche bereits seit langem nach einer energieeffizienteren Methode. Eine Technologie setzt dabei auf den Ionenwind. Das funktioniert zwar bereits im kleinen Maßstab, scheiterte bislang allerdings beim Hochskalieren auf Industriemaßstab. Forscher der Empa haben jetzt eine energieeffizientere Trocknungsanlage entwickelt, die auf Ionenwind basiert und sich für die Industrieanwendung eignet.
Ein Ionenwind wird nicht durch die drehenden Rotorblätter eines Ventilators erzeugt. Er entsteht, indem etwa ein Metalldraht mit einer positiven Hochspannungsquelle von typischerweise 10.000 bis 30.000 Volt verbunden wird. Der Draht lädt sich dadurch positiv auf und ionisiert die umliegende Luft. Die Elektronen werden dann von dem positiv geladenen Draht angezogen, während die viel schwereren positiv geladenen Ionen vom Draht abgestoßen werden. Die positiven Ionen kollidieren auf ihrem Weg vom Draht zum darunter liegenden geerdeten Kollektor mit anderen Luftmolekülen und stoßen diese an. So entsteht dann der Ionenwind, der auch als elektrohydrodynamischer Luftstrom bezeichnet wird.
Diesen Ionenwind versuchten Forscher mit verschiedenen Ansätzen für die industrielle Trocknung von Lebensmitteln zu nutzen – bisher aber ohne großen Erfolg, da eine Hochskalierung nicht möglich war. Thijs Defraeye und sein Team verfolgten die Idee weiter und variierten diverse Prozessparameter. Als erstes legten die Forscher die zu trocknenden Lebensmittel nicht wie bisher auf eine Platte, sondern verwendeten ein Gitter. Das sei zwar keine spektakuläre Idee, so der Forscher, „aber bis jetzt hat noch niemand diese Anpassung bei der Trocknung mittels Ionenwind in Betracht gezogen.“
Was nach einer kleinen Änderung klingt, macht einen riesigen Unterschied: Das Wasser kann nun an allen Seiten des Gemüses und der Früchte entweichen. Dadurch trocknen die Lebensmittel durch den Ionenwind doppelt so schnell wie auf einer undurchlässigen Oberfläche, die bisher von Forschern weltweit verwendet wurde. Vor allem werden die Früchte und das Gemüse aber auf dem Gitter durch den Ionenwind einheitlicher getrocknet. Im Gegensatz zu den bisher verwendeten Ansätzen der elektrohydrodynamischen Trocknung lässt sich die neue Konstruktion zudem besser hochskalieren – und ist daher auch für die Industrie interessant.
Bei der weiteren Verfeinerung ihres neuen Konzepts setzten die Forscher auf aufwändige Computersimulationen. Dadurch lassen sich verschiedene weitere Anpassungen und deren Einfluss auf den Trocknungsprozess virtuell durchspielen. So kann die Anlage optimiert werden, ohne jedes Mal ein neues Konstrukt physisch erbauen zu müssen.
Doch lassen sich die Ergebnisse der Computerberechnungen auch in die Praxis umsetzen? Lässt sich das Verfahren so tatsächlich optimieren? In Zusammenarbeit mit Forschern der kanadischen Dalhousie University wurde dort im Labor ein erster Prototyp der neuen Trocknungsanlage gebaut. Erste Versuche zeigten in der Tat erhebliche Verbesserungen: Das Trocknen mittels Ionenwind ist deutlich schneller und verbraucht weniger als die Hälfte der benötigten Energie im Vergleich zu herkömmlichen Verfahren. Außerdem werden die Lebensmittel gleichmäßiger getrocknet und die Nährstoffe bleiben besser erhalten. Und zu guter Letzt kann das Verfahren relativ einfach auf Industriemaßstab hochskaliert werden. Zurzeit ist das Team um Defraeye daran, in Zusammenarbeit mit einem Schweizer Detailhändler das Konzept weiterzuentwickeln.
Empa / RK
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