09.02.2007

Tröpfchenweise rechnen

Logische Schaltungen für die Mikrofluidik - zwei Forschergruppen haben komplexe Operationen mit Flüssigkeitströpfchen oder Gasbläschen durchgeführt.



Logische Schaltungen für die Mikrofluidik - zwei Forschergruppen haben komplexe Operationen mit Flüssigkeitströpfchen oder Gasbläschen durchgeführt.

Für viele Untersuchungen in der Chemie oder den Biowissenschaften benötigt man heute nur noch winzige Materialmengen. Deshalb lässt sich mit einem miniaturisierten „Labor auf dem Chip“ eine große Zahl von Analyse- oder Syntheseprozessen parallel durchführen. Hierbei gewinnt die Mikrofluidik eine wachsende Bedeutung: In komplexen Leitungssystemen mit haarfeinen Röhrchen werden feste Substanzen, Tröpfchen oder Gasbläschen mit Hilfe einer Trägerflüssigkeit transportiert, getrennt oder zusammengeführt. Jetzt haben zwei Forschergruppen komplexe Operationen mit Flüssigkeitströpfchen oder Gasbläschen durchgeführt, die die Möglichkeiten der Mikrofluidik erheblich erweitern.

Sowohl das Team von George Whitesides an der Harvard University als auch Manu Prakash und Neil Gershenfeld vom MIT nutzten das Verhalten von laminar durch Röhrensysteme strömenden Flüssigkeiten, in denen Gasbläschen oder Tröpfchen eines anderen Fluids schwimmen. Kommen sich zwei Bläschen oder Tröpfchen zu nahe, so bewegen sie sich in einer Weise, die man für logische Operationen nutzten kann. Dabei spielen die einzelnen Bläschen die Rolle von Bits, die logisch verknüpft werden, wenn die Bläschen an den Kreuzungen des Röhrensystems zusammentreffen und durch unterschiedliche Röhren weiterlaufen.

Dahinter steckt ein verblüffend einfaches Prinzip. Strömt die Flüssigkeit nicht zu schnell durch die Röhren, so bleiben die in ihr schwimmenden Gas- oder Flüssigkeitströpfchen auch an Weggabelungen intakt und entscheiden sich für eine der vorhandenen Röhren. Die Oberflächenspannung eines Tröpfchens verhindert, dass es auseinander gerissen wird. Kommen zwei Tröpfchen mit geringem Abstand nacheinander an eine asymmetrische Gabelung, so entscheidet sich das erste Tröpfchen für die Röhre mit der größeren Strömungsgeschwindigkeit. Sobald es aber in dieser Röhre ist, hemmt es die Strömung und das nachfolgende Tröpfchen wählt die andere Röhre. So wird es möglich, einen Strom von Tröpfchen mit Hilfe von anderen Tröpfchen zu lenken.

George Whitesides und seine Kollegen haben Tintentröpfchen in regelmäßigen Abständen in Hexadekan injiziert, das durch eine 100 µm weite Röhre strömte. Die Röhre verzweigte sich in zwei unterschiedlich lange Teilröhren, die sich nach etwa 2 mm wieder vereinten. Die Tröpfchen kamen mit konstantem Abstand an der Verzweigung an. War die kürzere Teilröhre für jedes neu ankommende Tröpfchen frei, so durchlief es dieses Röhre. Der Abstand der Tröpfchen blieb dabei unverändert. Folgten die Tröpfchen aber zu dicht aufeinander, so war bisweilen noch ein Tröpfchen in der kurzen Teilröhre und das darauf folgende Tröpfchen musste die längere Teilröhre wählen. Der Abstand der beiden Tröpfchen wurde dadurch größer. Aus dem einförmigen Eingangssignal („tap-tap-tap...“) wurde ein Ausgangssignal, das sich erst nach zwei Tröpfchen wiederholte („tap-tap tap-tap...“).

Je nach Abstand der ankommenden Tröpfchen traten auch kompliziertere Ausgangssignale auf, die sich z. B. erst nach 7 Tröpfchen wiederholten. Durch seine Nichtlinearität war der Tröpfchenfluss komplizierter geworden – er war jedoch nicht irreversibel. Das zeigte sich, als die Forscher die Tröpfchen rückwärts durch den Zusammenfluss und die Verzweigung laufen ließen. Die daraus hervorgehenden Tröpfchen hatten wieder konstanten Abstand. Aus dem Signal mit der Periode 7 war also wieder ein Signal mit der Periode 1 geworden. Auf diese Weise konnten die Forscher Informationen, die sie bitweise auf den Tröpfchenfluss „geschrieben“ hatten, verschlüsseln und auch wieder entschlüsseln.

Manu Prakash und Neil Gershenfeld sind noch einen Schritt weiter gegangen. Sie haben logische Bauelemente and andere Komponenten hergestellt, mit denen man ein mikrofluidisches System zu einem einfachen Computer machen könnte. Die Bits waren dabei Stickstoffbläschen, die sich mit strömendem Wasser durch haarfeine, sich verzweigenden und kreuzende Kanäle bewegten. Eine geeignet geformte, asymmetrische Kreuzung funktionierte wie ein kombiniertes AND/OR-Gatter. Die Bläschen erreichten die Kreuzung durch zwei Zuflüsse (A und B) und verließen sie durch zwei unterschiedlich große Abflüsse. Kamen die Bläschen einzeln an die Kreuzung, so wählten sie stets den größeren Abfluss, der die Information „A OR B“ trug. Kamen die Bläschen nahezu gleichzeitig an die Kreuzung, so lief durch beide Abflüsse je ein Bläschen. Der kleineren Abfluss trug somit die Information „A AND B“.

Die MIT-Forscher haben darüber hinaus noch andere Bauelemente hergestellt: ein NAND-Gatter, ein Speicherelement in Form eines bistabilen Schalters, einen Ringoszillator, einen elektrischen Gasblaseninjektor sowie einen Synchronisator, der dafür sorgt, dass zwei Gasblasen nahezu gleichzeitig bei einem logischen Bauelement ankommen. Der Mikrofluidik stehen damit zahlreiche Elemente zur Verfügung, mit denen man einzelne Bläschen in einem „Labor auf dem Chip“ an ihren jeweiligen Bestimmungsort leiten kann. Ein entscheidender Vorteil ist, dass diese Bauelemente ohne bewegliche Teile auskommen. Die Forscher weisen auf die Doppelrolle hin, die die Bläschen spielen können. Neben einem Bit können sie auch chemische Stoffe transportieren. Aus den „Blasenprozessoren“ könnte deshalb so etwas wie ein chemischer Computer werden.

Rainer Scharf

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