22.07.2015

Tropfen von weit oben

Der größte Teil des Niederschlags stammt aus Eiswolken.

Wolken sind der große Unsicherheitsfaktor in Wetter- und Klimaprognosen. Vor allem an den Eiswolken zerbrechen sich Forscher die Köpfe. Wie Leipziger Meteorologen nun belegen konnten, bildet sich darin der Großteil unseres Regens an Land. Das könnte helfen, Wetter und Klima besser vorherzusagen und die Rolle menschengemachter Emissionen in der Atmosphäre für die Entstehung von heftigen Regengüssen zu verstehen.

Abb.: Die cirrus uncinus Unterform der rein aus Eiskristallen bestehenden Zirruswolken (Bild: Fir0002 / wikipedia; CC-BY-SA 3.0)

Benjamin Franklin, einer der Gründerväter der USA und Erfinder des Blitzableiters, vermutete es als Erster bereits Ende des 18. Jahrhunderts: Selbst an heißen Sommertagen entstehen Regentropfen aus Eiskristallen, gebildet in mehreren Kilometern Höhe. Mehr als 230 Jahre später gelang es nun Wissenschaftlern vom Institut für Meteorologie an der Universität Leipzig, mit Hilfe neuer Satelliten­beobachtungen Franklins Vermutung mengenmäßig zu erfassen: Außerhalb der Tropen fallen an Land 99 Prozent des Regens aus Eiswolken. Es war zwar bereits bekannt, dass der meiste Regen nicht aus Flüssigwasserwolken stammt, die in tiefer gelegenen Atmosphären­bereichen vorkommen und aus Wassertröpfchen in flüssiger statt in fester Form bestehen. „Dennoch sind wir über den sehr hohen Prozentsatz erstaunt, den Eiswolken übernehmen“, so Johannes Mülmenstädt. „Unsere Erkenntnisse könnten nun helfen, die Rolle des Menschen besser zu verstehen, die er bei der Entstehung von Regen spielt.“ Innerhalb der Studie hatten die Meteorologen die Daten dreier Satelliten der NASA ausgewertet, die über fünf Jahre hinweg über fünfzig Millionen Regenwolken vermessen haben.

Wolken sind der Ausgangspunkt jedes Regens. Sie bilden sich, wenn Wasser durch die Sonne verdunstet und als feuchte Luft in der Erdatmosphäre aufsteigt. Dabei kühlt sich der Wasserdampf ab. Trifft er auf in der Atmosphäre schwebende, mikroskopisch kleine Partikel, kann daran das Wasser zu Tröpfchen kondensieren. Nach und nach sammelt sich mehr Wasser an, sodass sie zu Regentropfen heranwachsen – bis sie irgendwann nicht mehr von den Aufwinden der Luft gehalten werden können und zu Boden fallen.

Dieser „warme Regen“, also Regen, der sich in Wolken mit Flüssigwasser bildet, ist in den Tropen besonders häufig, vor allem über den Ozeanen. An Land der mittleren Breiten spielt diese Regenform eine untergeordnete Rolle. Vielmehr steigt hier das Wasser weiter in größere, kältere Höhen auf und gefriert zu Eiskristallen. Auch sie werden irgendwann so schwer, dass sie aus den Eiswolken herausfallen und auf dem Weg nach unten wieder flüssig werden, um sich in heftigen Regenfällen zu ergießen.

„Dass es an Land deutlich weniger und dafür umso heftiger regnet als über dem Meer, ist vor allem den Eiswolken als unseren Hauptregenmachern geschuldet“, erklärt Mülmenstädt. Möglicher Grund dafür seien wiederum die menschen­gemachten Emissionen aus Verkehr und Industrie, durch die die Luft über dem Land zum Teil hundert- bis zweihun­dertmal mehr Schwebepartikel enthält. „Dadurch können sich hier deutlich mehr Eiswolken bilden als auf offener See – möglicherweise mit steigender Tendenz“, erklärt der Meteorologe. „Unsere Ergebnisse haben gezeigt, dass über dem Meer immerhin bis zu 15 Prozent des Regens aus flüssigen Wolken heraus­nieseln.“ Denn enthält die Atmosphäre wenige solcher Partikel, kondensiert das Wasser an nur wenigen Sammel­stellen, sodass die Tropfen schnell schwer werden und ausregnen, häufig als Nieselregen. Stehen jedoch viele Schwebe­teilchen zur Konden­sation zur Verfügung, bilden sich mehr und dafür kleinere Tropfen, die weiter in größere Höhen aufsteigen können und zu Eiskris­tallen gefrieren. „Weil sich eine Eiswolke langsamer bildet, regnet es aus ihr zwar seltener, dafür aber dann umso stärker.“

Zudem können die Erkenntnisse helfen, die bisherigen Wetter- und Klima­prognosen zu verbessern: „Bisher sagten die Modelle wesentlich häufigere, jedoch schwächere Regengüsse voraus, als letztlich auftraten, weil man die Rolle der Eiswolken unter­schätzte“, so Mülmenstädt. „Wenn wir nun wissen, dass sie außerhalb der Tropen die wahren Regenmacher sind, lassen sich unsere Vorher­sagen deutlich präzisieren.“

U. Leipzig / DE

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