01.03.2018

Trudelnde Planeten

Gebunden rotierende Planeten können ihre Dreh­achse ändern, sofern sie geo­lo­gisch aktiv sind.

Schon lange wendet der Mond der Erde immer die gleiche Seite zu. Nach seiner Ent­stehung vor etwa 4,5 Milli­arden Jahren drehte sich der Mond zunächst noch schnell um seine Achse. Die Eigen­rota­tion unseres Trabanten ist auf­grund der Gezeiten­kräfte, die die Erde auf ihn aus­übt, aber im Lauf der Jahr­milli­onen zuneh­mend zum Erliegen gekommen. Auch zum Ver­ständ­nis ferner Planeten ist die gebun­dene Rota­tion von beson­derer Bedeu­tung: Denn bei der Suche nach bewohn­baren Planeten im Welt­raum gelten insbe­son­dere erd­ähn­liche Planeten, die rote Zwerg­sterne um­kreisen, als viel­ver­spre­chende Kandi­daten. Solche Planeten lassen sich beson­ders gut beob­achten, da ihre Sterne nicht allzu hell leuchten und sich die Atmo­sphäre dieser Planeten mit der neuen Genera­tion von Tele­skopen unter­suchen lässt.

Abb.: Konvektion im Planetenmantel kann zu einer dras­tischen Ver­schie­bung der Dreh­achse führen. (Bild: J. T. Keane)

Da rote Zwergsterne nur eine sehr geringe Leucht­kraft haben, liegt ihre habi­table Zone, inner­halb der sich Planeten mit flüs­sigem Wasser befinden können, ziemlich nahe an ihrem Stern. Die Gezeiten­kräfte sind ent­spre­chend hoch, wes­halb sich die meisten dieser möglicher­weise lebens­freund­lichen Planeten in einer gebun­denen Rota­tion um einen solchen Stern befinden sollten. Die Model­lie­rung der mög­lichen klima­tischen Bedin­gungen auf diesen Planeten hängt unter anderem von der Frage ab, wie stabil eine solche gebun­dene Rota­tion über­haupt ist: Ist sie so stabil wie beim Mond oder kann sich ihre Orien­tie­rung ändern?

Wie Jérémy Leconte von der Uni Bordeaux nun anhand von Computer­simu­la­tionen heraus­ge­funden hat, können gebunden rotie­rende Planeten durch­aus ihre Aus­rich­tung ändern, wenn sich auf­grund von Konvek­tion heißer Gesteins­massen im Planeten­innern die Träg­heits­momente des Planeten ver­schieben. Frei rotie­rende Körper richten ihre Dreh­achse nach dem größten Träg­heits­moment aus. Die größten Massen auf einem Planeten, etwa Gebirgs­züge, sollten sich des­halb bevor­zugt in der Nähe des Äquators befinden.

„Massenbewegungen in einem Planetenmantel finden auf einer Zeit­skala von einigen Dutzend bis hundert Milli­onen Jahren statt, dement­spre­chend lang dauert auch die Neu­orien­tie­rung der Dreh­achse, die diesen Bewe­gungen folgt“, sagt Leconte. Bei gebunden rotie­renden Planeten geschehen solche Wande­rungen der Dreh­achse sogar beson­ders leicht. Der Grund hier­für liegt in der ver­gleichs­weise lang­samen Rota­tion dieser Körper. Denn schnell drehende Körper setzen nach dem Gesetz der Dreh­impuls­erhal­tung einer Neu­orien­tie­rung der Dreh­achse größeren Wider­stand ent­gegen als lang­sam rotie­rende.

Auf der Erde haben sich wiederholt Verschiebungen der Rota­tions­achse ereignet. Dies lässt sich heute aus Gesteins­proben heraus­lesen: Lava­schichten, die zu Basalt erstarrt sind, haben das Erd­magnet­feld zur Zeit ihrer Ent­stehung in magne­tischen Kris­tallen konser­viert. Da die Achse des Erd­magnet­felds und die Dreh­achse weit­gehend über­ein­stimmen, lässt sich so die geo­graphische Breite der Basalt­schichten zur Zeit ihrer Ent­stehung bestimmen. Manche alte Gesteine scheinen sehr viel weiter von ihrem Fund­ort ent­standen zu sein, als sie allein auf­grund der Platten­tektonik hätten wandern können – ein ein­deutiger Hinweis auf eine Ver­schie­bung der Dreh­achse unseres Planeten. Nicht nur auf der Erde, sondern auch auf anderen Planeten in unserem Sonnen­system lässt sich dieser Effekt beobachten. Man hat dort zwar keinen Zugriff auf weit aus­ein­ander liegende Gesteins­proben. Aber zumindest statis­tische Über­legungen sprechen in vielen Fällen für eine Wande­rung der Planeten­achsen.

Auf dem Mars befindet sich mit dem Olympus Mons, der die umgebende Tief­ebene um 26 Kilo­meter überragt und 22 Kilo­meter Höhe über dem mitt­leren Planeten­niveau besitzt, der höchste Berg unseres Sonnen­systems. Da der Mars keine Platten­tektonik auf­weist, konnten sich nicht – wie auf der Erde – an vielen ver­schie­denen Orten ent­lang der Platten-Bruch­stellen Vulkan­ketten bilden. Statt­dessen war das heiße Magma im Innern des Mars nur an wenigen Stellen stark genug, um die Kruste zu durch­brechen. An diesen Stellen ent­standen dann aber beson­ders mächtige Vulkane. Olympus Mons befindet sich in der Nähe des Äquators – und ver­mut­lich ist er nicht dort ent­standen, sondern die Planeten­achse hat sich nach seiner Ent­stehung so aus­ge­richtet.

Gleiches gilt für die Sputnik Planitia, ein von hohen Bergen flan­kiertes Plateau auf Pluto. Da die Raum­sonde New Horizons bei ihrem Vorbei­flug dort keine Krater ent­decken konnte, ist die Region wahr­schein­lich sogar geo­lo­gisch aktiv: Die Ober­fläche könnte nur wenige hundert­tausend Jahre alt sein. Auch diese geo­lo­gischen Forma­tionen erstrecken sich über den Äquator und sind ver­mut­lich nicht dort ent­standen, sondern dorthin gewandert.

Was solche Neuorientierungen für das Klima auf einem habi­tablen Planeten bedeuten können, hängt wiederum von einer ganzen Reihe von Faktoren ab. Befindet sich bei einem mit seinem Stern gebunden rotie­renden Planeten etwa eine große Wasser- oder Land­masse zentral gegen­über dem Zentral­gestirn, dürfte es zu erheb­lichen klima­tischen Verän­de­rungen kommen, wenn sich diese Masse ver­schiebt und von anderen geo­lo­gischen Forma­tionen abge­löst wird. Da solche Ver­schie­bungen aber auf geo­lo­gischen Zeit­räumen statt­finden, sollten even­tu­elle Lebens­formen einige Zeit besitzen, um sich evo­lu­tionär an die neuen Bedin­gungen an­zu­passen.

Dirk Eidemüller

RK

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