Tür in die Welt der Quasiteilchen geöffnet
Erstmals Ausbreitung quantenmechanischer Verschränkung in einem Vielteilchensystem beobachtet.
Quasiteilchen sind zwar nicht „echt“, dennoch lassen sich mit ihnen physikalische Phänomene in Festkörpern sehr gut erklären. Nun haben Innsbrucker Physiker sie in einem Quantensystem erzeugt und dabei eine neue experimentelle Plattform etabliert, um Quantenphänomene zu studieren. In einer Kette aus gefangenen, ultrakalten Ionen können sie Quasiteilchen erzeugen und deren Eigenschaften sehr exakt kontrollieren und vermessen.
Abb.: Im Labor nutzen die Physiker zwischen sieben und fünfzehn Kalziumionen, die in einer Vakuumkammer gefangen und wie an einer Schnur aufgefädelt sind. Mit Hilfe von Lasern lassen sich die Quantenzustände der einzelnen Ionen präparieren. (Bild: Iqoqi)
„Jedes Teilchen verhält sich wie ein kleiner Quantenmagnet, die sich dann auch gegenseitig beeinflussen“, erklärt Petar Jurcevic. „Wenn wir eines der Teilchen gezielt anregen, werden die anderen Teilchen dadurch beeinflusst. Das kollektive Verhalten beschreiben wir als Quasiteilchen.“ Diese bewegen sich vom Ort der Anregung in beiden Richtungen entlang der Ionenkette. Dabei entstehen Korrelationen zwischen den Teilchen. Die Ausbreitung von Anregungen wurde in den vergangenen Jahren bereits in Experimenten mit neutralen Atomen erforscht. Dabei konnte auch die Entstehung von Korrelationen zwischen den Teilchen gezeigt werden. „Wir haben nun erstmals nachgewiesen, dass es sich hierbei um Quantenkorrelationen handelt“, ergänzt Chrisitan Roos. „Durch die Messung dieser Korrelationen können wir die Quantenverschränkung der Teilchen quantifizieren.“ So konnten die Physiker erstmals zeigen, wie sich die Verschränkung der Teilchen in einem Quantensystem ausbreitet.
Im Gegensatz zu den bisherigen Experimenten ist es den Innsbruckern erstmals auch möglich, die Reichweite der wechselseitigen Beeinflussung der Teilchen genau einzustellen: vom nächsten Nachbarn bis ins Unendliche. So können sie immer neue, andere Quasiteilchen in dem System entstehen lassen. „Auf diese Weise können wir die Quasiteilchen fast nach Belieben manipulieren“, ist der an der Arbeit beteiligte Theoretiker Philipp Hauke begeistert. „Wir haben Jahrzehnte lang gebraucht, bis wir einzelne Quantenteilchen genau kontrollieren und manipulieren konnten. Nun steht uns auch eine Plattform zur Verfügung, mit der wir Quasiteilchen in ähnlicher Weise untersuchen und damit physikalische Phänomene erforschen können, die bisher experimentell nicht zugänglich waren.“ So lässt sich damit zum Beispiel untersuchen, wie ein Quantensystem sein thermisches Gleichgewicht erreicht, ein Prozess, der bis heute noch nicht verstanden ist.
„Ein großes Ziel ist es auch, Quasiteilchen für die Quanteninformationsverarbeitung zu nutzen“, sagt Hauke. Aber auch die Rolle der Quantenphysik in Transportprozessen, wie sie ähnlich auch in der Biologie auftreten, könnte auf dieser Plattform studiert werden. Konkret arbeiten die Physiker um Roos nun an der Idee, erstmals die Wechselwirkung von zwei Quasiteilchen eingehender zu studieren.
U. Ibk. / OD