Tunnelströme in Quanten-Hall-Systemen
Neue Methode offenbart Randströme im Nanometerbereich.
Während Isolatoren keinen elektrischen Strom leiten, gibt es einige Materialien, die über besondere elektrische Eigenschaften verfügen: sie können zwar nicht in ihrem Innern, aber aufgrund von Quanteneffekten an ihrer Oberfläche und an ihren Rändern elektrische Ströme übermitteln, und dies sogar verlustfrei. Diese topologischen Isolatoren stehen seit einigen Jahren im Fokus der Festkörperforschung, da ihre besonderen Eigenschaften technologische Innovationen versprechen – beispielsweise für elektronische Bauelemente.
Abb.: Gemessener Tunnelstrom in Abhängigkeit der beiden angelegten Magnetfelder: Die Fächer aus roten und gelben Kurven entsprechen jeweils einem „Fingerabdruck“ der leitenden Randzustände. (Bild: Dept. Physik, Univ. Basel)
Ähnliche Effekte wie die Randströme in den topologischen Isolatoren zeigen sich auch, wenn ein zweidimensionales Metall bei tiefen Temperaturen einem starken Magnetfeld ausgesetzt wird. Tritt der Quanten-Hall-Effekt ein, fließt Strom nur noch an den Grenzflächen. Dabei bilden sich mehrere stromleitende Bereiche. Bisher war es nicht möglich, diese leitenden Bereiche individuell zu untersuchen beziehungsweise die Position eines einzelnen Randzustands zu messen. Ein neues Verfahren von Physikern der Universität Basel und Kollegen der University of California Los Angeles sowie der Universitäten Harvard und Princeton erlaubt nun erstmals, einen exakten Fingerabdruck der leitenden Bereiche mit einer Auflösung im Nanometerbereich zu erstellen.
Zur Messungen der leitenden Bereiche haben sich die Physiker um Dominik Zumbühl die Tunnelspektroskopie zunutze gemacht. Sie verwenden einen Nanodraht aus Galliumarsenid, der sich auf dem Rand der Probe befindet und parallel zu den Randkanälen verläuft. Elektronen können nun zwischen dem Nanodraht und spezifischen Randzuständen tunneln, falls die Impulse in beiden Systemen übereinstimmen. Mithilfe eines zweiten Magnetfeldes kontrollieren die Wissenschaftler den Impuls der tunnelnden Elektronen, wodurch sie einzelne Randzustände individuell ansteuern können. Aus den gemessenen Tunnelströmen lassen sich die Position und der Verlauf jedes Randzustands mit einer Präzision im Nanometerbereich berechnen.
Wird bei Quanten-Hall-Systemen die Stärke des angelegten Magnetfeldes erhöht, ändert sich die Verteilung der Randzustände und ihre Anzahl sinkt. Mit der neuen Methode konnten die Wissenschaftler erstmals den gesamten Verlauf der Randzustände inklusive ihrer Entstehung bei kleinen Magnetfeldern beobachten. Mit zunehmender Magnetfeldstärke werden die Randzustände zunächst gegen den Materialrand gedrückt und wandern schließlich in die Mitte der Probe, wo sie vollständig verschwinden. Analytische und numerische Modelle, die das Forscherteam erstellt hat, stimmten sehr gut mit den experimentellen Daten überein.
„Wir können diese neue Technik nicht nur zur Untersuchung des Quanten-Hall-Effektes einsetzen“, kommentiert Zumbühl die Ergebnisse der internationalen Zusammenarbeit. „Auch bei der Untersuchung exotischer neuer Materialien wie beispielsweise topologischen Isolatoren, Graphen oder anderer 2D-Materialien erhoffen wir bahnbrechende Erkenntnisse durch Anwendung der neuen Methode.“
U Basel / JOL