06.05.2016

Ultimative Molekülspektroskopie

Frequenzkamm macht für große Mole­küle Tausende von Ab­sorp­tions­linien sicht­bar.

Infrarotspektren von komplexen Molekülen mit hoher Auf­lösung schnell und um­fassend auf­nehmen: Das macht ein von Forschern am JILA in Boulder ent­wickeltes neues Ver­fahren jetzt möglich. Dabei bestrahlen die Wissen­schaftler tief­ge­kühlte Moleküle in einem Hohl­raum­reso­nator mit einem Laser­frequenz­kamm.

Abb.: Die neue Frequenzkamm­spektro­skopie liefert für komplexe Moleküle (hier Nitro­methan) schnell und mit hoher Auf­lösung eine große Fülle von Infor­ma­tionen über Rotations- und Schwingungs­anregungen. (Bild : B. Spaun et al. / NPG)

Anhand hochaufgelöster Infrarotspektren lassen sich Moleküle identi­fi­zieren und sowohl ihre Struktur als auch ihre molekulare Dynamik auf­klären. Das hilft beim Auf­spüren gefähr­licher Stoffe und ist wichtig für die chemische Grund­lagen­forschung. Doch sobald die unter­suchten Moleküle mehr als eine Hand­voll Atome ent­halten, werden ihre Spektren schnell undurch­schau­bar. Das liegt daran, dass bei Zimmer­temperatur Aber­millionen Rotations-Schwingungs­zustände ange­regt sind, deren doppler­ver­breiterte Absorp­tions­linien zu einem undurch­dring­lichen Spektrum verschmelzen.

Dem lässt sich dadurch abhelfen, dass man die Moleküle auf tiefe Tempe­ra­turen abkühlt. Jun Ye und seine Mit­arbeiter vom JILA haben dazu mit Forschern der Harvard Uni­versity ein von diesen ent­wickeltes Kühl­ver­fahren einge­setzt. Dabei werden große Moleküle wie Nitro­methan oder Adamantan in einem Hohl­raum­reso­nator mit ultra­kaltem Helium als Puffer­gas von 300 K auf unter 10 K gekühlt. Dadurch ver­ringert sich die Doppler-Verbrei­terung der Rotations-Schwingungs­linien auf ein Fünftel und es sind wesent­lich weniger Rotations-Schwingungs­zustände thermisch angeregt.

Das eröffnet die Möglichkeit, das Infrarotspektrum der Moleküle mit hoher Auf­lösung aufzu­nehmen. Hier kommt die am JILA entwickelte hohl­raum­verstärke direkte Frequenz­kamm­spektro­skopie ins Spiel. Dabei werden die Moleküle in einem Hohl­raum hoher Güte mit dem Infra­rot­licht eines Laser­frequenz­kamms bestrahlt. Dessen Spektrum besteht aus vielen Linien, die im gleichen Abstand ange­ordnet sind wie die Zähne eines Kamms. Die Kamm­frequenzen werden mit der Mikro­wellen­frequenz einer Cäsium­atom­uhr abge­stimmt.

Mit einem Piezostellglied lässt sich der Abstand der Spiegel des Hohl­raum­reso­nators so verändern, dass viele Kamm­frequenzen über eine Band­breite von hundert Nano­metern mit dem Hohl­raum in Resonanz sind. Das Licht mit diesen reso­nanten Frequenzen wird einige Tausend Mal zwischen den Spiegeln reflek­tiert, sodass es intensiv mit den kalten Molekülen wechsel­wirken kann. Ein Teil des Lichts wird durch einen der beiden Spiegel ausge­koppelt und mit einem Spektro­meter ana­lysiert.

Da gleichzeitig viele Kammfrequenzen die Moleküle anregen können, wird deren Absorp­tions­spektrum parallel an vielen Punkten aufgenommen, wodurch das Verfahren sehr schnell ist. Indem die Forscher den Abstand der Kamm­frequenzen syste­matisch verändern, stellen sie sicher, dass keine Absorp­tions­linien zwischen die Kamm­frequenzen fallen und so unsicht­bar bleiben.

Auf diese Weise konnten die Forscher innerhalb von dreißig bis neunzig Minuten für jedes der von ihnen unter­suchten Molekül­arten ein Spektrum über einen großen Frequenz­bereich auf­nehmen, das Tausende von Absorp­tions­linien auf­wies. Damit ist die neue Methode tausend­mal effi­zienter als die gängige Einzel­frequenz-Laser­spektro­skopie. Im Vergleich zur tradi­tionellen Breit­band­spektroskopie mit weißem Licht ist sie wesent­lich empfind­licher und genauer.

In den aufgenommenen Spektren konnten die Forscher viele charak­teris­tische Anregungen der Moleküle identi­fizieren. Dabei nutzten sie auch den Stark-Effekt, indem sie die Moleküle einem elek­trischen Feld aus­setzten und beob­achteten, welche der aufge­nommen Absorp­tions­linien sich auf­spal­teten. Die Forscher konnten mit ihrem Verfahren erst­mals hoch­auf­ge­löste Absorp­tions­linien­muster von mehr­fachen Schwingungen der Kohlen­stoff-Wasser­stoff-Bindungen in vier verschie­denen komplexen Molekülen auf­nehmen.

Sie wollen mit ihrem neuen Verfahren auch die Spektren von noch komplexeren Molekülen wie C60 untersuchen. Da die einzelnen Moleküle vom Laser­licht des Frequenz­kamms über eine unge­wöhnlich lange Zeit von über zehn Milli­sekunden abge­fragt werden, könnte man auch detail­liert unter­suchen, wie bestimmte chemische Reaktionen ablaufen und wie sie von den Rotations- und Schwingungs­anregungen der Moleküle beein­flusst werden.

Rainer Scharf

RK

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