07.09.2011

Ultra-intensive Röntgenstrahlung: nur von Diamant gebündelt!

PSI-Forscher bündeln den bislang hellsten Röntgenstrahl – Grundlage für Experimente am Röntgenlaser SwissFEL.

Bereits vor dem Bau des geplanten Röntgenlasers SwissFEL läuft am Paul Scherrer Institut die Entwicklung der Instrumentierung für diese extrem helle Lichtquelle an. Nun ist es einem vom PSI geleiteten Forscherteam gelungen, harte Röntgenlaserstrahlung 100.000-fach zu konzentrieren und so an einem Punkt Röntgenstrahlung zu erzeugen, die so intensiv war wie wohl nirgends zuvor. Als Linsen verwendeten die Forscher winzige Ringstrukturen aus Diamant – dem Material, das am besten dem Röntgenlaserlicht standhält. Mit solch intensiver Strahlung erhoffen sich Röntgenphysiker und Biologen unter anderem, die atomare Zusammensetzung und Funktionsweise komplexer Biomoleküle zu entschlüsseln, und so die Grundlage für neue Medikamente zu schaffen.

Abb.: Christian David baut die Linsen in die metallische Testkammer ein, die einem Teil der zukünftigen Swissfel-Optik entspricht. (Bild: PSI, M. Fischer)

An verschiedenen Orten weltweit entstehen Röntgenlaser – Röntgenlichtquellen einer neuen Generation, die auf dem Prinzip des Freie-Elektronen-Lasers beruhen. Seit 2010 liefert der amerikanische Röntgenlaser LCLS in Stanford erste Laserpulse im harten Röntgenbereich, seit Juni 2011 auch die Anlage Sacla im japanischen Hyogo. Am PSI soll 2016 mit dem SwissFEL eine vergleichbare Forschungsanlage in Betrieb gehen. Die Röntgenstrahlung wird in extrem kurzen Lichtblitzen ausgesandt, die nur rund 100 Femtosekunden dauern und deren Helligkeit die der heute verfügbaren Röntgenquellen um das Milliardenfache übertrifft.

Diese einmalige Kennzahl ermöglicht Forschern eine Vielzahl von neuen wissenschaftlichen Experimenten in den verschiedensten Disziplinen. Die Beobachtung von Materie unter solch extremer Bestrahlung schafft Erkenntnisse in der Materialforschung. Durch die sehr kurze Pulsdauer lässt sich der Ablauf sehr schneller chemischer Reaktionen verfolgen und so zum besseren Verständnis der Katalyse beitragen, die in der chemischen Industrie eine zentrale Rolle spielen.

Die höchsten Erwartungen ruhen jedoch auf der Möglichkeit, den genauen Aufbau komplexer Biomoleküle zu entschlüsseln, die für viele Lebensprozesse verantwortlich sind. Mit heutigen Verfahren ist das nur möglich, wenn man die Moleküle in der regelmäßigen Struktur eines Kristalls anordnen kann, der mindestens einige Tausendstel Millimeter groß sein muss. Für viele interessante Moleküle kann man aber nur Nanokristalle erzeugen, die sehr viel kleiner sind. Am SwissFEL wird man auch diese winzigen Kristalle untersuchen können. „Dieses Experiment stellt die Wissenschaftler vor große Herausforderungen“ erklärt Rafael Abela, einer der beiden Leiter des Projekts „Da die Strahlung zu einer Zerstörung der Moleküle führt, muss die Abbildung mit einzelnen Pulsen geschehen – quasi mit einer Belichtungszeit, welche schneller ist als der Strahlenschaden. Dazu ist es erforderlich, die an sich schon äußerst hellen Röntgenpulse in einen kleinstmöglichen Fleck zu fokussieren, um die notwendige Strahlungsdichte zu erreichen.“

Abb.: Der Durchmesser der Diamant-Zonenplatte zur Nano-Fokussierung intensiver Strahlung aus einem Röntgenlaser beträgt 0,5 Millimeter – gerade groß genug um den Laserstahl aufzusammeln (links). Die äußersten Ringe sind nur 100 Nanometer dick und werden zum Mittelpunkt hin dicker (rechts; Bilder: PSI, M. Fischer; REM-Aufnahme PSI)

Genau hier setzt Christian David, Experte für Röntgenoptik am PSI, mit seinen Ideen an. Er beschäftigt sich bereits jetzt mit der Instrumentierung für den geplanten schweizerischen Röntgenlaser Swissfel. Während man in den USA und Japan in erster Line auf Spiegelsysteme zur Bündelung der Lichtpulse setzt, entwickeln David und sein Team Röntgenlinsen, die nicht auf Reflektion sondern auf Diffraktion beruhen. Diese Linsen sind als Fresnel-Zonenplatten ausgeführt – sie bestehen aus konzentrischen Ringen, die abwechselnd verschiedene optische Eigenschaften haben. Für Röntgenstrahlung mit einer tausendmal kleineren Wellenlänge als sichtbares Licht müssen diese Ringstrukturen jedoch erheblich kleiner sein: nur etwa 100 Nanometer dick. Zu ihrer Herstellung bedient sich David der Nanolithographie, eines Verfahrens, das bei der Produktion von Computerchips Anwendung findet.

Der Einsatz von Zonenplatten zur Fokussierung von Röntgenstrahlung ist an sich nichts Neues. Allerdings wurden Zonenplatten für Experimente an Röntgenlasern nicht ernsthaft in Erwägung gezogen. Man ging davon aus, dass ihre fragilen Nanostrukturen durch das extrem intensive Röntgenlicht sehr rasch zerstört würden. Dies bewahrheitete sich zunächst auch in Versuchen, die David mit seinen Kollegen am Laser in Stanford durchführte: herkömmliche Zonenplatten aus Goldstrukturen waren bereits nach kürzester Zeit im heißen Strahl buchstäblich zerflossen.

Die ideale Alternative bietet Diamant. Es ist das Material mit der höchsten Wärmeleitfähigkeit. Es zersetzt sich auch nicht, wenn es erwärmt wird und ist für Röntgenlicht fast transparent. Jedoch wurde dieses Material noch nie für Zonenplatten verwendet, sodass ein Prozess zur ihrer Herstellung entwickelt werden musste. Durch Beschuss mit Sauerstoff-Ionen konnten sehr schmale und vergleichsweise tiefe Ringstrukturen in den Diamant geätzt werden. Zusätzlich wurden die Strukturen an der Universität Helsinki mit hochschmelzendem Iridium gefüllt. Es zeigte sich, dass diese Materialkombination dem Röntgenlaser in Stanford auch auf Dauer widerstehen konnte.

Abb.: Der von einer diamantenen Zonenplatte fokussierte Röntgenlaserpuls erzeugt Krater in einer Metalloberfläche. Bei voller Pulsstärke beträgt deren Durchmesser einige Tausend Nanometer (links), während bei tausendfacher Abschwächung Krater mit 500 Nanometer (rechts) oder kleiner entstehen. (Bild: PSI-REM-Aufnahmen)

Aufgabe der Linsen ist, viel Strahlungsenergie auf einen möglichst kleinen Punkt zu konzentrieren. Zu messen, einen wie kleinen Punkt man optimal erreichen sollte, stellte sich als ein eigenes Problem heraus. Eine Messung mit herkömmlichen Methoden konnte nicht durchgeführt werden – durch die hohe Spitzenleistung im Brennpunkt der Zonenplatten wären die üblicherweise genutzten Teststrukturen durchlöchert worden. Stattdessen nutzten die Forscher am amerikanischen Laser diesen zerstörerischen Effekt, indem sie die Größen von Löchern in Metalloberflächen bestimmten, die von den fokussierten Röntgenpulsen erzeugt wurden. Daraus ließ sich eine Fokusgröße von 320 Nanometern ableiten – bei einem Querschnitt des ursprünglichen Strahls von 0,5 Millimeter. Das Röntgenlicht war an diesem Punkt 100.000-mal intensiver als im ursprünglichen Strahl. Rekord!

Die Leistungsfähigkeit der diamantenen Fresnel-Zonenplatten lässt sich noch deutlich steigern. Zum einen war die Fokusgröße durch chromatische Aberration begrenzt. Die Bandbreite der „Farben“ wird beim SwissFEL jedoch deutlich kleiner sein als in Stanford, sodass dort eine zehnfach höhere Konzentration der Strahlungsdichte möglich sein dürfte. Auch die Effizienz der Zonenplatten lässt sich noch steigern: in den beschriebenen Experimenten wurde nur zehn Prozent der ankommenden Energie im Brennpunkt konzentriert. Bereits Ende dieses Jahres wollen die Schweizer Werte von über dreißig Prozent erreichen.

PSI / OD

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