Ultrapräziser Uhrenvergleich zur Höhenmessung
Hochgenauer Transport von Frequenzen über fast 2000 Kilometer öffnet neue Möglichkeiten für die Geodäsie.
Beim Brückenbau kann so einiges schief gehen. Die Bewohner des deutschen und des schweizerischen Teils von Laufenberg freuten sich schon auf die neue Hochrheinbrücke, als man stutzig wurde: Die aufeinander zuwachsenden Brückenteile unterschieden sich in der Höhe um ganze 54 Zentimeter. Ein peinlicher Fehler: Da hatte jemand den bekannten Höhenunterschied von 27 Zentimetern in den Höhennetzen der Schweiz und Deutschlands falsch in die Rechnung eingebaut, sie somit verdoppelt und nicht getilgt. Diese Höhendifferenz existierte, weil die Deutschen sich bei solchen Berechnungen auf die Meereshöhe der Nordsee beziehen, die Schweizer dagegen auf die Meereshöhe des Mittelmeeres. Normalnull ist also nicht gleich Normalnull. Um solche Fehler in Zukunft auszuschließen, würden Geodäten gerne das Normalnull neu berechnen, und zwar auf der Grundlage der Schwerkraft der Erde. Ihr Ziel ist es, das sogenannte Geoid der Erde, also die tatsächliche Schwerkraftverteilung, auf wenige Zentimeter genau zu ermitteln.
Abb.: Die Erde ist ein Geoid, um ihre Höhenstrukturen besser aufzulösen als auf diesem Bild des Satelliten Goce sind optische Atomuhren ein gutes Mittel. (Bild: ESA)
Herkömmliche Vermessungsverfahren oder GPS-Technik über Satelliten stoßen dabei an ihre Grenzen. Hier bieten optische Atomuhren, die seit einigen Jahren von Physikern entwickelt werden, einen neuen Ansatz, denn der Gang einer Uhr wird durch das Gravitationsfeld des jeweiligen Ortes beeinflusst. Diesen bekannten, aber winzigen Effekt konnte man in den letzten Jahren mit zwei optischen Uhren innerhalb weniger Minuten Messzeit immer empfindlicher nachweisen. Diese Uhren standen jedoch in demselben Institut. Jetzt dürfen auch rund 2000 Kilometer zwischen ihnen liegen. Kommerzielle Glasfasern und ausgeklügelte Verstärkertechnik transportieren die Frequenz der einen Atomuhr zur anderen. Durch ein hochempfindliches Interferometrieverfahren gelingt der Vergleich auf 19 Stellen hinter dem Komma genau.
Damit können diese Uhren erstmals eine Frequenz so genau realisieren, dass selbst die kleinen Frequenzabweichungen, die von einigen Zentimetern Höhenunterschied verursacht werden, auffallen. Dahinter steckt Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie, die sogenannte Gravitations-Rotverschiebung: Wenn eine Uhr weiter von der Erde entfernt ist, sich also in einem schwächeren Schwerefeld befindet, läuft für sie die Zeit tatsächlich etwas schneller ab. Für einen Höhenunterschied von einem Meter ändert sich die Frequenz einer Uhr in der sechzehnten Nachkommastelle.
Die Idee ist nicht neu: Man hat beispielsweise Atomuhren im Flugzeug über die halbe Erde geflogen – und hinterher tatsächlich festgestellt, dass ihre Zeit geringfügig anders abgelaufen war als die einer Atomuhr auf der Erde. Und vor drei Jahren stellten Forscher zwei optische Aluminium-Uhren in benachbarten Laboren mit 33 Zentimetern Höhenunterschied auf und konnten tatsächlich den Einfluss dieser kleinen Höhendifferenz auf die Frequenzen der beiden Uhren messen.
„Aber wie messe ich die Höhendifferenz, also diesen Frequenzunterschied, wenn die beiden Uhren nicht nebeneinander stehen? Sprich: Wie stelle ich die Verbindung her zu einer zweiten Uhr, die dort steht, wo eine Höhe so genau gemessen werden muss?“ fragt Gesine Grosche, Physikerin bei der PTB. Um eine Antwort auf diese Frage zu finden, haben sie und ihre Kollegen vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching (MPQ) in den letzten Jahren erforscht, wie man derartige Präzisionsfrequenzen, wie optische Atomuhren sie erzeugen können, auf die Reise schicken kann.
Nachdem ihnen im letzten Jahr ein Frequenzvergleich über die 920 Kilometer lange Strecke zwischen dem MPQ und der PTB gelungen war, haben sie jetzt diese Strecke verdoppelt – und sogar noch bessere Stabilitäten erzeugt. „Wir können also sehr schnell auf die benötigten genauen Werte kommen, ohne lange messen zu müssen“, erläutert Stefan Droste vom MPQ. „Die Gesamtmessunsicherheit liegt bei nur 4 • 10-19, das entspräche vier Millimetern Höhenunterschied, und wir erreichen diese Auflösung nach nur hundert Sekunden.“ Solche Werte machen die neue Technik für die praktische Anwendung höchst interessant. „Prinzipiell können jetzt optische Uhren in weit entfernten Forschungsinstituten quasi ‚zusammengeschaltet’ und für alle Zwecke genutzt werden, für die man so gute Frequenzen braucht“, erläutert Ronald Holzwarth vom MPQ.
Jetzt stehen die Geodäten quasi schon vor der Tür. „Wir arbeiten gemeinsam an dem Antrag für einen Sonderforschungsbereich zusammen mit den Universitäten Hannover und Bremen“, sagt Gesine Grosche. Außerdem ließe sich diese Forschung auch für radioastronomische Untersuchungen einsetzen. Die Kollegen in Australien wollen dafür Frequenzen nicht nur über 2000 Kilometer, sondern etwa 4000 Kilometer vergleichen, was die Sache natürlich komplizierter macht. Aber Gesine Grosche ist optimistisch: „Nachdem wir jetzt die Grundlagen dafür gelegt haben, wird das wohl auch zu schaffen sein!“
MPQ / PTB / DE