Ultraschnelle Steuerung quantenverschränkter Elektronen
Gezielter Eingriff in die Bewegung des Elektronenpaars im Wasserstoffmolekül gelungen.
Forschern am MPI für Kernphysik ist es gelungen, in die Bewegung des Elektronenpaars im Wasserstoffmolekül gezielt einzugreifen. Die Emissionsrichtung eines durch Licht herausgelösten Photoelektrons in Bezug auf das verbleibende gebundene Elektron im abgespalteten neutrale Wasserstoff-Atom lässt sich durch den zeitlichen Abstand zweier Laserblitze auf der Skala von einigen hundert Attosekunden steuern. Die somit einstellbare Emissionsasymmetrie beruht auf der Quantenverschränkung zwischen dem gebundenen und dem davon räumlich getrennten emittierten Elektron.
Nach links oder nach rechts? Diese Frage lässt sich in der klassischen Welt leicht beantworten. In der Quantenwelt dagegen ist die Antwort schwierig. Elektronen und Protonen können in Zuständen existieren, die gleichzeitig nach links und nach rechts gehen Welche dieser Möglichkeiten sich „materialisiert“, zeigt sich erst im Moment ihrer Messung etwa durch das Auftreffen auf einem Teilchendetektor.
Dieses als Quantenverschränkung bezeichnete Phänomen bildet die Grundlage für Quantencomputer, in denen Informationen in Qubits gespeichert und verarbeitet werden, welche Überlagerungen von „rechts“ und „links“ oder 0 und 1 in der Computersprache ermöglichen. Dadurch wird die Quantenberechnung auf solchen Maschinen viel leistungsfähiger als auf klassischen Computern, da im Grunde mehrere Berechnungen, die nacheinander lange dauern würden, jetzt alle gleichzeitig ablaufen. Aber es gibt auch Probleme: Die Programmierung von Quantencomputern ist komplex und erfordert viele Schritte, die Zeit brauchen – Zeit, in der diese Einheit der Quantenverarbeitung durch Dekohärenz instabil werden kann.
Ein Forschungsteam des MPI für Kernphysik hat jetzt einen bedeutenden Schritt in Richtung einer dramatischen, mehr als 100.000-fachen Beschleunigung der Kontrolle von verschränkten Quantenzuständen gemacht: von Nanosekunden auf Femto- oder sogar Attosekunden. Die Forscher untersuchten in ihrem Attosekunden-Laserlabor die grundlegende Quantendynamik von Wasserstoffmolekülen, indem sie Elektronen und Protonen nach ihrer Wechselwirkung mit diesen ultrakurzen Lichtblitzen detektierten.
Sie fanden heraus, dass die Emissionsrichtung der Elektronen im Verhältnis zu den Protonen durch Verzögerung der Attosekundenpulse im Verhältnis zu den Maxima und Minima einer Laserlichtwelle auf einer Zeitskala von weniger als einer Femtosekunde verändert werden kann. Ein allgemeines theoretisches Modell erklärt diesen Befund durch die oben erwähnte Überlagerung von Zuständen: Zwei Elektronen des Moleküls sind quantenmechanisch verschränkt, obwohl sie sich an unterschiedlichen Orten befinden: Wines davon fliegt isoliert davon, das andere ist noch an ein Proton gebunden. Die Theorie zeigte auch, dass diese Zustände, die den Bell-Zuständen, einem Eckpfeiler der Quanteninformationstheorie, ähneln, durch Verzögerungen von Attosekunden zwischen einem hochfrequenten XUV- und einem niederfrequenten IR-Lichtblitz verändert werden können.
Es ist zwar noch zu früh, um einen brauchbaren Quantencomputer auf der Grundlage dieser Idee zu entwerfen, aber sie liefert die grundlegenden physikalischen Erkenntnisse für die Programmierung von Quanteninformation auf extrem kurzen Zeitskalen. Die Allgemeingültigkeit des Modells, das zur Erklärung des am MPI für Kernphysik durchgeführten Experiments verwendet wurde, erlaubt im Prinzip, es von Wasserstoff auf jedes andere System zu übertragen, in dem zwei Lichtfarben gemischt werden können, um Quantenkontrolle über verschränkte Zustände auf der fundamentalen ultraschnellen Zeitskala elektronischer Bewegung zu erreichen.
MPIK / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
F. Shobeiry et al.: Emission control of entangled electrons in photoionisation of a hydrogen molecule, Sci. Rep. 14, 19630 (2024); DOI: 10.1038/s41598-024-67465-0 - Ionisierende Atome und Moleküle in starken Feldern, Quantendynamik und -kontrolle, Max-Planck-Institut für Kernphysik, Heidelberg