Eine revolutionäre neue Meta-Optik für Mikroskope mit extrem hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung hat in Labortests an der TU Graz ihre Einsatztauglichkeit bewiesen. Mikroskope mit dieser Optik versprechen völlig neue Forschungs- und Entwicklungsansätze besonders in der Halbleiter- und in der Solarzellentechnologie.
Die Mikroskop-Optik des Forschungsteams der TU Graz und der Harvard University in Cambridge, USA, ermöglicht erstmals die Verwendung extrem ultravioletter Strahlung. Durch deren äußerst kurze Wellenlänge lassen sich ultraschnelle physikalische Vorgänge im Attosekundenbereich verfolgen, beispielsweise Echtzeitaufnahmen aus dem Inneren moderner Transistoren oder die Wechselwirkung von Molekülen und Atomen mit Licht.
Die Attosekundenphysik verwendet extrem ultraviolettes Licht. Weil dieses schnell oszilliert und alle Materialien aus dem Baukasten der Optikentwicklung für dieses Licht undurchsichtig sind, gab es bisher keine brauchbaren Abbildungssysteme dafür. „Ich habe mir die Frage gestellt, ob man das klassische Prinzip der Optik nicht umkehren kann“, erklärt Marcus Ossiander von der TU Graz. „Kann man die Abwesenheit von Material in kleinen Bereichen als Grundlage eines optischen Elementes verwenden?“
Die auf Basis dieser Idee an der Harvard University entwickelte und an der TU Graz erfolgreich getestete Optik setzt dieses Designprinzip um: Eine exakt berechnete Anordnung kleinster Löcher in einer äußerst dünnen Siliziumfolie leitet und bündelt das einfallende Attosekundenlicht. Eine bemerkenswerte Beobachtung des Forschungsteams: Diese Vakuumtunnel transmittieren mehr Lichtenergie, als es aufgrund der mit Löchern bedeckten Fläche möglich sein sollte. Das bedeutet, die neuartige Meta-Optik saugt das ultraviolette Licht regelrecht in den Brennpunkt.
Für diesen Durchbruch erforderlich sind extrem kleine und genau kontrollierte Strukturen. Deren Herstellung bewegt sich nahe an der Grenze des heutzutage technisch Machbaren. Die technische Umsetzung bewerkstelligte das in diesem Bereich weltweit federführende Team um Federico Capasso in Cambridge nach einer Experimentierphase von rund zwei Jahren. Der Nachweis der Funktionsfähigkeit gelang in Zusammenarbeit mit der TU Graz. „Das ist ein schöner Erfolg für die Kooperation zwischen der Harvard Univerity und der TU Graz. Jetzt wollen wir damit bald Mikroelektronik, Nanopartikel und ähnliches untersuchen“, erklärt Ossiander.
Die Meta-Optik besteht aus einer etwa zweihundert Nanometer dünnen Folie, in die winzig kleine Lochstrukturen geätzt wurden. Die gesamte Optik besteht aus vielen hundert Millionen Löchern. Pro Mikrometer finden sich etwa zehn dieser Strukturen auf der Membran, ein einzelnes Loch misst zwischen zwanzig und achtzig Nanometer im Durchmesser. Die Durchmesser der Löcher variieren und verkleinern sich von der Mitte der Membran nach außen hin. Je nach Größe des Lochs wird die dort einfallende Lichtstrahlung verzögert und kollabiert dadurch zu einem winzigen Fokalpunkt.
Für die Vermessung der neuartigen Optik haben Martin Schultze und Hana Hampel vom Institut für Experimentalphysik an der TU Graz einzigartiges Know-how zur Erzeugung der notwendigen extrem ultravioletten Strahlung. „Zuverlässig kurze Lichtpulse mit hoher Energie zu erzeugen, erfordert die genaue Kontrolle lichtgesteuerter atomarer Prozesse und sehr präzise optische Aufbauten. Für dieses Projekt haben wir eine Lichtquelle entwickelt, welche besonders effizient Strahlung der Wellenlänge erzeugt, für die diese Meta-Optik ausgelegt wurde“ sagt Schultze. Im Grazer Versuchsaufbau, bei dem ein Laser in einen Edelgas-Jet fokussiert wurde, konnte die extrem ultraviolette Strahlung erzeugt und in sehr kurzen Pulsen konzentriert werden. Mit dieser für die Attosekundenphysik optimierten Lichtquelle gelang der Beweis der Leistungsfähigkeit der Meta-Optik.
Die Entwicklung eines Mikroskops, das mit dieser Optik arbeitet, ist nun der nächste Schritt. Die Anwendungsmöglichkeiten für das neue Forschungsgebiet der Attosekundenmikroskopie sind vielfältig. Besonders die Halbleiter und Solarzellentechnologie wird von der Möglichkeit profitieren, erstmals die ultraschnelle Bewegung von Ladungsträgern in Raum und Zeit verfolgen zu können. In modernen Transistoren und optoelektronischen Schaltkreisen laufen die relevanten Prozesse innerhalb weniger Nanometer räumlicher Ausdehnung innerhalb weniger Attosekunden ab. Die neue Meta-Optik wird es ermöglichen, diesen zentralen Bausteinen unserer Informationstechnologie bei der Arbeit zuzusehen und sie noch weiter zu optimieren.
TU Graz / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
M. Ossiander et al.: Extreme ultraviolet metalens by vacuum guiding, Science 380, 59 (2023); DOI: 10.1126/science.adg6881 - Institut für Experimentalphysik, Technische Universität Graz, Österreich
- School of Engineering and Applied Sciences, Harvard University, Cambridge, USA